Elektrische Muskelstimulation: Mit Strom gegen den Schmerz

Dagmar Paß und Rudolf Grubauer beim medizinischen EMS-Training mit Julia Codet (re.): erfolgreiche Therapie der Rückenschmerzen.
Ende 2024 war die Diplomkrankenschwester Dagmar Paß, 54, „ziemlich verzweifelt“. Chronische Schmerzen zogen sich von einem Oberschenkel in den oberen Rücken. „Ursache war eine Muskelverletzung beim Laufen. Der Schmerz führte zu einer Fehlhaltung, das beeinträchtigte auch die Wirbelsäule.“
Ihr Orthopäde hat sie zu einem Physiotherapeuten vermittelt. „Der hat mich gut aufgebaut, aber ich wusste, irgendwann ist die Physiotherapie zu Ende und ich muss auch danach aktiv bleiben. Herkömmliches Krafttraining war zu schmerzhaft.“
Durch Mundpropaganda kam sie zum „medizinischen EMS-Training“ (EMS = Elektrische Muskelstimulation) in das Studio „Codetraining“ der diplomierten Fitness- und Gesundheitstrainerin Julia Codet in Hollabrunn, NÖ. Dabei werden in nur 15-minütigen Einheiten die Muskeln mit niederfrequenten elektrischen Impulsen stimuliert. „Das medizinische EMS-Training – dafür gibt es spezielle Geräte – hat seinen Ursprung in der Physiotherapie, wo es etwa gezielt zum Muskelaufbau eingesetzt wird“, so Codet.

Dagmar Paß konnte mit dem medizinischen EMS-Training die Schmerzen im Oberschenkel und Rücken gut therapieren.
„Im heurigen Jänner habe ich mit dem medizinischen EMS-Training begonnen, Anfang April konnte ich bereits halbstündige Laufeinheiten schmerzfrei absolvieren“, berichtet Paß.
Kein Schmerzmittel mehr
Rudolf Grubauer, 38, ist Geschäftsführer eines großen Arbeitgebers in Hollabrunn. „Eigentlich bin ich ja ein absoluter Sportmuffel.“ Probleme mit den Bandscheiben und der Wirbelsäule führten dazu, „dass ich nur an sehr wenigen Tagen ohne Schmerzmittel ausgekommen bin“.
Im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung kam vor zwei Jahren das Team von Julia Codet in das von Grubauer geleitete Unternehmen. Mit dabei hatte es mobile medizinische EMS-Geräte. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben damals dieses Training ausprobiert. Auch Grubauer – und er ist dabei geblieben.
"Wenn ich jetzt einmal im Monat ein Schmerzmittel benötige, dann ist das schon viel. Mit dem medizinischen EMS-Training habe ich die Rückenschmerzen in den Griff bekommen.“ Und 15 Minuten Training einmal in der Woche lassen sich gut mit seinem Job vereinen. „Zu einem länger dauernden herkömmlichen Krafttraining könnte ich mich nicht motivieren.“

Rudolf Grobauer benötigt heute praktisch keine Schmerzmittel mehr.
Über eine eng am Körper anliegende Weste mit Elektroden werden durch die Stromimpulse zahlreiche Muskelgruppen aktiviert und ziehen sich zusammen. „Im herkömmlichen Krafttraining gehe ich alle großen Muskelgruppen nacheinander durch. Das medizinische EMS-Training hingegen ist ein Ganzkörpertraining, das den Großteil der Muskelgruppen gleichzeitig beansprucht“, erklärt Codet.
Man baut dabei auch die tief liegende Rückenmuskulatur auf, die mit anderen Trainingsformen deutlich schwerer zu stimulieren ist.“ Deshalb gebe es so gute Ergebnisse bei Rückenschmerzen.

Trainerin Julia Codet: "Meine älteste EMS-Kundin ist 89 Jahre alt."
Aber auch dem altersbedingten Rückgang der Muskelmasse wird entgegengewirkt. „Und es wird überdies das Bindegewebe gestrafft und somit Cellulite reduziert.“
Medizinisches EMS-Training sei in der Regel aber kein vollständiger Ersatz für herkömmliches Krafttraining. Für gezielten, langfristigen Muskelaufbau sei eine Kombination mit normalem Krafttraining empfehlenswert. „Aber es ist ein guter Einstieg für alle, die sich schwer zu mehr Bewegung motivieren können. Die Einheiten sind kurz, und durch den verstärkenden Effekt des Stroms sieht man rasch Erfolge.“

Über die Elektrodenweste werden niederfrequente Stromimpulse abgegeben, die Muskeln ziehen sich zusammen. Gleichzeitig ausgeführte Übungen erhöhen den Trainingseffekt.
Eine Trainingseinheit wird mit maximal drei Personen durchgeführt. „Bei uns wechseln Stimulations- und Entspannungsphasen im Vier-Sekunden-Takt“, sagt Codet.
„Manche Menschen haben zu Beginn Angst, weil sie glauben, einen Stromschlag zu bekommen – aber diese Sorge ist unbegründet. Die Stromimpulse machen sich zunächst mit einem leichten Kribbeln bemerkbar, dann spürt man ein Ziehen, die Kontraktion der Muskeln.“
Strom ist nicht alles
Medizinisches EMS-Training wird manchmal flapsig als „Training für Faule“ bezeichnet, weil ja der Strom die Muskeln stimuliere. „Für Faule ist das sicher nichts“, entgegnet die Trainerin. „Man steht ja nicht passiv herum, sondern verstärkt den Effekt der Impulse, indem man selbst die Muskulatur anspannt und Übungen ausführt.“
Dies geschieht statisch, etwa mit einem Ausfallschritt, einem Unterarmstütz (Plank) oder einer Wandhocke. Oder dynamisch, z. B. mit Kniebeugen, Liegestütz oder Übungen mit Kurzhanteln. „Das Training ist sehr gelenksschonend, wir arbeiten nicht mit schweren Gewichten.“
In einer 15-Minuten-Einheit werden acht Übungen je acht bis zehn Mal wiederholt. Wichtig ist ausreichende Regeneration zwischen den Einheiten: „Die Muskeln werden ja stark belastet.“ Die älteste Kundin von Codet ist 89 Jahre alt. „Sie will beweglich und fit bleiben. Das gelingt ihr mit medizinischem EMS sehr gut.“
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