Gut gegen Böse - wie man Cholesterin in den Griff bekommt
Gut gegen Böse - wie man Cholesterin in den Griff bekommt
Unbeachtet und unbemerkt begleitet es uns durchs Leben – bis es schließlich die 200er Marke knackt. Dann nämlich schrillen die Alarmglocken, und im Raum stehen Arterienverkalkung, Schlaganfall, Herzinfarkt. Die Rede ist von Cholesterin. Freilich kommt es bei einem Wert um die 200 nicht sofort zu einem akuten Ereignis, dennoch gilt es, ihn zu beobachten. Cholesterin ist schließlich längst keine Unbekannte und mittlerweile sehr gut erforscht. Schon Ende des 18. Jahrhunderts fand man die Substanz in Gallensteinen, Anfang des 19. erhielt sie ihren Namen. Und im 20. Jahrhundert begann man, die gesundheitlichen Auswirkungen zu verstehen: Der deutsche Arzt und Pathologe Rudolf Virchow beschrieb Fettablagerungen in Gefäßen, die so genannte Framingham-Studie belegte in den 1950ern den Zusammenhang zwischen hohen Cholesterinwerten, Arteriosklerose und Herzinfarkt. Heute weiß man: Wenn die Gefäße verkalken und sich dort Ablagerungen (Plaques) bilden, dann besteht die Gefahr, dass sie Gefäße verschließen oder sich Teile dieser Ablagerungen ablösen, zu Herz oder Gehirn wandern und dort einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen.
Die Dichte entscheidet
Cholesterin gehört, gemeinsam mit Triglyzeriden und Transfettsäuren, zu den Blutfetten – Fachbegriff Lipide. „Cholesterin ist ein lebenswichtiger Baustein. Es ist Bestandteil unserer Zellwände und wird zur Produktion von Hormonen, zur Bildung von Gallensäuren und zur Fettverdauung benötigt“, erklärt Internist Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik. Außerdem ist es eine Vorstufe von Vitamin D. Und was viele nicht wissen: Rund 85 Prozent produziert der Körper selbst, vor allem in der Leber. Über den Blutkreislauf wird es zu jenen Zellen, die es benötigen, transportiert, aber es reist nicht allein: Damit es sich überhaupt im Blut bewegen kann, wird es in einen schützenden Eiweißmantel verpackt. So entstehen sogenannte Lipoproteine, also Mischmoleküle aus Fett und Eiweiß.
Je nach Aufbau und Dichte dieser Lipoproteine unterscheidet man zwischen dem High density Lipoprotein (HDL) – dem „guten“, und dem Low density lipoprotein (LDL) – dem „schlechten“. Beide wirken auf unterschiedliche Weise und haben entsprechende Auswirkungen: HDL befördert überschüssiges Cholesterin aus den Gefäßen zurück in die Leber und schützt so vor Ablagerungen. „LDL dagegen bringt Cholesterin in die Peripherie, wo es sich in den Gefäßwänden ablagert, was wiederum die Grundlage für Arteriosklerose und Herzinfarkt ist“, so Ludvik.
Wann es gefährlich wird
Gleich vorweg: „Es gibt keinen zu niedrigen Wert für LDL Cholesterin“, betont der Experte. LDL Cholesterin ist eigentlich als Abfallprodukt des Lipidstoffwechsels zu verstehen. Dieser sollte bei Personen ohne Risikofaktoren unter 116 mg/dl bleiben. „Besonders gefährdet sind jedoch Patienten mit Diabetes oder familiärer Hypercholesterinämie, wo sich Herzinfarkte und Schlaganfälle bei jüngeren Erwachsenen in der Familie finden. Für sie müssen die Werte noch deutlich niedriger liegen“, so Ludvik. Neben genetischen Faktoren spielt der Lebensstil eine zentrale Rolle. Eine mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, Fisch, Olivenöl und Nüssen sowie regelmäßige Bewegung wirken sich günstig auf Cholesterinwerte aus. Tierische Fette hingegen lassen LDL ansteigen.
Dennoch: „Mit Ernährung und Bewegung lässt sich der LDL-Wert maximal um 15 Prozent senken. Reicht das nicht, braucht es wirksame Medikamente“, so Ludvik weiter.
Familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist eine erblich bedingte Störung des Fettstoffwechsels, die dazu führt, dass der Cholesterinspiegel im Blut – insbesondere das „schlechte“ LDL-Cholesterin – von Geburt an stark erhöht ist. Ursache sind Veränderungen in Genen, die für den Abbau von LDL-Cholesterin verantwortlich sind. Am häufigsten betroffen ist das LDL-Rezeptor-Gen, das für die Aufnahme des Cholesterins aus dem Blut in die Zellen zuständig ist. Die Erkrankung ist relativ häufig: Schätzungen zufolge ist etwa eine von 250 Personen betroffen – viele, ohne es zu wissen. FH wird autosomal-dominant vererbt, das heißt: Hat ein Elternteil die Genveränderung, besteht eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass auch das Kind erkrankt.
Das Problem dabei: Das über viele Jahre erhöhte LDL-Cholesterin lagert sich in den Gefäßwänden ab. Bereits in jungen Jahren steigt so das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere Gefäßkrankheiten deutlich. Manche Betroffene entwickeln schon in der Jugend typische Zeichen wie Xanthome, das sind gelbliche Cholesterinablagerungen an den Sehnen oder der Haut, oder eine Hornhauttrübung.
Diagnostiziert wird Familiäre Hypercholesterinämie meist über Bluttests, Familienanamnese und – wenn nötig – genetische Untersuchungen. Da herkömmliche Lebensstiländerungen oft nicht ausreichen, spielt die medikamentöse Behandlung eine zentrale Rolle. Statine sind die Standardtherapie, oft kombiniert mit weiteren Cholesterinsenkern wie Ezetimib oder PCSK9-Hemmern.
Kurz gesagt: Familiäre Hypercholesterinämie ist keine Folge von ungesundem Lebensstil, sondern eine genetische Erkrankung, die unbehandelt gefährlich, aber mittlerweile gut behandelbar ist.
Medikamente als Lebensretter
Seit Jahren als Goldstandard gelten Statine. Sie hemmen die Cholesterinproduktion in der Leber und ihr schützender Effekt ist seit Jahrzehnten wissenschaftlich belegt: Sie senken das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall und verlängern die Lebenserwartung. Bei Bedarf kann man sie auch mit dem lipidsenkenden Wirkstoff Ezetimib kombinieren, der die Wiederaufnahme von Cholesterin im Darm blockiert. Bei Unverträglichkeit oder unzureichender Wirksamkeit werden neben der Bempedoinsäure, welche keine Effekte in der Muskulatur zeigt, auch PCSK-9 Hemmer eingesetzt, die den Abbau der LDL Rezeptoren, welche in der Leber das Cholesterin aus dem Blut eliminieren, vermindern. Ludvik: „Die Kombination mit Statinen/Ezetimib ist sehr potent und kann den LDL Cholesterinspiegel um bis zu 85 Prozent senken.“ Wichtig ist: „Cholesterinsenker sind eine Dauertherapie. Setzt man sie ab, steigt das Risiko sofort wieder.“
Mythen halten sich dennoch hartnäckig – etwa, dass schlanke Menschen kein Risiko hätten oder Statine sogar eine Demenzerkrankung förderten. „Das ist falsch. Gerade schlanke Menschen mit genetischer Veranlagung können massiv gefährdet sein“, stellt Experte Ludvik klar. Frauen im gebärfähigen Alter wiederum, die auf Statine angewiesen sind, sollten eine sichere Verhütungsmethode verwenden, da Statine Missbildungen beim Ungeborenen auslösen können.
Auch bei Kindern lohnt ein Blick auf die Werte. Vor allem dann , wenn im familiären Umfeld schon früh Herzinfarkte oder Schlaganfälle aufgetreten sind. Bei Verdacht auf familiäre Hypercholesterinämie empfiehlt sich die erste Kontrolle schon im Kleinkindalter.
Fazit: Cholesterin ist lebenswichtig – zu viel davon kann jedoch gefährlich werden und es gilt: Wer seine Werte kennt, lebt sicherer. Lebensstilmaßnahmen wie gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung aber auch die modernen Medikamente sind wirksame Möglichkeiten, das Risiko zu senken und Herz und Gefäße langfristig zu schützen.
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