Sprühen statt Spritzen: Corona-Impfstoff als Nasenspray

Sprühen statt Spritzen: Corona-Impfstoff als Nasenspray
Berliner Wissenschaftler entwickelten einen Covid-19-Nasalimpfstoff. An Hamstern wurde er bereits erfolgreich getestet.

Die aktuellen Covid-19-Impfstoffe wirken gut gegen schwere Verlaufsformen, viel schlechter gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 selbst. Das soll sich jetzt ändern. Wissenschafter der Berliner Universitätsklinik Charité haben gemeinsam mit Schweizer Biotechnologen einen Nasal-Impfstoff aus abgeschwächten Corona-Viren entwickelt und im Tiermodell erfolgreich getestet, teilte die Universität Montagnachmittag mit.

Das Forscherteam, das die abgeschwächte Lebendimpfung als Nasenspray geschaffen hat, publizierte seine Ergebnisse jetzt in "Nature Microbiology". Der Hintergrund: Coronaviren verbreiten sich vor allem durch die Luft. Wenn eine infizierte Person spricht, hustet, niest etc. scheidet sie mit ihrer Atemluft Tröpfchen mit Viren aus. So können die Erreger in die Atemwege anderer Menschen gelangen und sie anstecken. Deshalb wäre ein Immunschutz an den Schleimhäuten von Nase, Mund, Rachen und Lunge entscheidend, wenn es um die Verhinderung von Infektionen mit SARS-CoV-2 geht.

Vorteile

Die Vorteile eines Impfstoffs in Form eines Nasensprays gehen weit über intramuskulär injizierte Vakzine hinaus. Wird ein Impfstoff gespritzt, baut sich die Immunität vor allem im Blut und über den ganzen Körper verteilt auf. Das bedeutet aber, dass das Immunsystem Coronaviren im Ernstfall erst verhältnismäßig spät entdeckt und bekämpft - denn diese dringen über die Schleimhäute der oberen Atemwege in den Körper ein. "Genau dort benötigen wir eine lokale Immunität, wenn wir ein Atemwegsvirus frühzeitig abfangen wollen", sagte der Co-Autor der Studie, Jakob Trimpert, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Virologie der Freien Universität Berlin.

"Nasale Impfstoffe bekommen das wesentlich besser hin als Vakzine, die injiziert werden und die Schleimhäute nur schwer oder gar nicht erreichen", ergänzte Emanuel Wyler, ebenfalls einer der Co-Autoren vom Institut für Medizinische Systembiologie in Berlin. Im Idealfall rege ein nasaler Lebendimpfstoff direkt an der Eintrittspforte für Viren die Bildung von Antikörpern, Immunglobulinen A (IgA), an und lasse damit eine Infektion gar nicht erst zu.

IgA ist das am häufigsten vorkommende Immunglobulin in den Schleimhäuten der Atemwege. Es besitzt die Fähigkeit, Krankheitserreger zu neutralisieren, indem es sich an sie bindet und sie so daran hindert, Atemwegszellen zu infizieren. Gleichzeitig stimuliert die Impfung auch systemische Immunreaktionen, was insgesamt zu einem wirksamen Schutz vor einer Infektion beiträgt.

Wirksamkeit

Die Wirkung des neu entwickelten nasalen Covid-19-Impfstoffs testeten die Wissenschafter an Hamstern. Diese Tiere sind derzeit der wichtigste nicht transgene Modellorganismus für Covid-19, da sie sich mit denselben Virusvarianten wie Menschen infizieren und ähnliche Krankheitssymptome entwickeln.

Das Ergebnis: Nach einer zweimaligen Gabe des Impfstoffes konnte sich das Virus in den Tieren nicht mehr vermehren. "Das Immungedächtnis wurde sehr gut angeregt, und die Schleimhäute waren aufgrund der hohen Antikörperkonzentration sehr gut geschützt", konstatierte Trimpert. So entstanden lokal - in den Schleimhäuten gebildete - Immungedächtniszellen, die bei Kontakt mit dem Virus reaktiviert wurden.

Darüber hinaus verglichen die Wissenschafter die Wirksamkeit des abgeschwächten Lebendimpfstoffes mit dem Effekt von intramuskulär injizierten Impfstoffen. Dafür impften sie die Hamster entweder zweimal mit dem Lebendimpfstoff, einmal mit einem mRNA- und danach mit dem Lebendimpfstoff, oder zweimal mit einem mRNA- oder Adenovirus-basiertem Impfstoff. An Gewebeproben der Nasenschleimhaut und Lunge überprüften sie, wie stark bei einer anschließenden Infektion mit SARS-CoV-2 die Viren die Schleimhautzellen noch angreifen konnten. Außerdem bestimmten sie das Ausmaß der Entzündungsreaktion.

"Der abgeschwächte Lebendimpfstoff schnitt in allen Parametern besser ab als die Vergleichsimpfstoffe", stellte das Autorenteam fest. Ein Grund dafür sei auch, dass der Lebendimpfstoff alle Virusbestandteile enthält, nicht nur das Spike-Protein, wie es beim mRNA-Impfstoff der Fall ist. Spike ist zwar das wichtigste Antigen des Virus - doch das Immunsystem des Menschen kann das Virus darüber hinaus an rund 20 weiteren Proteinen erkennen.

Kombination

Den besten Schutz vor SARS-CoV-2 erzielte bei den Hamstern eine zweifache Impfung durch die Nase, gefolgt von der Kombination aus einer Injektion eines mRNA-Impfstoffes in den Muskel und dem anschließend einmal nasal verabreichten Lebendimpfstoff. Das Prinzip der abgeschwächten Lebendimpfstoffe ist alt und kommt zum Beispiel bei der Masern- oder Röteln-Impfung zum Einsatz. Für die neue Vakzine veränderten die Berliner Wissenschafter gezielt die Erbinformationen von SARS-CoV-2. "So wollen wir verhindern, dass die abgeschwächten Viren zu einer aggressiveren Variante zurückmutieren", erklärte Dusan Kunec, Wissenschafter am Institut für Virologie der Freien Universität Berlin. "Unser Lebendimpfstoff ist also sicher und kann auf neue Virusvarianten zugeschnitten werden."

Jetzt soll die Vakzine mit dem Schweizer Biotech-Unternehmen RocketVax AG (Basel) weiter entwickelt werden. Eine klinische Studie der Phase-I an Probanden wird geplant. Hersteller von bereits in Indien und China entwickelten intranasalen Adenovirus-Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 haben in Europa bisher keine Zulassung beantragt.

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