Sie leben um 4,8 Jahre kürzer als Frauen – ein Gendergap, der zwar geringer geworden, aber immer noch deutlich ist. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt beim viel zitierten „starken“ Geschlecht aktuell im Durchschnitt bei 79 Jahren, Frauen werden 84 Jahre alt. Rein biologisch müsste das nicht so sein, wie die berühmte (und fortlaufende) „Klosterstudie“ des österreichischen Demografen Marc Luy zeigt: Anhand der Biografien von 12.000 Männern und Nonnen konnte nachgewiesen werden, dass bei fast identischem Lebensstil der Unterschied in Sachen Lebenserwartung auf ein Jahr zusammenschrumpft.
Lediglich zwölf Monate also, die mit der „Biologie“ korrelieren und die auch Weibchen im Tiermodell länger leben lassen: „Da spielt das Immunsystem genauso eine Rolle wie das Östrogen, das Frauen bis zur Menopause einen Schutz bietet“, sagt die Gendermedizinerin Univ.-Prof. Alexandra Kautzky-Willer von der Medizinischen Universität Wien. Der Rest sei vor allem dem Lebensstil geschuldet. Ernährung spiele hier eine führende Rolle: „Wir wissen, dass Männer wesentlich ungesünder essen und in Bezug auf das Thema viele Stereotypien vorhanden sind. Sie essen mehr Fleisch, Wurst und verarbeitete Lebensmittel und viel weniger Obst und Gemüse als Frauen. Ihre Gesundheitskompetenz ist schlechter.“
Heikles Thema „Vorsorge“
Doch auch ihr distanziertes Verhältnis zum Thema „Vorsorge“ ist evident. Männer gehen seltener zum Arzt als Frauen, der Vorsorgegedanke hält sich ungebrochen auf bescheidenem Niveau. Laut Männer-Gesundheitsbarometer der Österreichischen Gesundheitskasse nahmen im Jahr 2022 nur knapp 12 Prozent der männlichen Bevölkerung eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch. Und mit nur rund 63 gesunden Lebensjahren liegen sie unter dem EU-Durchschnitt. Und das, obwohl der männliche Körper jahrzehntelang als Standardmodell galt, wenn es um Forschung zu neuen Therapien und Medikamenten ging.
„Männer achten weniger auf ihre Gesundheit und gehen meist erst dann zum Arzt, wenn sie echte Beschwerden haben. Vorsorge oder Früherkennung sind hingegen eher problematisch. Sie interessieren sich viel weniger für ihren Körper und sein Wohlbefinden“, weiß Kautzky-Willer. Das hänge nach wie vor mit den normativen Erwartungen an die Idee von „Männlichkeit“ zusammen: „Es ist tatsächlich so, dass die Wahrnehmung von Männlichkeit, die Einstellung dazu und die Art und Weise, wie Männer ihr Leben organisieren, eng mit dem Gesundheitsbewusstsein korrelieren. Maskuline Normen spielen da eine große Rolle“, sagt die Gendermedizinerin.
Dazu gesellen sich ein typisch männliches Streben nach Autonomie und emotionaler Kontrolle. Männer verhielten sich deshalb risikoreicher. „Risk-Taking ist immer noch ein viriles Attribut und im Sinne der sexuellen Anziehungskraft bedeutend. Auch das Gefühl, anderen überlegen sein zu wollen oder einer gewissen Macht beeinflusst den Lebensstil und männliches Verhalten. Es führt zu vermehrtem Nikotin- und Alkoholkonsum, schlechterer Ernährung und oft auch zu Drogenmissbrauch“, weiß Kautzky-Willer. Dass der Monat November seit dem Jahr 2003 als „Movember“ (ein Wortspiel aus MOustache und NoVEMBER) im Zeichen der Männergesundheit steht, ist also nur zu begrüßen. Dabei geht es vor allem um eine erhöhte Aufmerksamkeit für Prostata- und Hodenkrebs.
Die männliche Depression
Mittlerweile rückt aber auch die psychische Gesundheit von Männern in den Fokus. Sie leiden anders, vor allem bei Depressionen. „Dann sind sie oft aggressiv und reizbar, verlieren die Impulskontrolle, trinken Alkohol, rauchen und sind risikobereiter. Männer agieren ihre Symptome eher aus und entsprechen dem üblichen Bild von Depression so gar nicht“, sagt Kautzky-Willer. Die Erkrankung wird daher häufig zu spät oder gar nicht erkannt, was zu erhöhten Suizidraten führt. Die Forschung habe sich zuletzt sehr auf die Frauen fokussiert, wo es dringenden Nachholbedarf gab. „Trotzdem dürfen wir die Männer nicht vergessen, vor allem, was die Entwicklung ihrer Gesundheitskompetenz betrifft. Da müssten wir schon im Kindesalter beginnen“, sagt die Medizinerin.
INFO
MEN: Das Männergesundheitszentrum MEN berät und informiert Männer und Burschen rund um das Thema Gesundheit. Info: men-center.at
Das Herrenzimmer: Ein virtuelles Treffen der Österreichischen Krebshilfe.
Info: krebshilfe.net/herrenzimmer
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