Anthony Fauci: Polarisierung hat Kampf gegen Covid-19 behindert
Dass innerhalb eines Jahres Impfstoffe gegen Covid-19 entwickelt und allgemein verfügbar gemacht werden konnten, die sich in klinischen Studien als sicher und wirksam erwiesen haben, sei "eine beispiellose Leistung" gewesen. Das schreibt der oberste medizinische Berater von US-Präsident Joe Biden, der Infektiologe Anthony Fauci, in einem Gastbeitrag für die New York Times. "Die großen Erfolge in der Covid-19-Pandemie wurden durch den wissenschaftlichen Fortschritt angetrieben." Fauci wird mit Jahresende seine Funktion als Präsidentenberater und auch als Leiter des Nationalen US-Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten zurücklegen.
Doch andere Lektionen seien schmerzhaft gewesen, etwa das nationale und internationale Scheitern von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. "Wir müssen anerkennen, das unser Kampf gegen Covid-19 durch die tiefe politische Polarisierung in unserer Gesellschaft behindert wurde", schreibt Fauci.
"Auf eine Weise, wie wir sie bisher nie gesehen haben, wurden Entscheidungen über Maßnahmen für die öffentliche Gesundheit, wie das Tragen von Masken und das Impfen mit hoch effektiven und sicheren Impfstoffen, durch Desinformation und politische Ideologie beeinflusst."
Der Infektiologe betonte auch: "Ich spreche gegenüber Präsidenten und anderen hochrangigen Regierungsvertretern immer die ungeschminkte Wahrheit aus, auch wenn diese Wahrheiten unbequem oder politisch unpassend sein. Aber es können außergewöhnliche Dinge passieren, wenn Wissenschaft und Politik Hand in Hand arbeiten."
Bereits bei seiner letzten Presekonferenz im Weißen Haus im November ging Fauci auf die gesellschaftlichen und politischen Differenzen in der Pandemiebekämpfung ein: "Wenn ich sehe, wie Menschen ... sich nicht impfen lassen wegen Gründen, die nichts mit der öffentlichen Gesundheit zu tun haben, sondern mit Spaltung und ideologischen Differenzen, dann schmerzt mich das als Arzt."
Seit 1984 ist Fauci Leiter des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID), eine Einrichtung der National Institutes of Health (NIH). In dieser Funktion war er in 38 Jahren Berater von sieben US-Präsidenten, der erste war Ronald Reagan. "Unsere Diskussionen umfassten die Frage, wie auf HIV/Aids zu antworten, ebenso wie andere Bedrohungen, etwa Vogelgrippe, Attacken mit Anthrax, die pandemische Grippe im Jahr 2009, Ebola, Zika und Covid-19", schreibt er in seinem Gastbeitrag für die New York Times.
Fauci war in den frühen 80er-Jahren führend in der Erforschung der 1981 entdeckten, neuen Immunschwächekrankheit, die als HIV /AIDS bekannt werden sollte. "Ich habe eine große Empathie für dfie meistens jungen homosexuellen Männer empfunden, die bereits stigmatisiert waren und nun nochmals stigmatisiert wurden, indem die Krankheit ihre Körper verzehrte und ihnen ihr Leben und ihre Träume raubte."
Die Zulassung von lebensrettenden, antiviralen Medikamenten bei einer HIV-Infektion erfolgte zu einem großen Teil auf Daten von Studien, die von seinem Institut NIAID unterstützt und finanziert wurden. "1996 waren sie in den USA verfügbar." Bald darauf - um den Beginn des 21. Jahrhunderts - "konnten Menschen mit Zugang zu diesen Medikamenten mit eine rannähernd normalen Lebenserwartung rechnen."
Allerdings waren die Medikamente in weiten Teilen Afrikas und vielen anderen einkommensschwachen Regionen weltweit praktisch nicht verfügbar. Unterstützt und initiiert vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush konnte Fauci ein Hilfsprogramm entwickeln (President´s Emergency Plan for Aids Relief program, PREPFAR). Es ermöglichte die Lieferung von HIV-Medikamenten auch an ärmere Länder "und rettete weltweit 20 Millionen Menschenleben".
In einem kürzlich ausgestrahlten Interview für BBCs Americast podcast wandte sich Fauci auch gegen "suspekte Trolle", die seine Frau und seine Kinder schikanieren, in dem sie deren Wohnorte und Telefonnummern ausfindig machen.
"Ich habe einen guten Persönlichkeitsschutz, aber es ist so feig, Menschen zu belästigen, die völlig unbeteiligt sind, einschließlich meiner Kinder."
Fauci betonte, er versuche sein Bestes, nicht vom Online-Hass abgelenkt zu werden, "der einem die Fähigkeit nimmt, seine Arbeit zu tun".
Zwei Personen wurden in den USA auch festgenommen, weil sie Anschläge auf ihn planten, berichtete der Infektiologe.
Fauci warnt vor einem "Tsunami an Miss- und Desinformation". Mit Bezug auf das Pandemiemanagement des früheren US-Präsidenten Donald Trump erklärte Fauci, es sei nicht leicht, öffentlich einem amtierenden Präsidenten zu widersprechen. Dies habe "ein außerordentliches Maß an Anfeindungen von weit rechts stehenden Aktivisten" hervorgerufen.
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