Kreuzschmerzen: Dieses Antibiotikum könnte die Therapie revolutionieren

Frau greift sich an den unteren Rücken.
Der Schmerz im unteren Rücken gilt als klassische Volkskrankheit. Ein neuer Therapieansatz zeigt in einer Studie vielversprechende Ergebnisse.

Zusammenfassung

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  • Ein neues antibiotisches Mittel, entwickelt von Persica Pharmaceuticals, zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung von chronischen Kreuzschmerzen.
  • Das Medikament, das aus Linezolid, Iohexol und einem thermosensitiven Gel besteht, wurde in einer klinischen Studie an Patienten getestet, die auf herkömmliche Therapien nicht ansprachen.
  • Die Behandlung zielt auf eine bestimmte Patientengruppe mit "erosiver Osteochondrose" ab und befindet sich noch in einem frühen experimentellen Stadium.

Ziehende, stechende oder bohrende Schmerzen, die in Hüfte, Becken, Gesäß oder Beine ausstrahlen können - oft gepaart mit Verspannungs- oder Blockadegefühlen: Kreuzschmerzen können belastend sein, insbesondere, wenn sie chronisch werden.

Allein in Österreich leiden rund 2 Millionen Menschen regelmäßig unter Kreuzweh. Weltweit sind Schätzungen zufolge etwa 619 Millionen Personen betroffen. Und es werden wohl noch mehr: Bis 2050 könnte diese Zahl laut Prognosen auf 843 Millionen ansteigen.

Kreuzschmerzen sprechen oft nicht auf Therapien an

Manchmal verschwinden die Beschwerden nach kurzer Zeit wieder von allein. Nicht selten sind Kreuzschmerzen aber hartnäckig, ihre Behandlung komplex und langwierig. Erst kürzlich kam ein internationales Forschungsteam bei der Analyse von über 300 Einzelstudien zu nichtinvasiven Therapieoptionen wie Schmerztabletten, Wärmesalben oder Bewegung zum Ergebnis, dass Kreuzschmerzen außerordentlich schwer zu behandeln sind. Gerade einmal ein Handvoll Maßnahmen konnte die Schmerzen effektiv reduzieren. Versuche, Kreuzweh gänzlich zu kurieren, seien vielfach nicht von Erfolg gekrönt, heißt es.

Eine neuartige Behandlung rückt dauerhafte Heilung nun in greifbare Nähe.

In einer ersten klinischen Studie am Menschen zeigte das innovative Präparat vielversprechende Wirkungen: 6 von 10 Probanden berichteten von einer deutlichen Schmerzreduktion, aber auch positiven Effekten auf alltägliche Beeinträchtigungen.

Antibiotisches Mittel zeigt vielversprechende Wirkungen

Entwickelt wurde das Medikament mit der Bezeichnung PP353 von Persica Pharmaceuticals, einem im britischen Kent ansässigen Biotechunternehmen. Die erste klinische Studie wurde unter anderem in Zusammenarbeit mit sechs staatlichen Krankenhäusern in England und Wales durchgeführt. Sie umfasste 44 Patientinnen und Patienten, 22 davon wurden in Großbritannien behandelt, 22 weitere in Spanien, Dänemark und Neuseeland. Die Teilnehmenden litten unter chronischen, starken Rückenschmerzen, die auf herkömmliche Behandlungen nicht ansprachen.

Nicht für alle Betroffenen geeignet

Anders als gängige schmerzstillende Kreuzweh-Arzneien ist das Mittel ein antibiotisches Präparat, das den Rückenschmerz ursächlich kurieren soll. Zur Anwendung kommt eine Kombination aus drei in der Medizin bekannten Substanzen: dem Antibiotikum Linezolid, dem Kontrastmittel Iohexol und einem thermosensitiven Gel. "Das Antibiotikum wird mehrmals in die Bandscheiben im unteren Rücken injiziert", beschreibt Petra Krepler, Leiterin des Wirbelsäulenzentrums am Orthopädischen Spital Speising. Krepler verfolgt die Forschungen zu PP353 seit geraumer Zeit aufmerksam: "Wir hatten auch überlegt, in die nun abgeschlossene klinische Phase-I-Studie einzusteigen, es hat sich dann aber nicht ergeben."

Die nun veröffentlichten Erkenntnisse "belegen erstaunliche Wirkungen und zeigen, dass das Medikament wohl seine Berechtigung hat", führt die Expertin aus. Und der Haken? "Das ist die Zielgruppe", betont Krepler. Die Gabe des Medikaments sei nur bei einer bestimmten Patientengruppe sinnvoll. "Konkret handelt es sich um eine Gruppe von Personen mit unterem Kreuzschmerz, bei denen eine erosive Osteochondrose diagnostiziert wird."

Entzündliches Geschehen um die Bandscheiben

Bei der erosiven Osteochondrose besteht ein entzündliches Geschehen um die Bandscheiben im Lendenwirbelsäulenbereich. "Es liegt kein Bandscheibenvorfall vor, aber abnützungsbedingte und per Bildgebung sichtbare Veränderungen – eine entzündungsartige Reizreaktion. Da die Bandscheibe von den angrenzenden Wirbelkörpern genährt wird, reagiert das umliegende Gewebe bei Abnutzungserscheinungen und Verschleißerscheinungen mit." Wobei bei einer erosiven Osteochondrose keine Keime oder Entzündungsmarker im Blut nachweisbar sind. Auf alle Rückenschmerzgeplagten sei der Therapieansatz damit nicht ausweitbar.

Ganzheitlichen Blick auf Rückenschmerzen wahren

Kreuzschmerzen erzeugen nicht nur eine immense individuelle Krankheitslast, sondern auch enorme volkswirtschaftliche Kosten. Shiva Tripathi, Schmerzmediziner und leitender Prüfarzt der Studie, betont im Gespräch mit dem Guardian die Potenziale des Behandlungsansatzes: "Wenn wir es schaffen, dass (…) Patienten mit chronischen Kreuzschmerzen wieder arbeiten können, dass sie keine Medikamente einnehmen müssen, dass sie nicht mehr arbeitsunfähig sind, dann denke ich, dass das der große Wendepunkt für die Zukunft sein wird."

Skeptisch zeigt sich im Guardian-Interview der britische Rheumatologe Benjamin Ellis. Es gebe kaum Belege dafür, dass chirurgische Eingriffe, Injektionen oder auch die Einnahme von Medikamenten beim Großteil der Betroffenen viel bewirken. Ellis kritisiert die wachsende "Industrie, die Technologien und Medikamente anbietet, die angeblich helfen sollen, für deren Wirksamkeit es aber kaum Beweise gibt". Es werde versucht, mit der Verzweiflung Betroffener Geld zu machen

Die Erprobung des Medikaments befinde sich noch in einem frühen, experimentellen Stadium, unterstreicht Krepler. "Am freien Markt ist die Behandlung noch nicht verfügbar und auch in die klinische Routine an Kliniken wird sie in absehbarer Zeit nicht eingeführt." 

Der ganzheitliche Blick auf Rückenschmerzen werde mit dem neuen Präparat ohnehin nicht obsolet. So müssen etwa auch muskuläre Verspannungen, die durch schmerzbedingte Schonhaltungen entstehen und Beschwerden verschlimmern bzw. aufrechterhalten können, mittherapiert werden.

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