"Lazarus-Phänomen": Wenn Totgesagte wieder Lebenszeichen geben

Eine Dummy-Puppe zum Üben der Herz-Lungenreanimation: Zeigt sich im EKG 20 Minuten lang eine Nulllinie, beendet der Notarzt die Reanimation.
Es ist ein Fall, der international für Schlagzeilen sorgt: In Italien wurde ein 78-jähriger Mann nach einem Herzstillstand für tot erklärt, doch nach einer halben Stunde ist er wieder aufgewacht. Aber was hat es mit diesem „Lazarus-Phänomen“ auf sich? Welche Auslöser gibt es dafür, und wie häufig ist es?
Mit dem Begriff "Lazarus-Phänomen" wird das Wiedereinsetzen von Kreislauf und Atmung nach einer als erfolglos angesehenen Reanimation (Herz-Lungen-Wiederbelebung) bezeichnet. „Dieses Phänomen ist sehr selten“, sagt Hermann Brugger, ehemaliger Leiter des Instituts für Alpine Notfallmedizin in Bozen. Er hat gemeinsam mit Notfallmedizinern aus Großbritannien, der Schweiz und Österreich (Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg) die medizinische Literatur zwischen 1982 und 2018 auf solche Fälle durchforstet und 2020 eine Studie dazu publiziert:
- 65 Patienten mit einem „Lazarus-Phänomen“ sind in diesem Zeitraum dokumentiert, 34 außerhalb, 29 in einem Spital.
- Bei 70 Prozent traten bereits innerhalb von fünf bis zehn Minuten wieder Lebenszeichen auf. „Es gab aber auch, wie bei dem aktuellen Fall in Italien längere Zeiträume.“
- Zwei Drittel dieser Patienten verstarben allerdings bald danach im Spital, ein Drittel (22) konnte aus dem Spital entlassen werden: „18 davon sogar ohne dauerhafte neurologische Beeinträchtigung – das war schon beeindruckend und zeigt, dass man alles tun muss, um mögliche übersehene Lebenszeichen früh zu erkennen“, sagt Brugger.
Zur auslösenden Ursache gibt es mehrere Theorien. Für am wahrscheinlichsten hält der Notfallmediziner, dass durch eine zu intensive Beatmung der Druck in der Brusthöhle so stark ansteigt, dass dadurch die große Hohlvene zusammengepresst wird und der Rückfluss des Bluts aus den unteren Extremitäten und aus dem Bauchraum verringert wird. „Das vermindert aber die Durchblutung des Herzens und es kann zu einem längeren Herz-Kreislaufstillstand kommen.“ Entweicht die Luft nach der Reanimation, kann das Blut wieder ungehindert fließen.
„Komm heraus!“
Das Lazarus-Phänomen ist nach einem Heiligen benannt. Vier Tage lag Lazarus bereits im Grab, als Jesus rief: „Lazarus, komm heraus!“ – und ihn damit, so berichtet das Lukasevangelium, von den Toten zurückholte.
Die Auferstehung Lazarus’ ist auch ein zentrales Thema der Malerei, vor allem in der Renaissance. Lazarus ist zudem der Patron der Totengräber.
Von Arten bis Daten
Lazarus gab auch dem Lazarus-Effekt seinen Namen. Dieser bezeichnet die Wiederauffindung von Tierarten, die als ausgestorben galten. Im technischen Bereich wird der Begriff „Lazarus“ verwendet, wenn es etwa um Datenwiederherstellung geht.
Eine weitere Theorie lautet, dass die Wirksamkeit von gegen einen unregelmäßigen Herzrhythmus verabreichten Medikamenten verspätet einsetzt: „Das ist aber sehr spekulativ.“
„In Wien werden von der Berufsrettung jährlich etwa 1.500 Reanimationen durchgeführt, vier pro Tag“, berichtet Oberarzt Sebastian Schnaubelt, Leiter des Departments „Prähospitale Forschung“ bei der Berufsrettung.
„Noch nie beobachtet“
„Meine Kollegen und ich haben dieses Lazarus-Phänomen noch nie beobachtet, das können wir mit Gewissheit sagen.“ Denn alle Daten seien genau dokumentiert: „Und wäre es tatsächlich einmal dazu gekommen, würde dies spätestens dem Arzt auffallen, der die Totenbeschau durchführt.“
„Es gibt die Angst vieler Menschen vor dem Scheintod“, sagt Harald Herkner, stv. Leiter der Uni-Klinik für Notfallmedizin AKH/MedUni Wien, „aber in Österreich kann man sie den Menschen nehmen.“

Lazarus wird von Jesus von den Toten erweckt (Bibel-Illustration aus dem Jahr 1846).
