Warum unser Gehirn wie ein Geschirrspüler funktioniert

Ein Kopf auf einer Tafel mit Kreide gezeichnet.
Forscher haben herausgefunden, wie Neuronen dafür sorgen, dass Abfallstoffe während des Schlafs aus dem Gehirn gespült werden und wir so besser schlafen.

Hin und wieder hat man ja das Gefühl, so ein guter Tiefschlaf sei, wie das Abtauchen ins Nichts. Irrtum! Die scheinbare Ruhe steht im Gegensatz zur ständigen Aktivität des Gehirns. Die Nacht ist still, aber das Gehirn ist geschäftig. Während des Schlafs erzeugen die Gehirnzellen elektrische Impulse, die sich zu rhythmischen Wellen verdichten.

Und die sind dringend nötig: Langsame Gehirnwellen werden mit erholsamem, erfrischendem Schlaf in Verbindung gebracht. Mehr noch: Die Gehirnwellen tragen dazu bei, während des Schlafs Abfallstoffe aus dem Gehirn zu spülen.

Das haben Wissenschafter der Washington University School of Medicine in St. Louis herausgefunden. Die Ergebnisse wurden soeben im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht.

Im Detail funktioniert das so: Einzelne Nervenzellen koordinieren sich, um rhythmische Wellen zu erzeugen, die dann Flüssigkeit durch das dichte Hirngewebe treiben und das Gewebe dabei spülen. „Diese Neuronen sind Miniaturpumpen. Die synchronisierte neuronale Aktivität treibt den Flüssigkeitsfluss und den Abtransport von Ablagerungen aus dem Gehirn an“, erklärt die Erstautorin Li-Feng Jiang-Xie. „Wenn wir auf diesem Prozess aufbauen können, besteht die Möglichkeit, neurologische Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson zu verzögern oder sogar zu verhindern, bei denen sich überschüssige Abfälle  wie Stoffwechselabfälle und Junk-Proteine im Gehirn ansammeln und zur Neurodegeneration führen.“

Gehirnzellen steuern

  • Gedanken,
  • Gefühle sowie
  • Körperbewegungen
  • bilden dynamische Netzwerke, die für die Gedächtnisbildung und das Lösen von Problemen unerlässlich sind.

 Stoffwechselabfälle entsorgen

Um diese energieaufwendigen Aufgaben zu erfüllen, benötigen die Gehirnzellen jedoch Treibstoff. Bei der Aufnahme von Nährstoffen aus der Nahrung entstehen dabei Stoffwechselabfälle. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das Gehirn Stoffwechselabfälle entsorgt, die sich ansammeln und zu neurodegenerativen Erkrankungen beitragen können“,  sagt Jonathan Kipnis, der Hauptautor der Studie. „Wir wussten, dass der Schlaf eine Zeit ist, in der das Gehirn einen Reinigungsprozess einleitet, um Abfallstoffe und Toxine auszuspülen, die sich im Wachzustand angesammelt haben. Aber wir wussten nicht, wie das geschieht. Diese Erkenntnisse könnten uns Hinweise auf Strategien und potenzielle Therapien geben, mit denen wir den Abtransport schädlicher Abfälle beschleunigen und sie beseitigen können, bevor sie zu schlimmen Folgen führen.“

Das Gehirn-Experiment

Doch die Reinigung des dichten Gehirns ist keine einfache Aufgabe. Bei der Untersuchung der Gehirne schlafender Mäuse fanden die Forscher heraus, dass die Neuronen die Reinigungsbemühungen vorantreiben, indem sie auf koordinierte Weise elektrische Signale abfeuern, um rhythmische Wellen im Gehirn zu erzeugen, erklärte Jiang-Xie. Sie stellten fest, dass diese Wellen die Flüssigkeitsbewegung vorantreiben.

Das Forscherteam schaltete bestimmte Hirnregionen ab, so dass die Neuronen in diesen Regionen keine rhythmischen Wellen mehr erzeugten. Ohne diese Wellen konnte keine frische Liquorflüssigkeit durch die ausgeschalteten Hirnregionen fließen und eingeschlossene Abfallstoffe konnten das Hirngewebe nicht verlassen.

Einer der Gründe, warum wir schlafen, ist die Reinigung des Gehirns.

von Jonathan Kipnis

Neurobiologe

„Und wenn wir diesen Reinigungsprozess verbessern können, ist es vielleicht möglich, weniger zu schlafen und trotzdem gesund zu bleiben. Nicht jeder hat den Vorteil, jede Nacht acht Stunden zu schlafen, und Schlafverlust hat Auswirkungen auf die Gesundheit", erklärt Kipnis weiter. "Andere Studien haben gezeigt, dass Mäuse, die genetisch darauf eingestellt sind, weniger zu schlafen, gesunde Gehirne haben. Könnte es daran liegen, dass sie ihre Gehirne effizienter von Abfallstoffen befreien? Könnten wir Menschen, die unter Schlaflosigkeit leiden, helfen, indem wir die Reinigungsfähigkeit ihres Gehirns verbessern, so dass sie mit weniger Schlaf auskommen können?“

Die Gehirnwellenmuster ändern sich während der Schlafzyklen. Auffällig ist, dass höhere Gehirnwellen mit größerer Amplitude die Flüssigkeit mit mehr Kraft bewegen. Die Forscher wollen nun herausfinden, warum die Neuronen während des Schlafs Wellen mit unterschiedlicher Rhythmik abfeuern und welche Regionen des Gehirns am anfälligsten für Abfallansammlungen sind.

„Wir denken, dass der Reinigungsprozess des Gehirns dem Geschirrspülen ähnelt“, erklärt Neurobiologin Jiang-Xie. „Man beginnt zum Beispiel mit einer großen, langsamen, rhythmischen Wischbewegung, um lösliche Abfallstoffe zu entfernen, die auf den Teller gespritzt sind. Dann verringert man den Bewegungsumfang und erhöht die Geschwindigkeit dieser Bewegungen, um besonders klebrige Speisereste auf dem Teller zu entfernen. Trotz der unterschiedlichen Amplitude und des unterschiedlichen Rhythmus Ihrer Handbewegungen bleibt das übergeordnete Ziel gleich: verschiedene Arten von Abfällen von den Tellern zu entfernen. Vielleicht passt das Gehirn seine Reinigungsmethode je nach Art und Menge der Abfälle an.“

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