Blutspende aus dem Labor: Erstmals gezüchtete Blutzellen verabreicht
![46-191854810 Eine der im Labor aus Stammzellen gezüchteten Blutzellen.](https://image.kurier.at/images/cfs_landscape_616w_347h/7335270/46-191854810.jpg)
Eine der im Labor aus Stammzellen gezüchteten Blutzellen.
„Das ist eine großartige Sache“, sagt Antonia Müller. Sie ist Stammzellexpertin und Leiterin der Uni-Klinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin des AKH und der MedUni Wien. Weltweit erstmals haben jetzt in England zwei Menschen rote Blutkörperchen erhalten, die im Labor aus Stammzellen gezüchtet wurden. Diese wiederum isolierte man aus einer Blutspende eines Fremdspenders.
Dies fand im Rahmen einer ersten Studie von Forschern aus Bristol, Cambridge und London gemeinsam mit dem britischen Gesundheitsdienst NHS statt. Dieses Konzept soll in einer ersten Phase bei mindestens zehn gesunden Probanden überprüft werden. Diese sollen je 5 bis 10 Milliliter dieser gezüchteten Blutzellen erhalten.
Ausgangspunkt war eine normale Blutspende. „In einer solchen zirkulieren auch sehr wenige Blut-Stammzellen“, erklärt Müller – Vorläuferzellen, die sich in alle Blutzellarten entwickeln können. Die Stammzellen wurden aus dem Blut gewonnen: Hierzu verwendet man an Magnetpartikel gekoppelte Antikörper. Die Antikörper erkennen ein Oberflächenmerkmal auf der Stammzelle und docken an diese an. Mithilfe des Magnets können die Zellen dann isoliert werden.
Im Labor gelang dann einerseits die Vermehrung dieser Stammzellen. Und in einer speziellen Nährlösung konnte ein Teil davon dazu angeregt werden, sich ausschließlich zu roten Blutkörperchen weiterzuentwickeln.
„Die wissenschaftliche Errungenschaft der Arbeit liegt darin, dass einerseits im Labor die Kultivierung der Stammzellen über mehrere Wochen gelang und zeitgleich eine Ausreifung von Blutzellen zielgerichtet in rote Blutkörperchen durchgeführt wurde. Derartige Methoden benötigen sehr spezielle Rezepturen an Wachstumsfaktoren und Botenstoffen, die so bisher anderen Labors nicht erfolgreich für klinische Anwendungen gelangen“, sagt Müller. Sie betont aber auch, dass es – derzeit jedenfalls – nicht darum geht, damit den Mangel an Blutspendern auszugleichen. Eine erste Anwendung wäre für Menschen mit sehr seltenen Blutgruppen gedacht, die von regelmäßigen Blutspenden abhängig sind: Insbesondere Personen mit angeborenen Anämien, bei denen nicht ausreichend oder fehlerhaftes Hämoglobin gebildet wird.
Sehr häufig haben diese Patienten sehr seltene Blutgruppenmerkmale (über das AB0-System hinaus), was die Beschaffung von genau passenden Blutspenden zur enormen Herausforderung macht.
Müller: „Mit dieser Methode könnte man also gezielt Blutstammzellen von Trägern seltener Blutgruppen vermehren.“ Und man könnte den Abstand zwischen zwei Transfusionen verlängern: Jedes rote Blutkörperchen hat eine Lebensspanne von 120 Tagen. Ein Konzentrat frisch gezüchteter Blutkörperchen könnte also im Körper länger halten als eine herkömmliche Spende, die immer Blutkörperchen unterschiedlichen Alters enthält. Der Abstand zwischen zwei Blutspenden könnte dadurch ausgeweitet werden. Das hätte auch einen weiteren positiven Effekt: Die Überladung der Organe mit Eisen könnte reduziert werden - eine Folge von sehr häufigen Blutspenden.
„Auch für alle Menschen mit seltenen Blutgruppen ist das nicht schon die Lösung für morgen, aber vielleicht für in ein paar Jahren“, ist Müller zuversichtlich: „Allein schon der Umstand, dass jetzt gezeigt wurde, dass dieses Verfahren funktioniert, ist ein großer Gewinn und eröffnet viele Möglichkeiten für die Zukunft.“
In einer Aussendung der an der Studie beteiligten Universität Bristol wird die britische Transfusionsmedizinerin Cedric Gheveart so zitiert: „Wir hoffen, dass unsere im Labor gezüchteten roten Blutzellen länger halten werden als die von Blutspendern. Wenn unsere Studie – die erste dieser Art weltweit – erfolgreich ist, bedeutet das, dass Patienten, die dauerhaft regelmäßig auf Bluttransfusionen angewiesen sind, in Zukunft weniger Transfusionen benötigen werden.“
„Diese Studie ist ein großer Meilenstein für die Erzeugung von Blut aus Stammzellen“, sagt Ashley Toye, einer der Studienorganisatoren: „Es ist das erste Mal, dass im Labor gezüchtetes Blut eines Fremdspenders transfundiert wurde.“
Die britischen Experten betonen aber ebenfalls, dass herkömmlich Blutspenden weiterhin notwendig bleiben werden, um den Großteil des Blutbedarfs abdecken zu können. Für eine sehr kleine Zahl an Patienten mit sehr komplexen Transfusionsbedürfnissen könnte diese Technologie aber eine Alternative werden zur herkömmlichen Praxis.
Noch nicht reif für erste klinische Tests am Menschen ist "künstliches Blut" aus synthetischen Zellen, die Sauerstoff transportieren. Erste Tierversuche gab es zwar bereits, aber hier sind noch weitere Untersuchungen notwendig damit garantiert ist, dass Blutgefäße durch derartige synthetische Zellen nicht möglicherweise verstopft werden und außerdem der Sauerstofftransport ausreichend ist.
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