Chronisches Fatigue Syndrom: Doppelt so viele Betroffene nach Covid-19?

Chronisches Fatigue Syndrom: Doppelt so viele Betroffene nach Covid-19?
Forschende der MedUni Wien haben mögliche Biomarker identifiziert, die Diagnose und Therapie verbessern könnten.

Ein kleiner Lichtblick für die bis zu 80.000 Menschen, die in Österreich am Chronischen Fatigue Syndrom leiden, auch bekannt als ME/CFS oder Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome.

Während die Zahl der Betroffenen in Zusammenhang mit Covid-19 weiterhin stark ansteigen dürfte, konnte die Forschung bisher weder Ursachen noch ursächliche Behandlungsansätze aufzeigen. Wissenschafterinnen und Wissenschafter der MedUni Wien haben nun mögliche Biomarker identifiziert, die Diagnose und Therapie der lang andauernden und entkräftenden Fatigue verbessern könnten. Die Studie ist aktuell im Journal of Clinical Medicine erschienen.

Zu den Schwierigkeiten bei Diagnose und Behandlung gehört, dass sich die Krankheit bei den betroffenen Patienten sehr unterschiedlich zeigt. Zu den Symptomen gehören etwa: 

  • starke Müdigkeit
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • undefinierbare Schmerzen
  • Licht- und Lärmempfindlichkeit
  • Kreislaufprobleme
  • auch grippeartige Beschwerden

Die Studie des Teams um Eva Untersmayr-Elsenhuber vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien baut auf früheren Forschungsarbeiten auf, die sich mit Störungen des Immunsystems und der Barrierefunktion des Darms bei Betroffenen beschäftigt hatten. Trotz intensiver Forschungen liegt bis heute kein messbarer Parameter (Biomarker) vor, der eindeutig auf die Krankheit hinweist.

Betroffene wurden anhand ihres Immunsystems in Untergruppen unterteilt

Wie das MedUni Wien-Forschungsteam zeigt, können ME/CFS-Patienten anhand der Funktion ihres Immunsystems in Untergruppen unterteilt werden. Im Zuge dieser Einteilung konnten im Rahmen der Studie bei den Betroffenen unterschiedliche Biomarker nachgewiesen werden, die auf Störungen im Immunsystem beziehungsweise auf eine reduzierte Darm-Barriere-Funktion hindeuten. Somit wurden für die klinische Versorgung relevante Unterschiede bei ME/CFS-Patienten identifiziert, die ohne die vorhergehende, immunologische Unterteilung der ME/CFS Patientengruppe unentdeckt geblieben wären.

„In unserer Studie sehen wir, dass die immunologische Abklärung der ME/CFS Patientinnen und Patienten von entscheidender Bedeutung ist. Betroffene, die an Immundefizienzen (Mängel, Anm.) leiden, sind durch ihre veränderte Immunfunktion charakterisiert. Bei ME/CFS-Patienten mit intaktem Immunsystem war die Darm-Barriere-Funktion herabgesetzt“, erklärt Studienleiterin Eva Untersmayr-Elsenhuber.

Die Besonderheiten, die sich anhand von messbaren Markern im Blut nachweisen lassen, erlauben laut den Forschenden Rückschlüsse sowohl auf unterschiedliche Krankheitsmechanismen als auch auf unterschiedliche Behandlungsoptionen für ME/CFS-Patienten.

Im nächsten Schritt sollen die Studienergebnisse in einem größeren Rahmen überprüft werden. Um die Forschung zum Chronischen Fatigue Syndrom voranzutreiben, wird an der MedUni Wien aktuell mit Unterstützung der WE&ME-Foundation die erste „ME/CFS-Biobank Austria“ mit biologischen Proben von Betroffenen aufgebaut. Untersmayr-Elsenhuber: „Damit die ME/CFS-Forschung in Zukunft rasch und länderübergreifend stattfinden kann, haben wir uns dabei von Anfang an mit Forschungsgruppen in Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland abgestimmt.“

25 Prozent der Betroffenen kommen kaum aus dem Bett

ME/CFS ist eine schwere multisystemische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad an Einschränkungen führt. 60 Prozent der Patientinnen und Patienten sind nicht in der Lage, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, 25 Prozent kommen kaum aus dem Bett. 

Die genauen Ursachen der Erkrankung sind bisher noch ungeklärt. Da sich die Diagnose aufgrund bislang fehlender Biomarker schwierig gestaltet, kann die Zahl der Betroffenen nicht genau beziffert werden. 

Aktuellen Studien zu Folge leiden in Österreich zwischen 26.000 und 80.000 Menschen an chronischer Fatigue. Als Folge von Covid-19-Infektionen könnte sich diese Zahl in den nächsten Jahren verdoppeln. Die Zusammenhänge zwischen einer Infektion mit SARS-CoV-2 und ME/CFS sind ebenfalls Gegenstand intensiver Forschungen.

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