Angst vorm Zahnarzt: Diese Kindheitserfahrungen könnten der Grund sein

Ein Zahnarzt untersucht den geöffneten Mund einer älteren Patientin auf einem Behandlungsstuhl.
Gefühle des Ausgeliefertseins beim Zahnarzt setzen vor allem Kindern häufig zu. Manchmal halten die Vorbehalte bis ins Erwachsenenalter an.

In Industrieländern leiden Studien zufolge rund fünf bis 15 Prozent aller Erwachsenen an pathologisch hoher Zahnbehandlungsangst. Rund drei Prozent meiden den Zahnarztbesuch gänzlich. 

Bei Kindern und Jugendlichen kann der Anteil Betroffener noch höher sein, wie norwegische Forschende in einer neuen Studie berichten. Bis zu 20 Prozent haben demnach solche Angst vor Zahnbehandlungen, dass sie die Kriterien für eine Zahnarztangst erfüllen.

Schmerzhafte Erfahrungen können Zahnarztangst begünstigen

Die Forschungsergebnisse zeigen auch, dass derartige Ängste häufiger bei jungen Menschen auftreten, die in ihrer Kindheit belastenden Erfahrungen ausgesetzt waren. "Schmerzhafte Erfahrungen im Leben können beeinflussen, wie man sich auf dem Zahnarztstuhl fühlt", heißt es in einer Aussendung zur Studie. 

Die Untersuchung der norwegischen University of Science and Technology, an der mehr als 5.800 Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren teilnahmen, zeigt, dass Jugendliche, die in ihrer Kindheit Mobbing, Gewalt, einer Scheidung der Eltern oder Missbrauch ausgesetzt waren oder sind, deutlich häufiger unter Zahnarztangst leiden als Jugendliche, die solche Erfahrungen nicht gemacht haben.

Die analysierten Daten stammen aus einer großen norwegischen Gesundheitsstudie, die seit über 30 Jahren läuft. Veröffentlicht wurde die Untersuchung im Fachblatt BMC Oral Health.

Mädchen besonders gefährdet

Je mehr Stresserlebnisse die Jugendlichen durchgemacht hatten, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie Besuchen beim Zahnarzt mit Argwohn entgegenblickten. Dieser Zusammenhang war bei Mädchen stärker ausgeprägt als bei Buben.

"Für Menschen, die in ihrer Kindheit viel Unsicherheit erlebt haben, kann eine Zahnbehandlung eine Herausforderung sein", sagt Psychologin und Studienautorin Lena Myran. So könnten etwa Mobbing-Erfahrungen Misstrauen anderen Menschen gegenüber schüren und den Glauben an die wohlwollende Absicht anderer unterwandern.

Auch das Setting sei potenziell heikel: "Man liegt als Patient in einer verletzlichen Position auf dem Rücken, während eine Autoritätsperson im Mund herumwerkt. Kein Wunder, dass eine Zahnbehandlung für viele schwierig ist", illustriert Myran, die an einem spezialisierten Zentrum mit erwachsenen Betroffenen arbeitet. 

Für betroffene Personen sind solche Situationen nicht nur unmittelbar eine Belastung. Wenn Zahnarztbesuche aus Angst jahrelang aufgeschoben werden, kann die Zahngesundheit massiv leiden. "Ich habe Patienten, die seit 40 Jahren nicht mehr beim Zahnarzt waren", unterstreicht Myran.

Sensible Ärzte, offene Patienten

Die Forschenden untersuchten verschiedene Arten von Stressoren, schmerzhafte Erfahrungen in der Zahnarztpraxis wurden aber nicht einbezogen. Bekannt ist, dass Kinder, die häufig in zahnärztlicher Behandlung sind, besonders anfällig für Zahnarztängste sind. Oft verschwindet die Furcht mit dem Älterwerden.

Auch wenn die Studie einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Zahnarztangst und psychisch strapaziösen Kindheitserfahrungen darlegt, könne man auf Basis der Daten keine Aussagen über Ursache und Wirkung – ob belastende Kindheitserlebnisse tatsächlich Zahnarztängste auslösen – treffen. Dafür seien weitere Forschungen notwendig. 

Behandelnden Ärztinnen und Ärzten rät Myran, Unsicherheiten von Patientinnen und Patienten anzusprechen und nach Gründen zu fragen. "Indem sie die Erfahrungen und Ängste der Patienten berücksichtigen, können Zahnärzte zu einer sichereren Patientenerfahrung beitragen." Auch Betroffene ermutigt sie, Ängste offenzulegen: "Nur ein kurzer Satz über Ihre Ängste wird viele Zahnärzte dazu veranlassen, sensibler zu agieren."

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