Studie enthüllt: Sozial Schwache oft schlechter medikamentös versorgt

Tabletten in einer Hand.
Sozial schwächere Menschen haben ein deutlich erhöhtes Risiko, medikamentös schlecht versorgt zu werden. Auch in Ländern mit guter staatlicher Gesundheitsversorgung.

Zusammenfassung

  • Eine dänische Studie zeigt, dass sozial Schwächere ein um 85 Prozent erhöhtes Risiko für unangemessene Medikation haben, selbst bei kostenlosem Zugang zur Gesundheitsversorgung.
  • Soziale Ungleichheiten verstärken das Risiko für riskante Polypharmazie (gleichzeitige Einnahme von mehreren Arzneien), was zu negativen gesundheitlichen Folgen führen kann.

Eine jetzt von der deutschen Pharmazeutischen Zeitung zitierte dänische Studie könnte wegen ihrer sozialen Brisanz für Aufsehen sorgen: Selbst in einem Land wie Dänemark mit kostenlosem, gleichem Zugang zur Gesundheitsversorgung haben sozial Schwächere ein 85 Prozent höheres Risiko, medikamentös schlecht versorgt zu werden.

"Potenziell unangemessene Medikamente werden mit negativen gesundheitlichen Folgen in Verbindung gebracht und können als Indikator für die Behandlungsqualität dienen", schrieben Amanda Paust von der Abteilung für öffentliche Gesundheit der Universität Aarhus und ihre Co-Autoren in ihrer Studie in Plos Medicine. Die wissenschaftliche Untersuchung wurde schon Ende vergangenen Jahres veröffentlicht, wurde damals aber offenbar kaum beachtet.

Die groß angelegte nationale Studie mit Daten von 177.495 Teilnehmern zeigt erhebliche soziale, kulturelle und wirtschaftliche Unterschiede hinsichtlich des Risikos, eine potenziell inadäquate Medikation (PIM) zu erhalten

Das Erstaunliche: Das ist offenbar selbst in einem Staat mit kostenlosem und gleichberechtigtem Zugang zu Gesundheitsdiensten wie Dänemark der Fall.

Insgesamt hohe potenzielle Fehlerrate

Die Probanden waren über 18 Jahre alt. Ihre Daten auf individueller Ebene wurden mit nationalen dänischen Registern zur sozialen Situation und zur medizinischen Versorgung verknüpft. An sich gab es schon für das Sample der Gesamtbevölkerung eine erstaunlich hohe potenzielle Fehlerquote, was die medikamentöse Versorgung im Krankheitsfall betraf: 14,7 Prozent der Menschen waren einer potenziell inadäquaten Medikation ausgesetzt. Eine Unterversorgung (START-PIM; fehlende Medikation, zu geringe Dosierung etc.) war mit 12,5 Prozent am häufigsten. 3,1 Prozent der Studienteilnehmer waren überversorgt (zu viele Arzneimittel, zu hohe Dosierung etc.).

Überragend war jedenfalls der Einfluss der sozialen Situation auf die Qualität der Behandlung. Im Vergleich zur Gruppe mit dem höchsten Vermögen hatten Menschen mit weniger Vermögen ein um 85 Prozent höheres Risiko für eine potenziell inadäquate Medikation. Geringeres Einkommen führte hier zu einer um 78 Prozent größeren Gefährdung. Ein geringeres Bildungsniveau steigerte das Risiko um 66 Prozent, also um zwei Drittel.

Mehr riskante Polypharmazie

"Die Ergebnisse verdeutlichen erhebliche soziale Ungleichheiten bei der Exposition gegenüber PIM, die trotz eines universellen Gesundheitssystems sowohl durch wirtschaftliche, kulturelle als auch durch soziale Möglichkeiten bedingt sind. Das Verständnis der sozialen Determinanten von PIM kann politische Maßnahmen zur Reduzierung des unangemessenen Medikamentengebrauchs und zur Verbesserung der Qualität und Gerechtigkeit im Gesundheitswesen unterstützen", schrieben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter in ihrer Schlussfolgerung.

"Ähnliche Assoziationen wurden bei Einwanderern, Menschen mit geringer sozialer Unterstützung und Menschen mit eingeschränkten sozialen Netzwerken beobachtet", betonten die Forschenden. Insgesamt sozial Schwächere hätten ein besonderes Risiko, vermehrt Arzneimittel zu erhalten (Polypharmazie; Anm.), die potenziell mehr Schaden als Nutzen verursachen könnten.

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