Neue Untersuchung: Kann spätes Essen krank machen?

Regelmäßiges Essen spät am Abend kann gesundheitliche Nachteile mit sich bringen.
Der Zeitpunkt der hauptsächlichen Nahrungsaufnahme hat wesentlichen Einfluss auf den Blutzucker und das Diabetesrisiko.

Macht es einen Unterschied, zu welcher Tageszeit man den Großteil der Kalorien zuführt? Ob man tendenziell früher oder später im Tagesverlauf isst? Offenbar schon, wie eine neue Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) zeigt. 

"Bisherige Studien zeigen, dass spätes oder nächtliches Essen mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden ist", heißt es beim DIfE. Dennoch sei bisher wenig darüber bekannt, wie der Zeitpunkt des Essens den Glukosestoffwechsel und das Diabetesrisiko beeinflusst.

Für eine neue Studie hat die Wissenschafterin Olga Ramich, Leiterin der Abteilung Molekularer Stoffwechsel und Präzisionsernährung am DIfE untersucht, wie der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme im Tagesverlauf mit dem Blutzuckerstoffwechsel und der Insulinempfindlichkeit zusammenhängt.

Dafür nutzte sie die Daten von 46 eineiigen und zweieiigen Zwillingspaaren ohne Diabetes. Die Probandinnen und Probanden führten fünf Tage lang ein Ernährungstagebuch über ihre Essenszeiten und ihre Essensmengen. Das Forschungsteam ermittelte den individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus, den Chronotyp, der Teilnehmenden. Und sie untersuchten, wann jemand im Verlauf des Tages isst - und zwar in Bezug auf den individuellen biologischen Tagesrhythmus und nicht auf eine konkrete Uhrzeit.  Auch verschiedene Stoffwechseluntersuchungen wurden durchgeführt.

Essenszeitpunkte hängen vom Chronotyp ab

Anschließend bestimmten sie jenen Zeitpunkt am Tag, bis zu dem rechnerisch die Hälfte der Tageskalorienmenge aufgenommen wurde. Das ist der sogenannte "zirkadiane kalorische Mittelpunkt".  Ein späterer Zeitpunkt bedeutet, dass jemand hauptsächlich später am Tag isst - auch wieder in Bezug auf den individuellen Chronotyp, ob jemand also eher ein Frühaufsteher oder eher ein Nachtmensch ist. Das bedeutet, es wurde immer die Zeitdauer zwischen der Essenszeit und dem Mittelpunkt des Schlafs gemessen.

Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung: "Menschen, die ihre Hauptkalorien früher im Tagesverlauf zu sich nahmen, hatten eine bessere Insulinempfindlichkeit", wird Ramich in einer Aussendung zitiert. "Auf der anderen Seite zeigten Probandinnen und Probanden, die ihre Hauptkalorien erst spät am Tag aufnahmen, eine schlechtere Insulinempfindlichkeit, was mit einem höheren Risiko für Typ-2-Diabetes einhergeht." Wenn die Zellen nicht mehr ausreichend empfindlich auf Insulin reagieren, gelangt weniger Zucker aus dem Blut in die Körperzellen. Der Blutzuckerspiegel steigt an. Langfristig kann sich daraus ein Typ-2-Diabetes entwickeln. Darüber hinaus hatten die Probanden, die hauptsächlich zu einem späteren Zeitpunkt aßen, einen höheren Body-Mass-Index und einen größeren Taillenumfang.

Welchen Einfluss die Gene haben

Es gab aber auch noch eine zweite wichtige Erkenntnis der Studie: Um den Einfluss der Gene auf die Essenszeiten zu untersuchen, verglichen die Forschenden das Essverhalten der eineiigen Zwillinge (100 Prozent identische Gene) mit dem der zweieiigen Zwillinge (zirka 50 Prozent identische Gene). Mit speziellen mathematischen Modellen konnten sie abschätzen, wie stark der Zeitpunkt des Essens auf Gene, Umweltfaktoren oder individuelle Erfahrungen zurückzuführen ist. Fazit: Bis zu 60 Prozent des Musters der täglichen Essenszeiten werden genetisch beeinflusst.

Grundsätzlich könnte eine Verlagerung des Großteils der Kalorienaufnahme auf frühere zirkadiane Zeiten - also dem individuellen Chronotyp entsprechend - den Glukosestoffwechsel verbessern sowie vor Typ-2-Diabetes und auch Übergewicht schützen. "Da die Essenszeiten jedoch teils erblich bedingt sind, dürfte es einigen Menschen schwerfallen, ihre Gewohnheiten zu ändern", sagt Ramich. Weitere Studien seien notwendig, um die Wirksamkeit von speziellen Interventionen zu ermitteln, die bei einer Änderung der Essenszeiten unterstützen könnten.

Die Studie ist im Fachjournal eBioMedicine erschienen.

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