Studie: Was die Österreicher am Gesundheitssystem besonders nervt

Im Wartezimmer sitzen drei Frauen auf Stühlen, während ein Arzt mit Papieren vorbeigeht.
Die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem sinkt. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach alternativmedizinischen Behandlungen.

Die Österreicherinnen und Österreicher sind immer unzufriedener mit dem heimischen Gesundheitssystem. Das geht aus einer repräsentativen Gesundheitsstudie des Gallup-Instituts im Auftrag der Wiener Städtischen hervor, die heuer zum sechsten Mal durchgeführt wurde. Befragt wurden 1.000 Personen zwischen 16 und 70 Jahren über Web-Interviews. 

Zwar ist die Haltung noch positiv: Jeder Zweite zeigt sich mit dem System zufrieden. Die Hälfte der Befragten gibt aber an, dass sich das Gesundheitssystem in den vergangenen zwölf Monaten verschlechtert hat.

Mangel an Kassenordinationen und Zeit

"Die Gründe liegen einerseits in den langen Wartezeiten auf Termine, insbesondere bei Fachärztinnen und -ärzten", sagte Sonja Brandtmayer, Generaldirektor-Stellvertreterin der Wiener Städtische Versicherung, bei der Präsentation der Ergebnisse am Donnerstag. Sauer aufstoßen würde den Österreichern auch, dass der Zeitdruck in Kassenordinationen steigt und immer weniger Leistungen von den gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlt werden. 

Insgesamt herrsche die Meinung vor, dass es zu wenig Kassenärztinnen und -ärzte gibt. Lange Wartezeiten seien oft Hauptgrund für den Abschluss einer privaten Gesundheitsvorsorge – aktuell haben 3,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher eine private Krankenversicherung. Auch immer mehr Eltern würden ihre Kinder inzwischen privat versichern, berichtet Brandtmayer auf KURIER-Nachfrage.

Mehrheit fühlt sich körperlich und psychisch fit

Es gibt auch gute Nachrichten: Die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher fühlt sich körperlich und psychisch fit, jeder Zehnte beschreibt sich als wenig oder gar nicht gesund. Nachdem die Corona-Pandemie vor allem Kindern und Jugendlichen einen seelischen Dämpfer verpasst hat, berichten Eltern nun, dass es ihrem Nachwuchs mental wieder besser gehe.

Auch wenn viele ihren Gesundheitszustand positiv bewerten, gelingt es nur rund 40 Prozent der Menschen, abends nach einem stressigen Tag abzuschalten. Ein Viertel hat heute mehr Stress als noch vor einem Jahr, ein Fünftel der Befragten schafft es auch längerfristig nicht, aus der Stressspirale auszusteigen. Frauen fühlen sich häufiger überlastet als Männer – "ein Trend, der schon seit Jahren beobachtbar ist", sagt Brandtmayer. 

Sehr viele Menschen sind regelmäßig mit sorgenvollen Gedanken konfrontiert. Insbesondere die eigene Gesundheit und jene von nahestehenden Menschen, die finanzielle Situation und Überlegungen die Zukunft betreffend, bereiten Kopfzerbrechen, gefolgt von der geopolitischen Lage, Beziehungsthemen und beruflichen Fragen sowie dem Klimawandel und seinen Auswirkungen.

Nachfrage nach Alternativmedizin steigt

Stress und Sorgen scheinen auch Treiber einer steigenden Nachfrage nach alternativ- bzw. komplementärmedizinischen Angeboten zu sein. "Die Alternativmedizin ist in der österreichischen Bevölkerung gut verankert, knapp die Hälfte der Menschen hat bereits Erfahrungen mit solchen Behandlungen gemacht", sagte Gabriele Reithner, Senior Studienleiterin beim Gallup-Institut. 

Neben Stressthemen wenden sich die Menschen vor allem mit Rücken-, Nacken- und Gelenksschmerzen an Anbieter von Homöopathie, Akupunktur, Osteopathie oder TCM. Das Interesse an den genannten Disziplinen wächst vor allem bei Jungen. 

Im Lichte globaler Krisen wird zunehmend über den Begriff der Resilienz gesprochen. Gemeint ist damit die psychische Widerstandskraft, die Menschen schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung überstehen lässt. 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher empfinden sich selbst als resilient, Männer beschreiben sich als belastbarer als Frauen, auch in städtischen Gegenden ist das empfundene Ausmaß an Resilienz größer, ebenso wie in höheren Bildungsschichten. 

KI als Anlaufstelle für Gesundheitsfragen

Ein weiteres Ergebnis: Immer mehr Menschen wenden sich mit gesundheitlichen Anliegen an die Künstliche Intelligenz (KI), ChatGPT etwa. Besonders beliebt sind die Anwendungen bei Jüngeren, auch Frauen befragen die KI häufiger, die Tendenz zur Nutzung steigt mit dem Bildungsniveau. Vertraut wird den medizinischen Kompetenzen der KI allerdings nicht uneingeschränkt: Die überwiegende Mehrheit ordnet Informationen von Ärztinnen und Ärzten als vertrauenswürdiger ein. Nur zwei Prozent halten die KI für kompetenter. 

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