Mutationsgefahr: Wenn SARS-CoV-2 auf HIV trifft
Noch nicht gegen Covid-19 Geimpfte sind weltweit weiterhin ein Reservoir für neue Varianten von SARS-CoV-2. Doch das gilt auch für Immunsupprimierte, die eine solche Infektion nicht überwinden können. Das zeigt der Fallbericht einer südafrikanischen HIV-Infizierten, der jetzt beim Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Klinische Mikrobiologie und Infektionen (ECMID/Online) vorgestellt worden ist.
"Neue Mutationen (von SARS-CoV-2; Anm.) führen zu Ausweichmöglichkeiten der Erreger gegenüber dem Immunsystem. Das bedeutet, dass Antikörper, die als Resultat einer vorangegangenen natürlichen Infektion oder einer Impfung gebildet werden, nicht mehr so gut vor einer weiteren Ansteckung schützen", sagte Alex Sigal, der am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin und am Afrikanischen Institut für Gesundheitsforschung (KwaZuluNatal/Südafrika) arbeitet.
Zeit zu mutieren
In Südafrika traf in der jüngeren Vergangenheit SARS-CoV-2 auf das Immunschwächevirus (HIV). Laut dem Wissenschafter gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass die südafrikanische (Beta-SARS-CoV-2) Variante von Covid-19 bei Personen mit einer HIV-Infektion einerseits zu schweren Krankheitsverläufen führt, andererseits gerade bei ihnen gefährlichere Mutationen auftreten. Sigal präsentierte den Fall einer südafrikanischen Aids-Patientin mit nicht ausreichend kontrollierter HIV-Infektion. "Obwohl sie nur eine milde Covid-19-Erkrankung entwickelte, blieben die SARS-CoV-2-Tests 216 Tage lang positiv", hieß es in einer Aussendung zu dem Kongress der europäischen Mikrobiologen und Infektiologen.
"Während die meisten Menschen SARS-CoV-2 schnell überwinden, gibt es bereits einige Berichte über verlängerte Infektionen bei Immunsupprimierten", schrieb das Autorenteam in seiner derzeit noch nicht in einem wissenschaftlichen Magazin nach entsprechender Begutachtung (Peer Review) publizierten Untersuchung.
Bei der beschriebenen Patientin handelte es sich um eine etwas unter 40 Jahre alte Südafrikanerin, die zwölf Tage nach Auftreten von Halsschmerzen und Atemnot mit SARS-CoV-2-Infektion ins Spital kam. Seit 2006 war die Frau HIV-positiv und bekam eine antiretrovirale Therapie, außerdem hatte sie Asthma und stand unter Behandlung mit einem Cortison-Spray und einem Bronchienerweiterer. Offenbar war die Anti-HIV-Therapie nicht ausreichend gewesen. Ein im Spital erfolgter Wechsel der Medikamente führte erst nach 206 Tagen zu einem Befund mit HI-Viren unterhalb der Nachweisgrenze.
Erreger weicht aus
Während dieser Zeit allerdings blieb die Patientin SARS-CoV-2-positiv. Erst nach dem Tag 216 waren die Covid-19-Erreger nicht mehr nachweisbar. Die Crux stellte sich bei der mehrfachen Sequenzierung der Covid-19-Erreger heraus: Relativ früh kam es bei der Frau zum Entstehen der E484-K-Substitutionsmutation von SARS-CoV-2, einer "Fluchtvariante" der Erreger. In der Folge wurden bei der Frau auch noch andere Varianten von SARS-CoV-2 entdeckt. "Das ist ein Hinweis darauf, dass die Evolution von Viren in Trägern der Erreger einen Mechanismus für das Entstehen von SARS-CoV-2-Mutationen darstellt, welche der Immunantwort ausweichen können", schrieben die Fachleute.
Einzeln und kollektiv Impfen
Die notwendigen Konsequenzen erscheinen klar: Bei Immunsupprimierten ist ganz besonders auf Impfschutz und auch auf eine nach der vollen Impfung eingetretene ausreichende Immunantwort zu achten. Das wäre zum Beispiel weltweit bei Krebspatienten und anderen Kranken mit immunsupprimierender Therapie ihrer Grunderkrankung notwendig.
Doch weltweit leben laut Weltgesundheitsorganisatdion (WHO) etwa 37,9 Millionen Menschen mit HIV, mehr als 20 Prozent davon wissen nichts von ihrer Ansteckung. Sie sollten alle eine so wirksame antiretrovirale Behandlung gegen HIV bekommen, dass ihr Immunsystem eine allfällige SARS-CoV-2-Infektion schnell überwinden kann. Von überragender Bedeutung wäre natürlich das Erreichen eines weltweit ausreichenden Impfschutzes zum Zurückdrängen der Pandemie.
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