46 Jahre später dient ihr zweiter Vorname - "Joy", zu Deutsch: "Freude" - als Titel für einen Spielfilm, der ab sofort auf Netflix zu sehen ist. Er handelt von den drei britischen Wissenschaftern, ohne die es Louise Brown nicht geben würde: Der Gynäkologe Patrick Steptoe, der Physiologe Robert Edwards und die Krankenpflegerin Jean Purdy forschten ab den späten 1960er-Jahren an der so genannten In-vitro-Fertilisation (IVF). Die revolutionäre Methode, bei der Eizellen entnommen, in einem Reagenzglas mit dem Sperma des Mannes vermengt und in die Gebärmutter transferiert werden, sollte unfruchtbaren Paaren den Traum von eigenen Kind erfüllen. So wie Louises Eltern, die neun Jahre vergeblich versucht hatten, schwanger zu werden.
Konservativer Widerstand
Ihre Mutter Lesley war eine von 282 Frauen, die an der Studie im Jahr 1977 teilnahmen. 12 Embryos konnten den Frauen erfolgreich implantiert werden, fünf Frauen wurden schwanger. Louise war das einzige Baby, das auch das Licht der Welt erblickte. Millionen sollten ihr folgen.
"Die Geburt von Louise Brown war der Endpunkt einer jahrelangen Forschung", sagt Andreas Obruca, Präsident der Österreichischen IVF-Gesellschaft sowie Gründer und ärztlicher Leiter des Kinderwunschzentrum an der Wien. "Schlussendlich waren es Steptoe und Edwards, denen diese Pionierleistung gelungen ist, dass ein gesundes Kind zur Welt gekommen ist. Natürlich gab es Widerstand, vor allem in konservativen Kreisen." Der Papst fürchtete, Frauen könnten zu "Babyfabriken" verkommen, auch radikale Feministinnen protestierten.
Die Tabuisierung sei heute aber nicht mehr mit damals vergleichbar. 1982 wurde auch in Österreich das erste "Retortenbaby", ein Bub namens Zlatan, geboren. Noch in den frühen 1990ern, als Obruca mit In-vitro-Fertilisationen begann, hätten sich die Paare kaum getraut, ihren Familien und Kindern davon zu erzählen. "Das war damals wie ein Makel in der Verwandtschaft. Heute sind viele Paare stolz darauf, dass sie es geschafft haben."
Patientinnen werden älter
Von diesen Paaren gibt es immer mehr: 21.771 Kinderwunschbehandlungen wurden 2023 in Österreich durchgeführt, knapp 5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Etwa 5 Prozent aller Geburten gingen auf eine künstliche Befruchtung zurück. Einen starken Anstieg gab es bei der Durchführung von Kryo-Zyklen: Dabei werden befruchtete Eizellen eingefroren (kryokonserviert) und zu einem späteren Zeitpunkt eingesetzt. Und noch eine Entwicklung fällt auf: Die Versuche, die durch den IVF-Fonds (siehe unten) unterstützt werden - und somit an das Alter der Eltern gekoppelt sind -, sind erstmals rückläufig.
"Die Daten deuten darauf hin, dass immer mehr Paare mediznische Hilfe in Anspruch nehmen, aber gleichzeitig das höhere Alter der Patietninnen den Weg zum Wunschkind erheblich erschwert", erläutert Obruca. Ab dem 36. Lebensjahr der Frau stürzt die Schwangerschaftsrate bei IVF-Behandlugnen auf 27 Prozent ab, während diese bei unter 25-Jährigen noch bei 40 Prozent liegt. "Die Natur hat immer das letzte Wort. Wenn der Eierstock nicht mehr mitspielt, kann unsere Technik noch so toll sein."
Die Gründe für den aufgeschobenen Kinderwunsch sei eine gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, sagt der Experte. "Frauen wollen nach ihren Ausbildungen erst einmal im Beruf erfolgreich sein und wissen leider genau, dass die Kindererziehung an ihnen hängen bleibt. Wir haben als Gesellschaft leider immer noch nicht verstanden, welchen Wert Kinder haben und wie wir Eltern unterstützen müssen - Stichwort Kinderbetreuung."
Offene Forderungen
Verglichen mit anderen europäischen Ländern sind die Möglichkeiten der "medizinisch unterstützten Fortpflanzung" in Österreich beschränkt. Obruca fordert seit Jahren, dass sich, wie etwa in Deutschland, auch alleinstehende Frauen per In-vitro-Fertilisation den Traum vom Kind erfüllen können. Social Freezing, das Einfrieren von Eizellen, die zu einem späteren Zeitpunkt befruchtet und eingesetzt werden können, könnte Frauen beim Thema Familienplanung ebenfalls den Druck nehmen. Derzeit ist dies in Österreich aber nur erlaubt, wenn eine medizinische Indikation vorliegt.
Die drei Pioniere Steptoe, Edwards und Purdy haben ihre weitreichenden Erfolge nur teilweise miterlebt. Jean Purdy und Patrick Steptoe starben in den 1980er-Jahren, weswegen Robert Edwards den Medizin-Nobelpreis für die Entwicklung der In-vitro-Fertilisation 2010 alleine entgegennahm.
Bei der Premiere ihrer Filmbiografie im Oktober schritt auch Louise Joy Brown über den roten Teppich. Das "ewige IVF-Baby" hat sich mit ihrer Berühmtheit wider Willen über die Jahre abgefunden. Sie lebt in England, arbeitet in einem Büro und hat zwei Söhne, die auf natürlichem Weg gezeugt wurden. Patrick Edwards, sagte sie einmal in einem Interview, sei für sie wie ein Großvater gewesen.
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