Dramatischer Anstieg bei Hepatitis-A-Fällen: Was steckt dahinter?
Das Hepatitis A-Virus verursacht eine Form von übertragbarer Entzündung der Leber.
In Österreich haben sich heuer bis jetzt rund dreimal so viele Menschen mit Hepatitis A angesteckt wie noch im Vorjahr. Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) berichtet unter Bezugnahme auf das Epidemiologische Meldesystem von insgesamt 227 gemeldeten Verdachtsfällen für das bisherige Jahr (Stichtag 11. November). Im gesamten Jahr 2024 wurden 63 Fälle registriert.
In der Referenzzentrale der MedUni Wien, wo verdächtige Proben genau analysiert werden, wurde heuer bisher bei 170 Personen ein eindeutiger Labornachweis erbracht. Auch einige Todesfälle sind 2025 bereits auf eine Hepatitis-A-Erkrankung zurückzuführen. Zwei Fälle sind bestätigt, weitere werden von der AGES geprüft.
Schon im Juni dieses Jahres hatte die europäische Gesundheitsbehörde ECDC von einer unerwartet hohen Zahl von Hepatitis-A-Erkrankungen berichtet. Zuletzt wurde im Jahr 2017 ein starker Anstieg der Fälle in Österreich registriert. Damals gab in Summe knapp 70 Ansteckungen. In den Jahren davor wurden nur vereinzelt Infektionen gemeldet.
Was sind die Gründe für den Anstieg der Hepatitis-A-Fälle?
Wie sind die Entwicklungen zu erklären? Die Ursachenforschung ist komplex, weiß der Virologe Lukas Weseslindtner von der MedUni Wien. "Wenn man sich vergangene Hepatitis-A-Ausbrüche in Österreich und Europa anschaut, erkennt man allerdings ein Muster: Bevor die Zahlen hochgehen, fallen die Impfschutzraten in der Bevölkerung ab."
Weseslindtner, der auch das Referenzlabor für Hepatitis-Viren an der MedUni Wien leitet, geht davon aus, dass sinkende Impfraten auch bei den aktuellen Entwicklungen eine Rolle spielen. "Die Immunitätsraten dürften in ganz Europa in den vergangenen zehn Jahren deutlich abgefallen sein. Damit bekommt das Virus die Gelegenheit, sich wieder anfällige Menschen zu suchen."
Impfung muss privat bezahlt werden
Die Impfung gegen Hepatitis A ist in Österreich eine sogenannte Indikationsimpfung. Das bedeutet, dass sie nur bestimmten Personengruppen empfohlen wird. So wird etwa vor Fernreisen in tropische oder subtropische Gebiete zur Impfung gegen Hepatitis A (ggf. in Kombination mit einer Impfung gegen Hepatitis B) geraten. Auch Menschen mit Sozialberufen, medizinisches Personal und Menschen, die in Lebensmittelbetrieben tätig sind, sind angehalten, sich impfen zu lassen.
Allerdings ist die Immunisierung privat zu bezahlen. In Österreich wird auch nicht jedes Kind automatisch gegen Hepatitis A geimpft. Allerdings verläuft die Erkrankung bei Kindern auch meist mild. Bei Erwachsenen kommt es häufiger zu schweren Verläufen.
Genaue Zahlen zur Durchimpfungsrate gibt es nicht. "Wir gehen aber davon aus, dass sie sich auf niedrigem Niveau bewegt", sagt Weseslindtner. Aufgrund der dünnen Datenlage wird an der MedUni Wien aktuell diskutiert, ob im Zuge einer Studie erhoben werden soll, wie viele Menschen hierzulande Antikörper gegen den Erreger besitzen.
Neben geringen Impfraten spielen auch andere Einflussfaktoren eine Rolle. So gab es etwa in der Vergangenheit in Österreich auch Fälle durch kontaminierte gefrorene Beeren bzw. mangelnde Hygiene bei der Lebensmittelherstellung. Auch der Verzehr von rohen Lebensmitteln bzw. Meeresfrüchten kann Ursache einer Infektion sein. "Wer oft und gerne Austern ist, sollte eigentlich gegen Hepatitis A geimpft sein", bringt es der Virologe auf den Punkt.
Hepatitis A ist eine meldepflichtige Erkrankung, besteht der Verdacht auf eine Infektion, wird die Probe geprüft und im Überwachungssystem der AGES dokumentiert.
Das Hepatitis-A-Virus löst eine ansteckende Entzündung der Leber aus und wird von erkrankten Menschen über den Darm ausgeschieden. Die Ansteckung erfolgt durch die Aufnahme von mit Fäkalien verunreinigtem Trinkwasser, Speisen und Nahrungsmitteln, aber auch durch Geschlechtsverkehr. Bei Kindern verläuft die Erkrankung meist mild oder gänzlich ohne Krankheitsanzeichen. Bei Erwachsenen kommt es häufiger zu schweren Verläufen.
Von der Ansteckung bis zum Auftreten erster Symptome vergehen 15 bis 50 Tage. Es kommt zu grippeartigen Symptomen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen.
Durch die Entzündung der Leber kann es zu einer Gelbsucht kommen: Haut und Bindehaut färben sich dann gelb. Die Leberentzündung tritt bei den meisten Infizierten akut auf, eine ursächliche Behandlung gibt es nicht. Durch eine massive Immunreaktion kann es zu einer starken Zerstörung von Leberzellen bis hin zu Leberversagen kommen. Dadurch ist die Hepatitis A lebensbedrohlich.
Allerdings sind auch Fälle mit leichter Gelbsucht möglich, die nicht auffallen, Betroffene sind aber dennoch ansteckend. Infizierte scheiden die Krankheitserreger bereits zwei Wochen vor Auftritt von Symptomen sowie bis zu eine Woche danach aus.
Fälle in Nachbarländern: "Kein gemeinsamer epidemiologischer Nenner"
Insgesamt haben sich die Erkrankungszahlen in den vergangenen 20 Jahren wegen verbesserter hygienischer Verhältnisse in Europa reduziert. In Ungarn, der Slowakei und Tschechien ist aber aktuell eine ähnliche Entwicklung wie in Österreich zu beobachten. "Zwischen den Ländern lässt sich kein gemeinsamer epidemiologischer Nenner identifizieren", sagt Weseslindtner. Teilweise wurde eine Zunahme der Fälle insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen wie Obdachlosenheimen beobachtet. "Bei den Fällen, die wir an der MedUni abklären, zeigt sich aber kein einheitliches Muster bei den betroffenen Personen."
Allerdings würden Ansteckungen auch in Österreich teils schwer verlaufen: "Bei einem 55-jährigen Mann hat die Infektion bis zu Leberversagen geführt, er musste auf der Intensivstation behandelt werden, weil das Virus seine Leber fast gänzlich zerstört hat."
Nutzen der Impfung abwägen
Die Impfung gegen Hepatitis A ist sicher und nebenwirkungsarm, betont der Experte. "Zudem weiß man inzwischen, dass bereits zwei Teilimpfungen (bei der Kombinationsimpfung gegen Hepatitis A und B sind drei Teilimpfungen vorgesehen, Anm.) eine vollständige Immunität gewähren, die meist Jahrzehnte oder sogar das ganze Leben anhält."
Weseslindtner rät, eine Hepatitis-A-Impfung mit Blick auf den eigenen Lebensstil abzuwägen: "Wenn man häufig und in ferne Länder oder Regionen mit schlechten Hygienestandards reist und gerne Sushi ist, hat man im Grunde ausreichend Gründe für eine Impfung."
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