Covid-19: Stimulation des Ohrmuschelnervs kann Verlauf mildern

Eugenijus Kaniusas (links) und seine Partner zeigten, dass die Stimulation des aurikulären Vagusnervs eine entzündungshemmende Wirkung bei schweren Covid-19-Verläufen hat.
Eine überbordende Immunreaktion bei "kritischen" Patienten auf der Intensivstation kann damit beschwichtigt werden, zeigten Wissenschafter aus Wien.

In der Ohrmuschel verläuft eine Nervenbahn, die Immunreaktionen dämpft. Stimuliert man diesen "Vagusnerv", beschwichtigt er bei schwerem Covid-19-Verlauf das übereifrige Immunsystem, berichten Wiener Forscher und Mediziner. "Die Vagusnerven-Stimulation ist eine sichere klinische Maßnahme und unterstützt die Behandlung von kritischen Covid-19-Patienten effektiv, weil sie verheerende überschießende Entzündungen verhindert", schrieben sie im Fachblatt Frontiers in Physiology.

"Die Vagusnerven-Stimulation der Ohrmuschel wird eingesetzt, um chronische Erkrankungen zu behandeln", erklärt das Team um Eugenijus Kaniusas vom Institut für Biomedizinische Elektronik der Technischen Universität (TU) Wien am Mittwoch in einer Aussendung: "Beispiele dafür sind die Schmerztherapie, die Behandlung von Depressionen und Durchblutungsstörungen."

Covid-19: Stimulation des Ohrmuschelnervs kann Verlauf mildern

Bei dieser Therapie wird eine kleine, stromleitende Nadel in das Ohr gestochen, um "sensorische Nervenenden" zu stimulieren. "Dadurch werden anti-entzündliche Prozesse angestoßen", so die Forscher: "Der Vagusnerv, der sich vom Gehirn bis in die meisten Organe des menschlichen Körpers erstreckt, antwortet auch bei einer SARS-CoV-2-Infektion mit einem anti-entzündlichen Reflex." Manchmal ist dieser aber zu schwach und die überschießende Entzündung schadet dem Körper schließlich mehr als die Virusinfektion, weil sie die Regeneration stört. Durch eine künstliche Stimulation des aurikulären Vagusnervs (aVNS) könne man die "Balance zwischen der schützenden Entzündungsreaktion und den regenerativen Prozessen wiederherstellen", so die Forscher.

Mit Medizinern mehrerer Wiener Krankenhäuser und Institutionen (Klinik Favoriten, Medizinische Universität Wien, Health Service Center der Wiener Privatklinik, Sigmund Freud Privatuniversität Wien und Immunologische Tagesklinik Wien) wurde diese Maßnahme bei Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen getestet. Sie waren schon in "kritischem" Stadium auf der Intensivstation, mussten aber noch nicht künstlich beatmet werden.

"Die Elektrostimulation des aurikulären Vagusnervs konnte die Entzündungsreaktion bei Covid-19-Patienten und -Patientinnen nicht nur aufhalten, sondern dieser sogar entgegenwirken", berichtet Kaniusas: Durch einen genau abgestimmten Regelkreis wurde die Stimulation an die Empfänglichkeit des Vagusnervs angepasst, um eine "Über- und Unterstimulation zu verhindern".

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