Antibiotika könnten Wirkung von Impfungen bei Kindern verringern

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Die Medikamente bringen das Mikrobiom im Darm aus dem Gleichgewicht. Das könnte den Erfolg von Schutzimpfungen beeinträchtigen.

Erkranken Kleinkinder an einer bakteriellen Infektion, helfen mitunter nur Antibiotika. Nun haben US-amerikanische Wissenschafter herausgefunden, dass verschiedene Impfungen in Folge der Behandlung bei den jungen Patenten schlechter wirken. Die Mediziner vermuten, dass ein durch die Antibiotika aus dem Gleichgewicht geratenes Darm-Mikrobiom den Schutzerfolg beeinträchtigen kann. Die Studie wurde im Fachblatt "Pediatrics" veröffentlicht.

Problem bei Erwachsenen bereits bekannt

Das Zusammenspiel von Mikroorganismen im Darm ist unter anderem für die Verdauung wichtig, aber auch für das Immunsystem. Tatsächlich wurde in einer Studie von 2019 bereits beschrieben, dass Antibiotika die Wirkung von Impfungen bei Erwachsenen verringern können. Nun wertete ein Team um die Mediziner Timothy Chapman und Michael Pichichero vom Rochester General Hospital Research Institute Blutproben von 560 Kindern in einem Zeitraum von sechs bis 24 Lebensmonaten aus.

Antikörper bei 560 Kleinkindern analysiert

Die Proben waren im Rahmen mehrerer Vorsorgeuntersuchungen sowie bei Auftreten einer akuten Mittelohrentzündung entnommen worden. 342 Kinder aus dieser Kohorte hatten insgesamt fast 1.700 Einheiten Antibiotika in den ersten 24 Lebensmonaten erhalten, während 218 Kinder keine bekamen.

Die Forschenden analysierten dann die Antikörper-Level der Kinder für die Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Polio, Keuchhusten, Influenza und Pneumokokken. Das Ergebnis: Bei den mit Antibiotika behandelten Kindern waren die Antikörper-Level im Durchschnitt geringer als bei denjenigen, die keine Antibiotika erhalten hatten.

Deutsche Experten interpretieren Ergebnisse

Bei jenen Kindern, die Antibiotika zwischen dem neunten und zwölften Lebensmonat oder wiederholt bekamen, lagen diese Level besonders häufig unter den Konzentrationen, die für einen Immunschutz als relevant angesehen werden. "Damit hätten sie ein erhöhtes Risiko, an Infektionen zu erkranken, die durch die Erreger, gegen die geimpft wurde, ausgelöst werden", kommentiert Ulrich Schaible, Direktor des Programmbereichs Infektionen am Forschungszentrum Borstel in Deutschland die Studie aus Übersee.

Ein differenzierterer Blick auf die Ergebnisse zeigt, dass sich die Wirkung auch nach einzelnen Arzneimitteln bzw. deren Kombination unterscheidet. So hatte ein Präparat allein keinen Effekt, in Ergänzung mit einem anderen Stoff dagegen sehr wohl. Solche Kombinationspräparate werden aufgrund ihres erweiterten antibakteriellen Wirkungsspektrums verschrieben. Darüber hinaus spielte der Zeitraum der Gabe eine Rolle. Es sei auch interessant, dass manche Kombination nach fünf Tagen einen geringeren Effekt auf die Antikörperproduktion hatte als nach zehn Tagen, bemerkt Schaible: "Kürzer Antibiotika zu geben, scheint also besser zu sein."

Differnzierte Nachforschungen notwendig

Der Experte betont, dass der Einfluss der Krankheiten, wegen derer die Antibiotika gegeben wurden, auf die Antikörperbildung nach der Impfung unabhängig von der Antibiotikagabe analysiert werden müsste. Das würde bedeuten, Kinder mit ähnlichen Erkrankungen zu untersuchen, die keine Antibiotika erhielten.

Zudem seien Antikörper nur ein Teil der immunologischen Antwort auf einen Impfstoff, ergänzt Claudius Meyer von der Universitätsmedizin Mainz: "Das T-Zell-vermittelte Immungedächtnis wurde in der Studie zwar nicht untersucht, wird aber nach begründetem Verständnis auch induziert worden sein und somit eine Schutzwirkung vermitteln können."

Stuhlproben nicht untersucht

Wie die Autoren zudem selbst schreiben, hatten sie keine Stuhlproben von den Kindern genommen. Diese seien aber nötig, um die Auswirkungen der Antibiotika auf das Darm-Mikrobiom festzustellen.

Gestörtes Darm-Mikrobiom bleibt Hypothese

"Antibiotika, die in der frühen Kindheit oft gegen eine Mittelohrentzündung verschrieben werden, greifen nicht nur die gefährlichen Bakterien im Ohr an, sondern auch die nützlichen Bakterien des Darm-Mikrobioms", beschreibt Cornelia Gottschick von der Universität Halle-Wittenberg den zugrundeliegenden Zusammenhang. "Die Balance der Bakterien mit unserem Immunsystem wird dadurch gestört und es ist denkbar, dass Impfungen dadurch nicht mehr ihre volle Wirkung zeigen, was zu einem verminderten Immunschutz führen kann." Jener Zusammenhang bleibe in der aktuellen Studie theoretisch, da das Darm-Mikrobiom eben nicht untersucht worden sei.

Könnten Probiotika helfen

Möglicherweise könnte eine Einnahme von Probiotika zum Schutz des Darm-Mikrobioms den in der Studie beobachteten Effekt reduzieren, so Gottschick weiter. Das müsse allerdings noch erforscht werden.

Konsequenzen für Praxis noch unklar

Ebenso wenig lasse sich derzeit sagen, ob die mit Antibiotika behandelten Kinder nachgeimpft werden sollten, fügt Meyer hinzu: "Möglicherweise wäre eine Nachkontrolle zum dritten oder fünften Lebensjahr hilfreich, um den Bedarf nach einem Booster zu erkennen."

In einigen Ländern würden einige der betrachteten Impfstoffe ohnehin im Laufe der Kindheit aufgefrischt. "Ob dann nach einer Auffrischimpfung die Kinder mit Antibiotikagabe noch von der Kontrollgruppe zu unterscheiden wären, kann nur eine Nachfolgestudie mit den gleichen Kindern zeigen."

Antibiotikagabe gewissenhaft abwägen

Insgesamt vermittle die neue Studie einen eleganten Nachweis für die problematischen Nebenwirkungen von Antibiotika, fasst Meyer zusammen: "Nicht nur die Resistenzentwicklung bei Antibiotikagabe, sondern auch die physiologischen Effekte, müssen uns zu einem sorgfältigen, auf das Nötigste beschränkten Einsatz von Antibiotika im Kindesalter auffordern."

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