Frauen leben länger aber kränker als Männer
Durchschnittliche Lebenserwartung: 83,7 Jahre, 19,3 Jahre davon bei "mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit". Das sind die Perspektiven für Frauen in Österreich. So beschreibt es zumindest der Frauengesundheitsbericht 2022, der nach mehr als zehn Jahren neu erstellt wurde. Er wurde heute von Gesundheitsminister Johannes Rauch und Projektleiterin Sylvia Gaiswinkler von der Gesundheit Österreich GmbH präsentiert.
Der Bericht zeigt: Frauen leben länger als Männer (Lebenserwartung: knapp 78,8 Jahre). Nach selbsteingeschätzem Gesundheitszustand verbringen Frauen aber knapp 20 Jahre in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit. Bei Männern sind es knapp 15 Jahre.
Was Frauen quält
„Viele Frauen stehen über viele Jahre unter Doppel- und Dreifachbelastung“, sagt Rauch. Zu Erwerbsarbeit und Kindererziehung kämen häufig Gewalterfahrung, Armut und Isolation im Alter. Dem müsse man sich annehmen und „Probleme angehen“ sagte der Minister.
Laut dem Frauengesundheitsbericht werden Herz-Kreislauf-Erkrankungen trotz der Häufigkeit als Todesursache bei Frauen weiterhin als typisch männliche Erkrankungen wahrgenommen. Dabei waren im Jahr 2021 35,7 Prozent all ihrer Todesfälle auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zurückzuführen. Bei Männern waren es mit 32,9 Prozent deutlich weniger. Gründe könnten auch unterschiedliche Symptome und die oft verspäteten Diagnosestellung bei Frauen sein.
Zweithäufigste Todesursache sind Krebserkrankungen, auf die 22,1 Prozent der Todesfälle zurückzuführen sind. Frauen leiden auch häufiger an psychischen Erkrankungen als Männer: Sie machen 15 Prozent der Erkrankungen von Frauen aus, bei Männern sind es 13,9 Prozent. Bei Mädchen und jungen Frauen unter 20 Jahren sind psychische Erkrankungen mit 27 Prozent sogar die häufigste Ursache für in Krankheit und Beeinträchtigung verbrachte Lebensjahre.
Gesundheitsexpertin Sylvia Gaiswinkler von der Gesundheit Österreich GmbH, meint zum Bericht: „Eine Vielzahl von Faktoren, die die Gesundheit von Frauen und Mädchen betreffen, werden in klassischen Gesundheitsberichten nicht angesprochen." Die Themen reichen von frauenspezifischen Erkrankungen über Fragen geschlechterspezifischer Versorgung bis zu den sozioökonomischen Faktoren wie dem erhöhten Armutsrisiko.
Mann als Maß aller Dinge
In Sachen Gesundheit von Frauen und Mädchen gibt es dringenden Aufholbedarf. Elka Xharo, Wissenschaftskommunikatorin und medizinische Informatikerin, kritisiert, dass viel zu lang vom Mann als standardisierte Norm ausgegangen wurde: „Es gibt auch in der Medizin einen Gender Data Gap. Ob bei Medikamentenzulassungen oder bei Herzinfarkt-Symptomen, eine geschlechtergerechte Erhebung und Auswertung von Daten ist essenziell.“
Gesundheitsminister Johannes Rauch hält „einen Perspektivenwechsel im Gesundheitssystem für notwendig“ und weiß, dass "in den nächsten Jahren sicher weitere Initiativen nötig sind“.
Wichtiges Thema im Frauengesundheitsbericht 2022 ist die sexuelle Gesundheit von Frauen. Sie wird nach wie vor stark aus der Risikoperspektive betrachtet, zum Beispiel zur Schwangerschaftsvorbeugung. Hier muss vor allem bei der sexuellen Bildung für Frauen und Mädchen nachgeschärft werden, sagt Rauch: „Es geht unter anderem darum, Mythen zu tabuisierten und stigmatisierten Themen wie Menstruation, Sex oder Möglichkeiten der Verhütung offen zu diskutieren.“ Denn obwohl sich 80 Prozent der 14- bis 17-jährigen Mädchen in sexuellen Fragen für aufgeklärt halten, ist der Informationsbedarf zu sexuellen Praktiken, Schwangerschaft und Geburt sowie zu Geschlechtsorganen annähernd gleich hoch wie vor mehr als 40 Jahren.
Menstruationsgesundheit
Kein Wunder, dass der Frauengesundheitsbericht 2022 feststellt, dass in Österreich noch mehr Daten gesammelt werden müssen, die sich explizit mit der Gesundheit von Frauen befassen. So hat das Gesundheitsministerium im Vorjahr bereits eine Studie zur Menstruationsgesundheit in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden Ende des Jahres 2023 erwartet. Eine weitere Studie erhebt den Bedarf kostenfreier Verhütungsmittel.
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