Nasenspray statt Epi-Pen: Warum das Mittel für Allergiker keine Zulassung erhielt

Symbolbild
Wer selbst beispielsweise eine Nussallergie oder ein Kind mit einer Insektengiftallergie hat, kennt das ungute Gefühl, dass schon eine einzelne Erdnuss oder ein Bienenstich zu einer lebensbedrohlichen Situation führen können. Der sogenannte anaphylaktische Schock ist zwar selten, kann aber fatale Folgen wie Atemnot, Kreislaufstillstand und Organversagen zur Folge haben. Viele Allergiker haben deshalb immer Notfallmedikamente bei sich.
Besonders bekannt ist der Epi-Pen, eine Spritze, mit der man rasch Adrenalin verabreichen kann. Das Hormon verengt die Blutgefäße, erweitert die Atemwege und reduziert so schwere allergische Symptome wie Schwellung im Hals, Schluckstörungen, Atemnot und Blutdruckabfall. Über eine Spritze können sich Betroffene selbst Adrenalin in den Oberschenkel spritzen.
Eine weitere Möglichkeit, Adrenalin im Notfall zu verabreichen, ist über die Nase mittels Spray. Ein solches Produkt sollte jetzt von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassen werden. Bereits im Mai hatte das Beratergremium der FDA eine Zulassung des Nasensprays "Neffy" des Arzneimittelherstellers ARS Pharmaceuticals für Kinder und Erwachsene empfohlen. Nun kam jedoch überraschend eine Ablehnung der Zulassung.
Erste nadelfreie Alternative
Die Begründung: Es brauche weitere Studien, die eine Zulassung unterstützen. Der Adrenalin-Nasenspray wäre die erste nadelfreie Alternative zu Adrenalin-Autoinjektoren, das heißt Spritzen wie dem Epi-Pen, gewesen. "Wir sind von dieser Maßnahme sehr überrascht", sagte Richard Lowenthal, CEO von ARS Pharmaceuticals in einer Erklärung. Zudem wolle das Unternehmen Berufung gegen die Ablehnung einlegen.
Adrenalin wird seit mehr als 100 Jahren eingesetzt. Bei einem anaphylaktischen Schock, der schwersten Form einer allergischen Reaktion, ist es hochwirksam. Alle derzeit verfügbaren Adrenalin-Behandlungsmöglichkeiten müssen jedoch gespritzt werden, was insbesondere bei Menschen, die Angst vor Nadeln haben, sowie bei Kindern problematisch sein kann. Viele Allergiker fordern seit Jahren eine Option ohne Nadel, bisher jedoch erfolglos.
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Schwere allergische Reaktionen können lebensbedrohlich sein.
Der anaphylaktische Schock ist eine seltene, aber gefürchtete schwere allergische Reaktion. Innerhalb weniger Minuten nach Kontakt mit dem Allergen, etwa ein Insektengift oder ein bestimmtes Lebensmittel, kann es zu schweren Komplikationen kommen.
Unterschiedliche Symptome
Die Symptome können sehr unterschiedlich sein, etwa Hautrötungen, Schweißausbrüche, Juckreiz, Schwellungen im Mund und Rachen, Atem- sowie Herzkreislauf-Beschwerden und Blutdruckabfall. Bei manchen kündigt sich der anaphylaktische Schock über ein Kribbeln in den Händen an. Für Laien sind die Symptome nicht immer eindeutig zu erkennen. Es ist jedoch notwendig, möglichst rasch zu reagieren, um einen Stillstand des Atem- und Kreislaufsystems zu verhindern.
Je früher lebensbedrohliche Reaktionen aufgehalten werden, desto größer ist die Aussicht, den Notfall ohne bleibende Schäden zu überstehen. Am wirksamsten ist das Stresshormon Adrenalin, das gleichzeitig die Symptome im Herz-Kreislauf-System, an den Atemwegen und an der Haut reduziert, indem es die Bronchien öffnet und in Minutenschnelle den Kreislauf stabilisiert.
Notfallset
Menschen mit starker Allergie sollten stets ein Notfallset, das sie gemeinsam mit ihrem oder ihrer behandelnden Arzt oder Ärztin zusammenstellen, bei sich haben. Meist enthält es neben einem oder mehreren Allergie-Pens ein Kortisonpräparat und ein Antihistaminikum, beides in Tablettenform. Betroffene sollten sich in der Apotheke oder bei ihrem Arzt, bei ihrer Ärztin schulen lassen, wie sie im Notfall richtig reagieren und wie der Pen zu benutzen ist.
Daten zu anaphylaktischem Schock fehlen
In Bezug auf den Nasenspray fehlen der FDA Daten zu Menschen mit anaphylaktischem Schock. Bisher wurde der Adrenalin-Spray zwar auch bei Menschen getestet, allerdings nicht bei schweren allergischen Reaktionen, sondern bei leichteren wie starkem Nasenrinnen. ARS legte Studien mit gesunden Menschen sowie mit Menschen, die unter Schnupfenanfällen und ähnlichen allergischen Symptomen leiden, vor. In diesen zeigte der Spray eine vergleichbare Wirkung wie injizierbare Produkte. Bei anaphylaktischem Schock wurde der Nasenspray nicht getestet.
Die Untersuchung eines Medikaments, das als Notfallbehandlung für schwere lebensbedrohliche Reaktionen gedacht ist, wirft ethische Bedenken auf. Für eine randomisierte kontrollierte Studie müssten Erwachsene und Kinder, die unter einer schweren Allergie leiden, bei der Behandlung eines anaphylaktischen Schocks entweder den Nasenspray oder ein Placebo erhalten.
Eine Untersuchung ist also nur unter Bedingungen möglich, wo eine ausfallsichere Behandlung zur Verfügung steht. Das Herstellerunternehmen ARS Pharmaceuticals sagte, dass der Spray vergleichbar mit einem Epi-Pen sei – auf Basis von Tierstudien sowie auch bei den Untersuchungen mit Menschen allergischer Reaktion ohne anaphylaktischen Schock. Bereits im Mai hatte das Pharmaunternehmen Viatrias, das einen Epi-Pen vertreibt, bei der FDA einen Antrag gestellt, dass ARS mehr Studien durchführt, die unter realen Bedingungen stattfinden.
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