Denn Notfallsanitäter und Notärzte seien darauf trainiert, dass es während der Reanimation Phasen geben könne, die nicht eindeutig zu beurteilen sind, die nicht schwarz oder weiß sind, „denn Leben und Tod sind Prozesse, und da gibt es auch Grautöne. Mit unserer Erfahrung und unserem Wissen beurteilen wir als Menschen die Situation in ihrer Gesamtheit – unterstützt durch die Technik.“
International gilt die Empfehlung, dass ab Eintreffen professioneller Rettungskräfte mindestens 20 Minuten reanimiert wird. Bei Herzstillstand liegt häufig auch ein abnormaler Herzrhythmus vor, in diesem Fall gibt ein Defibrillator einen elektrischen Schock ab, um das Herz in einen normalen Rhythmus zu bringen.
Die Sorge, lebendig begraben zu werden, sitzt bei vielen Menschen sehr tief. So tief, dass sie Sicherheitsvorkehrungen ergriffen. Der Dichter Hans Christian Andersen legte jede Nacht einen Zettel neben sein Bett – versehen mit dem Hinweis: „Ich bin nur scheintot.“ Der Philosoph Arthur Schopenhauer wollte erst dann bestattet werden, wenn seine Leiche unverkennbar Anzeichen von Verwesung zeigte. Und die Dramatiker Johann Nestroy und Arthur Schnitzler? Sie verlangten einen Herzstich, um sicherzugehen, dass sie auch wirklich tot sind.
Die Angst kommt nicht von ungefähr. Die sogenannte Taphephobie hatte einen realen historischen Hintergrund. Tatsächlich wurden immer wieder Menschen bestattet, die noch lebten. Tief unter der Erde wachten sie auf – und versuchten, sich zu befreien. Woher man das weiß? Bei Umbettungen fanden sich Kratzspuren an den Innenseiten der Särge, oder die Leichen lagen verdreht in ihrer letzten Ruhestätte.
Einfach nur aus dem Sarg läuten
Vor allem in Seuchenzeiten war die Gefahr groß – etwa während der Cholera-Epidemien. Und so witterten Erfinder und findige Geschäftsleute ihre Chance. Sie entwickelten Sicherheitsvorrichtungen für Särge: etwa eine Schnur, die aus dem Inneren nach oben führte und an ein Glöckchen montiert war. Der vermeintlich Tote musste einfach nur läuten. Auch pyrotechnische Signale konnten ausgelöst werden. Manche Modelle sollen mit Notleitern und Luftkammern ausgestattet gewesen sein.
Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel (1721 bis 1792) ließ sich in seinen Sarg unter anderem Schlossvorrichtungen einbauen. Zwei Schlüssel waren im Leichentuch verborgen: einer für den Sargdeckel, der andere für die Tür der Gruft. Es gibt auch Varianten aus dem 20. Jahrhundert – ausgestattet mit Herzmonitoren und Gegensprechanlagen.
Ob das geholfen hat? Belege dafür, dass jemand durch einen Sicherheitssarg gerettet wurde, gibt es nicht. Zur Beruhigung: Heute ist die Gefahr, lebendig begraben zu werden, praktisch ausgeschlossen.
„20 Minuten Reanimation sind Standard bei uns“, betont Schnaubelt: „Oft ist es auch viel länger. Wenn wir aber im EKG 20 Minuten lang durchgehend eine Nulllinie sehen, also keinerlei elektrische Aktivität, dann beenden wir gemäß internationalen Richtlinien die Reanimation.“
Brugger und seine Mitautoren schlagen hingegen vor, nach Beenden einer erfolglosen Herz-Lungen-Wiederbelebung die Patienten noch zehn weitere Minuten mittels EKG (Elektrokardiogramm) zu überwachen: „Damit reduziert sich das Risiko, dass man etwas übersieht.“
Eine internationale Empfehlung dafür gibt es aber nicht. Rettungsarzt Schnaubelt: „Es ist durch große Studien belegt, dass nach 20 Minuten Nulllinie das Herz nicht mehr anspringt. Das zeigt sich auch daran, dass wir trotz der hohen Zahl an Reanimationen in Wien noch nie so ein Lazarus-Phänomen gesehen haben.“ In 22 Prozent der
1. RUFEN
Kontrollieren Sie, ob die Person atmet. Wenn Sie eine reglose Person ohne oder ohne normale Atmung (Schnappatmung) vorfinden, ist rasches Handeln wichtig: Rufen Sie den Notruf 144 oder 112!
2. DRÜCKEN
Bei einer Person, die nicht oder nicht normal atmet, muss sofort mit der Herzdruckmassage begonnen werden.
- Machen Sie den Brustkorb frei
- Legen Sie eine Hand mit dem Handballen auf die Mitte des Brustkorbs.
- Legen Sie die zweite Hand darüber und strecken Sie beide Arme durch.
- Drücken Sie schnell – mindestens 100-mal pro Minute – und kräftig auf den Brustkorb.
- Drücken Sie das Brustbein 5 bis 6 Zentimeter nach unten
- Nur wenn Sie es sich zutrauen und darin trainiert sind, nach jeweils 30 Massagen 2-mal beatmen.
- Wenn nicht, führen Sie ausschließlich Herzdruckmassagen durch.
3. SCHOCKEN
Sobald ein Defibrillator vorhanden ist, schalten Sie diesen ein und befolgen Sie die Anweisungen. Das Gerät schockt nur, wenn ein Schock angebracht ist.
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