Diagnose Brustkrebs: Zwischen Angst und Hoffnung

Die Mammografie ist für Frauen mit Brustkrebs oder Verdacht darauf ein belastender Eingriff.
Jede achte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Die Heilungschancen sind heute gut – vorausgesetzt, die Erkrankung wird früh erkannt. Doch schon der Schritt zur jährlichen Vorsorge ist für viele Frauen eine große Hürde: Nicht einmal jede zweite Frau nimmt die kostenlose Mammografie wahr.
Judith Gahleitner kennt diese Hemmschwelle aus zwei Perspektiven: Seit mehr als 30 Jahren arbeitet die 56-Jährige als Radiologietechnologin mit besonderem Fokus auf Mammografien. Parallel hat sie sich ein zweites Standbein als Lebens- und Sozialberaterin (LSB) aufgebaut und begleitet auch Frauen, die die erschütternde Diagnose Brustkrebs erhalten.
Sie weiß, wie viel Mut es manche kostet, zur Mammografie zu gehen – und wie sehr die Angst vor der Diagnose Frauen lähmen kann. „Für viele ist es unangenehm, wenn sie halbnackt vor einer fremden Person stehen und untersucht werden“, sagt Gahleitner. „Es braucht Vertrauen, um ein Stück Gelassenheit zu finden.“
„Rollbalken“ im Kopf
Viele sind nervös, wie das Ergebnis ausfallen wird, insbesondere jene Frauen, die bereits an Brustkrebs erkrankt waren und zur Kontrolluntersuchung kommen. Sie kennt den Moment, wenn der „Rollbalken“ im Kopf heruntergeht und die Worte des Arztes kaum mehr ankommen. „Es hilft, dass ich die medizinische Seite kenne. Ich kann bei Ausdrücken helfen oder Abläufe erklären. Das lichtet den Nebel, in dem sich viele unmittelbar nach der Brustkrebsdiagnose empfinden“, sagt Gahleitner, die ihre Beratung in ihrer Praxis in Münchendorf sowie im Gesundheitszentrum PräHab in Breitenfurt bei Wien anbietet.
Vielen Frauen ziehe die Diagnose „den Boden unter den Füßen“ weg. „Beim ersten Arztgespräch rauscht vieles vorbei – die Betroffenen verstehen oft nur Bruchstücke und viele Informationen gehen verloren“, weiß Gahleitner. Während das Mitteilen der Diagnose in Spitälern oft von Psychoonkologen oder Psychologen begleitet wird, fehle diese Stütze in Arztpraxen. Wenn möglich, sollte eine Vertrauensperson zu Befundbesprechungen mitkommen.
Um mit der Diagnose umgehen zu können, helfe es, viel darüber zu reden – mit Familienmitgliedern, dem Partner oder der Partnerin, Freunden. „Es taucht meist ein Riesenberg an Dingen auf, die passieren sollen. Hilfreich ist, wenn alles, das ansteht, in kleine Schritte geteilt wird und man sich von einem zum nächsten voranarbeitet.“ Angehörigen, die oft ratlos sind, rät sie, Betroffene ernst zu nehmen. Die häufig gut gemeinten Sätze „Das wird schon wieder“ oder „Du schaffst das schon“ spielen die vielfältigen Gefühle betroffener Frauen herunter. Unterstützender sind Bestärkungen wie „Ich bin für dich da“ oder „Ich gehe mit dir mit“. Einfache Sätze, die zeigen: Du bist nicht allein.

Judith Gahleitner berät Frauen mit Brustkrebs.
5.000 Frauen erkranken in Österreich jährlich neu an Brustkrebs.
- Brustkrebs
Bei Brustkrebs (Mammakarzinom) kommt es zu einer bösartigen Veränderung des Brustgewebes. Je nach Krebsart und Fortschritt der Erkrankung ist Brustkrebs meist gut behandelbar.
- Vorsorge
Alle Frauen ab 40 Jahren können in Österreich alle zwei Jahre kostenlos eine Mammografie in Anspruch nehmen. Zwischen 45 und 74 Jahren erhalten sie automatisch eine schriftliche Einladung im Rahmen des nationalen Screening-Programms. Auch Frauen ab 75 können weiterhin zur Mammografie gehen, wenn sie das möchten, erhalten aber keine Einladung.
Hilflosigkeit
Gahleitner: „Gerade bei Angehörigen sehe ich häufig große Hilflosigkeit und Ohnmacht, weil sie helfen wollen, aber nicht viel tun können. Das Allerschwierigste ist das Mitaushalten. Es reicht aber oft schon eine ganz basale Unterstützung, zum Beispiel einkaufen zu gehen oder die Wäsche zu machen.“ Insbesondere Frauen seien anderen Frauen meist eine wichtige Stütze, etwa Töchter und Freundinnen. Aber auch sie dürften nicht vergessen, auf sich selbst zu schauen und sich regelmäßig eine Pause zu gönnen.
Viele Brustkrebspatientinnen wollen ihr soziales Umfeld nicht belasten und zeigen sich stark. In der Beratung ermutigt Gahleitner die Frauen, offen über Gefühle wie Wut, Ärger, Schuld, Scham, Aggression und Ohnmacht zu sprechen. „Es ist wichtig, dass alle Gefühle Raum bekommen. Allein das Benennen verschafft schon Erleichterung. Wenn man mit Angehörigen nicht darüber sprechen kann oder will, kann es helfen, sich professionelle Unterstützung oder eine Selbsthilfegruppe zu suchen“, empfiehlt Gahleitner.
Wie Frauen mit ihrer Brustkrebsdiagnose umgehen, hänge auch stark von ihrer Persönlichkeit ab. Während manche eher dazu neigen, Dinge negativ zu sehen, und vom Worst-Case-Szenario ausgehen, seien andere optimistisch und voller Tatendrang. „Die Diagnose verstärkt die jeweilige Lebenshaltung enorm“, sagt Gahleitner. Ihr Ziel ist es, Frauen zu stärken und gemeinsam mit ihnen Ressourcen sichtbar zu machen, die ihnen helfen, die Erkrankung zu bewältigen.
Eigenes Selbstbild
Besonders belastend sind Brustabnahmen, die heutzutage selten vorgenommen werden müssen. Sie können stark am Selbstbild rütteln. „Sollte das der Fall sein, ist es wichtig, das eigene Selbstbild zu reflektieren. Was macht mich als Frau, als Mensch aus? Aus Sicht der psychosozialen Beratung kann man viel tun, um sich mit einem veränderten Körper vertraut zu machen.“ Von Brustkrebs als „geheilt“ spricht man in der Medizin in der Regel dann, wenn die betroffene Person fünf Jahre nach der Erstdiagnose krebsfrei ist. Wie Frauen diese Phase bewältigen, sei ebenfalls stark von der Persönlichkeit abhängig, erzählt Gahleitner. Während manche am Ende eine Feier machen, ist es für andere keine große Sache.
Von ausufernden Internetrecherchen oder dem Abtauchen in soziale Netzwerke rät Expertin Gahleitner ab: „Zu schnell landet man in einer Negativspirale, die einen eher runterzieht. Dabei gilt heute: Brustkrebs muss kein Todesurteil sein – die Heilungschancen sind sehr gut.“
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