Dringlichkeit war gegeben
Die historischen Aufnahmen von Elvis erinnern an den 27. Dezember 2020, als die ersten Senioren den Impfstoff gegen Covid-19 erhielten. Auch in den 1950er-Jahren wurde der Polio-Impfstoff als unglaublicher Durchbruch gefeiert. Eine weitere Gemeinsamkeit: „Es bestand eine gewisse Dringlichkeit, weil immer wieder Polio-Epidemien auftraten.“
Die von einem hochinfektiösen Virus ausgelöste Erkrankung befällt je nach Erregertyp Darm oder Nervensystem und kann zu Lähmungen der Gliedmaßen bis hin zum Atemsystem führen. Bis zur Einführung einer Impfung verursachte die Krankheit weltweit Tausende Behinderungen und führte zu unzähligen Todesfällen, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Doch auch ungeschützte Erwachsene können erkranken – wie etwa der spätere US-Präsident Franklin D. Roosevelt mit 39 Jahren.
Die Situation sei zwar nicht mit den Covid-Notständen vergleichbar, sagt Czech. „Aber Polio war ein besonderes Problem für die öffentliche Gesundheit.“ Eine Impfung galt als Lösung. „Die Aussichten waren lange Zeit denkbar schlecht.“
„Wichtigste Voraussetzung für den Durchbruch war die Kultivierung von Polio-Viren im Labor “, erklärt Czech. Der US-Immunologe Jonas Salk hat bereits einige Jahre daran gearbeitet. „Schon Ende 1952 hatte man sich für einen großen klinischen Versuch entschieden. Von der Ankündigung bis zum Start der Studie vergingen fast eineinhalb Jahre.“
Eine bis dahin beispiellose Initiative folgte – quer durch alle Medien. Doch Kampagnen sind nicht alles – auf das Geld kommt es an. Und hier sieht der Historiker nicht nur einen gewichtigen Faktor für das Gelingen, sondern auch eine wesentliche Parallele zur Corona-Pandemie. „Die Finanzierung war gesichert. Das war entscheidend.“ Das ermöglichte den Wettbewerb der Forschung: Nach Salk entwickelte der US-Mediziner Albert Sabin die Schluckimpfung mit einem Lebendimpfstoff, der 1962 in den USA zugelassen wurde.
Was in den 1950er-Jahren durch staatliche Hilfen und Fundraising-Aktionen gelang, habe heute etwa die Europäische Union getan. Der Sinn: „Die Forscher können sich auf ihre Arbeit konzentrieren und müssen sich keine Gedanken um die Finanzierung machen.“ Bei Polio spielten noch staatliche Institute eine große Rolle, „heute sind es private Firmen“.
Die Entwicklung eines Impfstoffs sei nur der erste Schritt, betont er. „Einen grundsätzlich wirksamen und ungefährlichen Impfstoff vom Labor in die Massenproduktion zu bringen, ihn zu verteilen und Millionen von Menschen damit zu impfen bringt nochmals ganz andere Herausforderungen.“
Promi-Unterstützung
Prominente wie Elvis trugen dazu etwas bei, sind sich Historiker einig. Jugendliche fühlten sich bei Polio nicht betroffen, dabei waren sie die am zweithäufigsten erkrankte Bevölkerungsgruppe. Nur zehn Prozent der Jugendlichen waren bis zu Elvis’ Auftritt geimpft. Das änderte sich danach schlagartig. Vielleicht auch, weil Elvis-Fanclubs jenen, die Immunisierungen nachweisen konnten, handsignierte Fotos versprachen.
Elvis, das Teenager-Idol, war sich seiner Rolle als medienwirksamer „Impfluencer“ durchaus bewusst (siehe auch rechts). „Der Kampf gegen Polio ist so hart wie nie zuvor“, sagte er bei seiner Impfung.
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