Hundertjährige bleiben oft gesünder als gedacht

Viele 100jährige erkranken später und langsamer als Menschen, die früher versterben.
Ein langes Leben muss nicht zwangsläufig mit vielen Krankheiten verbunden sein. Das zeigt eine neue Studie des renommierten Karolinska Institutet in Schweden. Demnach sind Menschen, die 100 Jahre alt werden, nicht nur langlebiger – sie bleiben auch gesünder als viele ihrer Altersgenossen.
Die in der Fachzeitschrift eClinicalMedicine veröffentlichte Untersuchung vergleicht Personen, die mindestens 100 Jahre alt wurden, mit Menschen, die früher starben. Das Ergebnis: Hundertjährige leiden nicht nur seltener unter Krankheiten, sondern entwickeln diese auch langsamer. Bei vielen älteren Menschen häufen sich in den letzten Lebensjahren zahlreiche Diagnosen. Anders bei Hundertjährigen: Ab etwa 90 Jahren scheint sich die Krankheitslast bei ihnen zu stabilisieren. Sie sind häufiger nur von Erkrankungen betroffen, die ein einzelnes Organsystem betreffen, und weisen deutlich weniger Begleiterkrankungen auf. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten bei diesen besonders langlebigen Menschen seltener auf – und wenn, dann später im Leben. Gleiches gilt für neuropsychiatrische Leiden, die ebenfalls deutlich weniger häufig diagnostiziert werden.
Größere Resistenz gegen häufige altersbedingte Krankheiten
„Unsere Ergebnisse widerlegen die weit verbreitete Annahme, dass ein längeres Leben zwangsläufig mehr Krankheiten mit sich bringt. Wir zeigen, dass Hundertjährige einer deutlichen Alterungskurve folgen, mit langsamerem Krankheitsverlauf und größerer Resistenz gegen häufige altersbedingte Krankheiten“, sagt Studienautorin Karin Modig vom Institut für Umweltmedizin am Karolinska Institutet.
Grundlage der Studie ist eine umfassende Analyse der kompletten schwedischen Geburtsjahrgänge 1920 bis 1922 mit mehr als 270.000 Personen. Die Forschenden begleiteten den Gesundheitsverlauf der Teilnehmer ab dem 70. Lebensjahr – teils über drei Jahrzehnte. Sie verglichen nationale Gesundheitsdaten von Menschen mit außergewöhnlicher Langlebigkeit mit jenen, die früher verstarben.
Hundertjährige altern anders
Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass Hundertjährige Krankheiten nicht nur später bekommen – sie scheinen grundsätzlich anders zu altern.
„Wir konnten zeigen, dass außergewöhnliche Langlebigkeit nicht nur mit der Verzögerung von Krankheiten einhergeht. Sie spiegelt ein einzigartiges Alterungsmuster wider. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hundertjährige trotz Alterung und physiologischen Belastungen ihre Widerstandskraft gegen Krankheiten und ihre Homöostase (die Fähigkeit des Körpers, ein stabiles inneres Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, Anm.) trotz wechselnder äußerer Einflüsse, bewahrt haben – was möglicherweise auf eine günstige Kombination von Genen, Lebensstil und Umwelt zurückzuführen ist“, erklärt Modig.
Persönlichkeit hat Einfluss, Region, in der man lebt, weniger
Eine frühere spanische Studie hat zudem gezeigt, dass gewisse Charaktereigenschaften bei Hundertjährigen besonders ausgeprägt sind. Spanische Forscherinnen führten sehr detaillierte Interviews mit 19 Menschen im Alter zwischen 100 und 107 Jahren und konnten acht Persönlichkeitsmerkmale identifizieren, die auf die meisten Hundertjährigen zutrafen: Lebensfreude, Freude am Miteinander, Engagement (etwa in ihrem früheren Arbeitsleben), Selbstbestimmtheit, Neugier, eine positive Grundhaltung, Widerstandsfähigkeit (trotz negativer Erfahrungen, das Leben zu meistern) und Klugheit (im Sinn von Probleme lösen können).
Erkenntnisse zu sogenannten Blue Zones, also Regionen der Welt, in denen besonders viele Hundertjährige leben, sind in der Altersforschung hingegen umstritten. Laut der Theorie, die vom amerikanischen Wissenschaftsjournalisten Dan Buettner geprägt wurde, gibt es einige Gegenden, darunter etwa Okinawa in Japan oder Sardinien in Italien, wo Menschen besonders häufig 100 Jahre und älter werden. Laut Altersforschern spiele aber weniger als die Region die Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität, sinnstiftende Beschäftigungen und soziale Unterstützung eine Rolle.
Hinsichtlich dieser Faktoren gibt es durchaus Überschneidungen in den Blue Zones. Sie lassen sich allerdings auch überall sonst erfüllen. Der britische Wissenschafter Saul Justin Newman untersuchte die Daten zu Blue Zones und kam zu dem Schluss, dass die Annahmen zu den Regionen häufig auf falschen Informationen, etwa fehlenden Geburtsurkunden besonders „alter“ Menschen, beruhten. Er sieht Wohlstand als einen der wichtigsten Gründe für Langlebigkeit. Reiche Menschen würden mehr Sport treiben, weniger Stress haben und sich meist gut ernähren.
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