Neujahrsvorsätze: Welche Strategien wirklich helfen sie umzusetzen
Neujahrsvorsätze für 2026
„Willenskraft-Paradoxon“ sagen Psychologen zu einer Situation, die viele zu Jahresbeginn gut kennen: Einerseits ist da der Neujahrsvorsatz, zum Beispiel weniger Süßes zu essen. Und andererseits gibt es plötzlich den unbändigen Wunsch nach Schokolade: „Es ist ein großes Thema in der Forschung zur Selbstkontrolle und Willenskraft, wie man diesen scheinbaren Widerspruch auflöst“, sagt Veronika Job, Professorin an der Fakultät für Psychologie der Uni Wien und Spezialistin für Motivationspsychologie.
„Wenn ich in eine Situation gerate, in der ich von dem Wunsch nach etwas Süßem bereits komplett überwältigt und noch dazu hungrig bin, ist es praktisch unmöglich, dieser Versuchung zu widerstehen. Es gibt aber Strategien, wie man schon im Vorfeld die Weichen so stellen kann, dass man gar nicht in eine solche Konfliktsituation kommt.“
Eine davon heißt „kognitive Neubewertung“ („cognitive reappraisal“): Dabei versucht man, die Perspektive zu verschieben und abstrakt über das Objekt des Verlangens nachzudenken: „Man kann sich ein neues gedankliches Bild für Schokolade schaffen, etwa, dass das ja nur ein Haufen Fett und Zucker und gar nichts Besonderes ist – dann fällt es leichter, davon zu lassen.“
Marshmallow-Test
Dass diese Strategie funktioniert, zeigten die legendären Marshmallow-Tests mit Kindern: Die Vier- bis Sechsjährigen hatten ein Marshmallow vor sich liegen. Sie konnten ihn sofort essen. Aber wenn sie es schafften, einige Minuten zu warten, bekamen sie einen zweiten. Job: „Viele jener Kinder, die durchhielten, hatten sich immer wieder vorgesagt, ,das ist kein Marshmallow, das ist nur eine fluffige Wolke‘ – das war eine besonders erfolgreiche Strategie.“
Motivationspsychologin Veronika Job: "Die Gedanken entscheiden."
Andere Kinder mit hoher Impulskontrolle schauten konsequent weg oder schlossen die Augen, eines schlief sogar ein. „Diese Beispiele zeigen, dass man sich auf verschiedene Weise erfolgreich aus einer bestimmten Situation herausnehmen kann. Man kann auch an etwas Schönes denken, oder man geht eine Runde ins Freie oder hört Musik.“
Viele Menschen unterschätzen auch ihre Willenskraft, weiß Job aus ihren Studien. „Dabei ist sie weniger begrenzt, als wir glauben.“ Häufig schwächen wir sie aber mit einem sogenannten „Arbeitsbelohnungsdenken“:
„Damit bezeichnet man folgendes Gedankenmuster: ,Heute war so ein anstrengender Tag, ich bin so erschöpft, da habe ich mir am Abend Schokolade oder Chips verdient. Und weil ich schon so schlapp bin, kann ich gar nichts anders, meine Kapazität zur Selbstkontrolle ist erschöpft‘.“ Mit diesem Belohnungsdenken rechtfertige man seine Entscheidung, warum man gar nicht standhaft sein könne – und auch nicht müsse. Ganz nach dem Motto: ,Ich habe es mir ja verdient‘.
„Selbstkontrolle stärken“
„Dabei zeigt die Forschung, dass unsere Kapazität zur Selbstkontrolle viel weniger begrenzt ist, als wir selbst oft glauben“, betont Job: „Entscheidend ist, wie man über sein Verhalten denkt und welche Überzeugung man hat. Ich könnte am Abend ja auch positiv bilanzieren: ,Ich habe heute schon so viel geschafft. Und jetzt schaffe ich das Nächste, nämlich standhaft zu sein, auch noch. Und um neue Energie zu tanken, gehe ich jetzt noch eine Runde spazieren, das macht mich stark‘. Mit derartigen Denkmustern kann man seine Selbstkontrolle aktivieren und stärken.“
Und wie ist es, wenn man jahrelange Gewohnheiten verändern will? „Es braucht rund sechs bis acht Wochen, bis sich eine neue Gewohnheit etabliert hat“, erklärt Job: „Und je konkreter und genauer man die Verhaltensänderung plant, desto eher wird man langfristig Erfolg haben. Also nicht nur sagen, ich will weniger Süßes snacken und dafür mehr Obst essen, sondern konkret: ,Wenn ich am Nachmittag Verlangen nach Süßem verspüre, esse ich das Obst, das ich mir deutlich sichtbar auf den (Schreib-)tisch gelegt habe‘. Und davon erzähle ich auch meinen Familienangehörigen oder Bürokollegen, das erhöht den sozialen Druck.“
Laut der Neujahrsumfrage von IMAS (1.022 Befragte) hat nur ein Drittel der Bevölkerung in Österreich ab 16 Jahren gute Vorsätze für das neue Jahr.
Bei diesem einen Drittel sind das aber die Top 5 Vorsätze:
Platz 1:
Mehr Bewegung, mehr Sport: 42 % (2024: 46%)
Platz 2:
Bewusster leben, mehr auf sich selbst schauen: 35 % (2024: 41 %)
Platz 3:
Sich gesünder ernähren: 34 % (2024: 41 %)
Platz 4:
Mehr Zeit für die Familie und Freunde aufwenden: 31 % (2024: 34 %)
Platz 5:
Sachen wegwerfen, die man nicht mehr braucht: 24 % (2024: 22 %)
Sind Vorsätze grundsätzlich sinnvoll? „Ja“, sagt die Psychologin: „Aber nur gut geplante und exakt formulierte – am besten überhaupt nur einer, sehr gut durchdacht und wirklich gewollt. Studien zeigen, dass dann die Chance auf Erfolg deutlich höher ist.
„Reine Zielüberlegungen – ,ich möchte 2026 mehr Bewegung machen‘ – sind schlechte Vorsätze. Das hat nichts mit der Realität zu tun. Wenn Sie aber fix beschließen, konkret jeden Dienstag nach der Arbeit fix 15 Minuten Nordic Walking zu machen, dann haben Sie einen realistischen Plan mit höherer Aussicht auf Erfolg.“
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