Risiko eines frühzeitigen Todes: Umwelt laut Studie wichtiger als Gene

Opa tanzt mit Enkelin.
Das zeigte eine neue Analyse von Gesundheitsdaten von fast einer halben Million Menschen.

Unbegrenzt lange gesund leben: Was wie eine Utopie klingt, ist das zentrale Anliegen der Partei für Verjüngungsforschung, die kommenden Sonntag bei der deutschen Bundestagswahl um Stimmen buhlt. Die Ein-Themen-Partei geht mit einem einigermaßen skurrilen Wahlversprechen an den Start: Man will erreichen, dass Menschen nicht mehr an Krankheiten wie Krebs, Alzheimer und Herz-Kreislauf-Erkrankungen – oder einfach wegen hohen Alters – sterben.

Ob Unsterblichkeit machbar und erstrebenswert ist, wird inzwischen von vielen Denkern diskutiert. Forschende der renommierten Universitäten Harvard und Oxford haben sich dem Thema – wie bereits viele Fachleute vor ihnen – wissenschaftlich genähert.

Warum haben manche Menschen ein höheres Risiko für einen frühzeitigen Tod? 

Geht es nach dem US-britischen Forschungsteam, liegt die Antwort auf diese Frage zu einem erheblichen Teil in den Umwelteinflüssen, denen Menschen im Laufe ihres Lebens ausgesetzt sind – dem sogenannten Exposom. Es sei rund zehn Mal relevanter als das Erbgut einer Person. Äußere Einflussfaktoren stünden mit 17 Prozent des Sterberisikos in Zusammenhang, während weniger als zwei Prozent auf Gene zurückzuführen sind.

Um zu der Erkenntnis zu gelangen, analysierte man Daten von rund einer halben Million Menschen aus der UK Biobank, einer langfristigen Sammlung von biologischen Proben und gesundheitsbezogenen Daten aus verschiedenen Studien.

Die Gruppe sah sich an, ob 164 verschiedene Umwelteinflüsse, von der Salzaufnahme bis zum Zusammenleben mit einem Partner, mit dem Risiko eines vorzeitigen Todes in Verbindung stehen. Untersucht wurden auch genetische Risikowerte für 22 wichtige Krankheiten auf das Altern, altersbedingte Krankheiten und einen vorzeitigen Tod.

25 relevante Umwelteinflüsse

Nach Ausschluss möglicher verzerrender Faktoren, etwa bereits bestehenden Erkrankungen, blieben 85 Umweltbelastungen übrig, die mit dem Risiko eines vorzeitigen Todes in Verbindung gebracht werden konnten. Es folgten weitere Untersuchungen mit einer von den Forschenden selbst entwickelten Altersuhr auf Basis von Proteinmustern, um festzustellen, welche dieser Einflüsse tatsächlich Effekte auf biologische Alterungsprozesse haben.

Am Ende gewann man 25 relevante Umwelteinflüsse, die sowohl das Altern als auch die Mortalität beeinflussten. Entscheidend sei, das betonen die Fachleute, dass 23 dieser Einflüsse veränderbar seien. 

Der Grundstein für ein gesundes langes Leben wird demzufolge bereits in der Kindheit gelegt. Mütterliches Rauchen wie auch eine höhere Körpergröße im Alter von zehn Jahren war in der Studie mit einem frühzeitigen Tod und Alterungsprozess verbunden. Besonders große Effekte – sowohl auf das Altern als auch auf die Sterblichkeit – hatten Rauchen allgemein, der sozioökonomische Status sowie Bewegung. Neben dem Rauchen, das mit 21 der 22 untersuchten Krankheiten assoziiert war, hatten das Wohnen in Sozialwohnungen im Vergleich zu Wohnen in Eigentum und häufige Müdigkeit die größten negativen Auswirkungen.

Einen Beruf und Bewegung auszuüben und mit einem Partner zusammen zu wohnen, wurden unterdessen als schützende Einflussfaktoren identifiziert. Bei der Entstehung bestimmter Krankheiten, etwa Brustkrebs oder Demenz, spielten wiederum genetische Risikofaktoren eine tragende Rolle. 

Bei vielen Krankheiten sei es jedenfalls lohnend, "Investitionen in das Verständnis und die Veränderung unserer Umwelt" zu tätigen, ist Erstautor Austin Argentieri, der die Studie mit seinem Team im Fachblatt Nature Medicine veröffentlicht hat, überzeugt.

"Anzahl der untersuchten Menschen ist beachtlich"

"Die Ergebnisse sind nicht wahnsinnig überraschend, aber die Anzahl der untersuchten Menschen ist beachtlich und gibt der Studie eine hohe Sicherheit für die Aussage", ordnet der Altersforscher Björn Schumacher vom Institute for Genome Stability in Aging and Disease die Erkenntnisse im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt ein. Er betont vor allem den schädigenden Effekt des Rauchens, wie auch den förderlichen von ausreichend Bewegung.

Gänzlich modulieren lassen sich das Altern und der Tod durch die Veränderung der Lebensgewohnheiten und der Umwelt übrigens nicht: Man stellte nämlich auch fest, dass das kalendarische Alter (also die Zeit seit der Geburt) und Geschlecht zusammengenommen etwa die Hälfte der Unterschiede im individuellen Risiko eines vorzeitigen Todes erklären. 

Die Strategie zur Überlistung des Lebensendes scheint also noch nicht ganz gelungen. 

Kommentare