Wie bitte? Ältere Menschen mit Hörverlust sind oft unterversorgt

Ein Mann mit kariertem Hemd hält die Hand ans Ohr und schaut fragend.
In Österreich sind etwa 1,1 Millionen Menschen ab 65 Jahren von dem gesundheitlichen Problem betroffen. So merken Sie erste Anzeichen.

Isolation, Depressionen und Demenz: Diese Folgen kann Schwerhörigkeit haben, wenn Patienten keine Hilfe in Anspruch nehmen. 1,1 Millionen von insgesamt 1,8 Millionen Österreicher:innen ab 65 Jahren sind von Schwerhörigkeit betroffen. Davon leiden rund 220.000 an höhergradigem Hörverlust, der mit einem Hörgerät nicht mehr ausgeglichen werden kann. Das berichtet der HNO-Facharzt Wolfgang Gstöttner anlässlich des Welttag des Hörens am 3. März. Helfen kann ein Hörimplantat.

"Tägliches Sprechen und Kommunikation mit Familienangehörigen und Freunden ist wichtig für gesundes Altern", betont der Vorstand der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie an der MedUni/AKH Wien. Familie und Allgemeinmediziner seien angehalten, die Betroffenen in die Kliniken zu schicken. 220.000 schwerhörige Menschen über 65 Jahren seien unterversorgt.

Regelmäßig zum Hörtest

Ein einfacher und harmloser Hörtest über Kopfhörer gehöre in der Vorsorgemedizin dazu. Das müsse nicht jährlich sein, wenn mit 50 Jahren bei dem Test alles in Ordnung ist. Aber: "Ab 50 sollte man daran denken, in höherem Lebensalter umso häufiger", empfiehlt Gstöttner.

Technik für Taube

Die Versorgung von Hörschwäche bei jüngeren Altersgruppen klappt in Österreich gut. Im mittleren, erwerbsfähigen Alter sieht Gstöttner Aufholbedarf. So würden Männer etwas später zum Arzt gehen als Frauen.

Ein Kind von 1.000 Geburten kommt komplett taub auf die Welt, diese werden in Österreich beim Neugeborenen-Screening erfasst und sollten im ersten Lebensjahr Hörimplantate, sogenannte Cochlea-Implantate, hinter der Ohrmuschel eingesetzt bekommen, damit sich das Gehirn früh genug daran gewöhnt. Mit Hilfe der Technik sind die Kinder normal hörend. Logopäd:innen unterstützen beim Erlernen der perfekten Aussprache.

Implantat für jedes Alter

Kommt eine Fachärztin/Facharzt zum Schluss, dass ein:e Betroffene:r ein Implantat statt eines Hörgerätes braucht, dann wird die Implantierung komplett von der Kasse übernommen, erläutert Gstöttner. Das sei unabhängig vom Alter und auch bei betagteren Patient:innen  noch möglich, wenn eine Operation nicht aus anderen gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen ist.

Für ältere Menschen und Kinder mit Hörverlust ist das Hören über das Implantat "am Anfang gewöhnungsbedürftig", erläutert Gstöttner. "Je kleiner die Kinder sind, desto weniger kommt das ins Spiel", weil das Gehirn von Anfang an daran gewöhnt sei.

Scheu überwinden

„Anlässlich des Tag des Hörens ist es uns besonders wichtig, zögernden Menschen die Scheu vor dem Verwenden von Hörgeräten zu nehmen“, so Thomas Aigner, Landesinnungsmeister der Oberösterreichischen Hörakustiker. „Die Menschen verschwenden viel zu viel Energie damit, zu überspielen, dass sie nicht alles verstehen und verlieren dadurch immer mehr den Anschluss am gesellschaftlichen Leben. Dabei ist das mithilfe moderner Hörsysteme heutzutage nicht mehr nötig.“

Erste Anzeichen

Altersschwerhörigkeit hängt bei den meisten Menschen nicht mit Traumata zusammen, wie etwa einem lauten Knall, der dem Innenohr schadet. Sie ist oft eine Folge der lebenslangen Lärmbelastung. Als "typische Warnzeichen" zählt Aigner folgende auf:

  • Hohe Töne schwinden: Hörverlust bedeutet nicht, dass alles insgesamt leiser wirkt. Er äußert sich zunächst darin, dass bestimmte, meist hochfrequente Töne nicht mehr wahrgenommen werden. Laute, wie „s“ oder „f“ werden als erstes schwer verstanden. Bei Wörtern wie „Reise“ oder „Reife“ kann es leicht zu Verwechslungen kommen und hohe Töne wie etwa Vogelgezwitscher werden überhört.
  • Laute Umgebung stört: Situationen mit vielen Nebengeräuschen bereiten Schwierigkeiten, beispielsweise Unterhaltungen in vollen Lokalen oder bei Partys.
  • Lautstärke hinaufdrechen: Wenn man die Lautstärke des Fernsehers, Radios oder Computers immer weiter nach oben fährt und andere ständig leiser drehen, ist eine Hörverschlechterung offensichtlich.

Treten diese Warnzeichen ein, ist ein Hörtest unbedingt angeraten.

Insgesamt sind Österreich etwa 1,75 Millionen Menschen ab 14 Jahren, also rund 20 Prozent, von Schwerhörigkeit betroffen. 

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