Boys don’t cry: Warum Männer keine Angst vor der Schwäche haben sollten

Boys don’t cry: Warum Männer keine Angst vor der Schwäche haben sollten
Männer zögern oft zu lange, bis sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Ihre Suizidrate ist dreimal so hoch wie bei Frauen.

Ein Indianer kennt keinen Schmerz! Ein Spruch, den wohl die meisten Männer als Buben einmal zu hören bekamen, wenn sie sich beim Spielen ein Knie aufschlugen. Man darf sich keine Schwäche erlauben – ein schädliches Signal bereits in frühester Kindheit. Tatsächlich wird Männlichkeit gerne mit Mut, Selbstsicherheit und Risikofreude assoziiert. „Das beruht zum Teil auf biologischen Fakten wie Stärke und Körpergröße. Auf die haben sich dann aber kulturgeschichtlich diese Zuschreibungen draufgesetzt“, erklärt Psychotherapeut und Männerforscher Michael Klein.

Die Folgen sind teils fatal. Frauen erhalten zwar häufiger die Diagnose Depression als Männer. Bei der Suizidrate ist es aber genau umgekehrt: Männer sterben dreieinhalb mal häufiger an einem Suizid als Frauen. Angesichts dieser Fakten ist es dann auch wenig überraschend, dass Männer hierzulande seltener als Frauen zu Haus- und Fachärzten gehen, sowie bei psychischen Problemen professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Rückzug in die Krise

Die belastenden Ängste und Sorgen sind vielfältig: Die Angst zu scheitern, Erwartungen nicht erfüllen zu können – beruflich wie privat. Darüber zu reden, fällt vielen Männern jedoch schwer. „Es ist für viele nicht leicht, vermeintliche Schwäche zu zeigen. Männer neigen eher dazu, sich in Krisen zurückzuziehen, nicht mehr mit anderen zu sprechen und zu vereinsamen. So entstehen dann depressive Befindlichkeiten bis hin zu Suizidgedanken“, so der Experte. Hier zeigt sich auch die Bedeutung niederschwelliger Beratungsangebote. 

Bernadette Frech, CEO von Instahelp, der Plattform für psychologische Beratung online, berichtet aus eigener Erfahrung: „Typisch männliche Beratungsthemen sind Angst vor Versagen, Stress, Beziehungen und Leistungsdruck – und sie sind aktueller denn je. Mit unserer Kampagne ‚Men’s Mental Health – auch Männer dürfen weinen!‘ möchten wir hier ein Bewusstsein schaffen. Die Bereitschaft für eine Online-Beratung ist bei Männern nämlich deutlich höher als bei Vor-Ort-Angeboten. 50 Prozent der Menschen, die bei uns Beratung in Anspruch nehmen sind Männer. Die Niederschwelligkeit des Angebots und der flexible Zugang von zu Hause aus dürften hier helfen. Unsere größte Zielgruppe sind Männer zwischen 30 und 40 Jahren mit einem höheren Bildungsgrad.“

Rollenbilder erweitern

Ebenso wichtig ist es, den schädlichen Kreislauf schon früh zu durchbrechen. Früher sei es nicht ungewöhnlich gewesen, dass Väter ihre Söhne durch übermäßig strenge oder gar gewalttätige Erziehung traumatisiert haben, erklärt Michael Klein. Dadurch erlernten die Söhne dieses toxische Verhalten, das sie dann wiederum weitergaben.

„Hier gibt es schon merkbare Fortschritte“, sagt Klein. „Väter müssen daran arbeiten, ihre Söhne aktiver in ihrer Entwicklung zu fördern und ganz selbstverständlich mit ihnen über Gefühle, Ängste und Schwächen sprechen. So lernen diese dann auch, dass sie nicht immer nur stark sein müssen, sondern sich diese Gefühle auch erlauben dürfen.“ Dadurch erweitere sich langfristig das Rollenverhalten und die Heranwachsenden lernen auf diese Weise, sich flexibler zu verhalten.

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