Potenziell schädlich: Mikroplastik sammelt sich zunehmend im Gehirn

 Aufnahmen zeigen unzählige splitter- oder flockenförmige Feststoffpartikel im Hirngewebe.
Immer mehr winzige Plastikteilchen im Denkorgan: Eine neue Analyse von Gewebeproben verstorbener Menschen lässt auf eine potenziell problematische Entwicklung schließen.

Zusammenfassung

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  • Mikroplastik könnte sich zunehmend im menschlichen Gehirn ablagern, zeigt eine neue US-Studie.
  • Die Konzentration von Mikroplastik in den Gehirnen von verstorbenen Demenzpatientinnen und -patienten war in der Untersuchung höher als bei Menschen ohne Demenzerkrankung.
  • Ob und wie genau Mikroplastik der Gesundheit schadet, wird nach wie vor intensiv erforscht.

Vor nicht ganz sieben Jahren wurde erstmals Mal Mikroplastik im menschlichen Körper entdeckt. Damals fanden Forschende der MedUni Wien und des österreichischen Umweltbundesamts winzige Plastikrückstände in Stuhlproben

Seither wurde Mikroplastik in allen möglichen Regionen des Organismus aufgestöbert: Im Darm und im Blut, in Samenflüssigkeit, in der Plazenta, in Muttermilch, im Knochenmark und auch in Herzgewebe. Auch im Gehirn wurden die Mini-Kunststoffteilchen längst gefunden. 

In einer neuen Studie postulieren US-Forschende nun, dass sich die Mengen von Mikroplastik im Denkorgan in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht haben könnten – wohl im Gleichschritt mit dem globalen Plastikeinsatz.

Man analysierte rund zwei Dutzend Gehirngewebeproben. Sie entstammten Obduktionen, die zwischen 2016 und 2024 durchgeführt wurden. Im Vergleich zeigten sich drastische Unterschiede. So lag die Menge der im Gehirn aufgespürten Mikro- und Nanokunststoffteilchen 2016 noch bei rund 3.500 Mikrogramm Plastik pro Gramm Gewebe, im Jahr 2024 bereits bei fast 5.000, wie aus einer Grafik des britischen Guardian abzulesen ist  – eine Steigerung um fast 50 Prozent. Ergänzende Gewebeproben aus den Jahren 1997 bis 2013 bildeten einen ähnlichen Trend ab. 

Ebenfalls interessant: Die Konzentration von Mikroplastik in Gehirngewebeproben von Verstorbenen mit Demenz war etwa sechsmal höher als jene in Gehirnen von Menschen ohne Demenzerkrankung. 

Allerdings, das betonen die Fachleute, lasse sich daraus nicht automatisch ein beeinträchtigender Effekt der Plastikteilchen ableiten: So könnten etwa auch Schäden, die eine Demenz im Hirn verursacht, die Konzentrationen der angesiedelten Teilchen erhöhen.

Gesamtkonzentration von Kunststoffen um 50 Prozent gestiegen

Angesichts der "ansteigenden Präsenz von Mikro- und Nanokunststoffen in der Umwelt erzwingen diese Daten weitaus größere Anstrengungen, um zu verstehen, ob sie eine Rolle bei neurologischen Störungen oder anderen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit spielen", summiert das Team des Biochemikers und Umweltwissenschafters Matthew Campen von der US-amerikanischen University of New Mexico.

Erst kürzlich kamen Wissenschafterinnen und Wissenschafter in einer anderen Studie zum Ergebnis, dass der Gehalt winziger Plastikteilen in der Plazenta von Frühgeburten deutlich höher ist. Eine weitere aktuelle Analyse ergab, dass Mikroplastik die Blutgefäße im Gehirn von Mäusen verstopfen und neurologischen Schäden bedingen kann. Unklar ist, ob sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen.

Auch Funde in Leber- und Nierengewebeproben

In Campens Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Medicine veröffentlicht wurde, wurden auch Leber- und Nierengewebeproben von 28 Menschen, die in den Jahren 2016 und 2014 verstorben waren, analysiert. Auch in diesen Proben bildete sich eine Zunahme bei Mikroplastik ab.

Der am häufigsten gefundene Kunststoff war Polyethylen, das bei der Herstellung von Plastiksäcken und Lebensmittel- und Getränkeverpackungen verwendet wird. Bei den im Hirn gefundenen Partikeln handelte es sich meist um nanoskalige Splitter und Flocken aus Kunststoff. Die Kunststoffkonzentrationen in den Organen wurden weder durch das Alter der Person zum Zeitpunkt des Todes noch durch die Todesursache, ihr Geschlecht oder ihre ethnische Zugehörigkeit beeinflusst.

Globale Plastikproduktion rasant angewachsen

Mikroplastik bezeichnet Kunststoffpartikel, die kleiner als fünf Millimeter sind. Nanoplastik ist sogar noch kleiner. Die Teilchen gelangen in die Umwelt, wenn größere Kunststoffteile zerfallen, zerbrechen oder zerrieben werden. Diese Partikel werden inzwischen auch gezielt produziert – etwa für Kosmetika, Zahnpasta oder Babywindeln. Für Ökosysteme stellen sie eine echte Bedrohung dar, da sie kaum abbaubar sind.

Die globale Plastikproduktion ist seit den 1950er-Jahren rasant angewachsen und liegt aktuell bei über 400 Millionen Tonnen pro Jahr. Schätzungen zufolge gelangen zwei bis fünf Prozent des produzierten Plastiks ins Meer, wo der Abfall zerkleinert von Meerestieren aufgenommen wird und über die Nahrungskette in den Menschen gelangen kann. 

Mensch nimmt bis zu fünf Gramm Mikroplastik pro Woche auf

Gefunden wurde Mikroplastik inzwischen an den entlegensten Orten der Welt: dem Gipfel des Mount Everest oder dem Point Nemo, jenem Ort im Südpazifik, der auf der Erde am weitesten vom nächsten Land entfernt ist.

Schätzungen zufolge kann ein Mensch im Schnitt bis zu fünf Gramm Mikroplastik pro Woche aufnehmen. Ein Teil passiert das Verdauungssystem und wird ausgeschieden. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass einige Teile die Zellmembranen durchdringen und in die Blutbahn gelangen können. 

Die Frage, in welchem Ausmaß Mikroplastik für den Menschen gefährlich ist – ob es sich etwa anreichert oder Krankheiten auslösen kann –, ist allerdings nach wie vor Gegenstand von Forschungen.

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