Alzheimer: Welche neuen Tests und Therapien Hoffnung geben

Ältere Frau lächelnd, Pflegerin legt Arm un sie
Am 21. September ist Welt-Alzheimer-Tag. Während Heilung noch aussteht, lassen neue Bluttests und Therapien hoffen – mit hohen Anforderungen an die Gesundheitssysteme.

Im Mittelalter noch als „altersbedingte Verblödung“ abgetan, trägt die Alzheimer-Erkrankung seit gut 100 Jahren den Namen ihres Entdeckers. Es begann 1901 mit einer Frau namens Auguste Deter, die in Frankfurt auffiel, weil sie „alles vergisst“. Ihr Arzt, Alois Alzheimer, erkannte rasch: Das war mehr als bloßes Altern. Was er bei seiner Patientin dokumentierte, schrieb Medizingeschichte – und gab einer Krankheit ihren Namen: Morbus Alzheimer.

Heute, mehr als ein Jahrhundert später, ist aus dem Einzelfall eine weltweite Herausforderung geworden. Einst ein Randphänomen, betrifft Alzheimer mittlerweile Millionen Menschen – und prägt nicht nur das Leben der Patientinnen und Patienten, sondern auch das ihrer Familien, Pflegenden und ganzer Gesundheitssysteme.

Weltweit leben derzeit rund 55 Millionen Menschen mit einer Demenz, die Alzheimer-Demenz ist mit etwa zwei Drittel aller Fälle die häufigste Form. Jährlich kommen zehn Millionen neue Betroffene hinzu. Prognosen gehen davon aus, dass sich diese Zahl alle 20 Jahre verdoppelt – bis 2050 wären es 115 Millionen Menschen, die an einer Demenzerkrankung leiden.

Fortschritte bei Früherkennung

Fortschritte in Diagnostik, Früherkennung und neue Therapien machen deutlich: Auch wenn eine Heilung weiter auf sich warten lässt, gibt es erstmals wirksame Ansätze, den Krankheitsverlauf zu bremsen.

Einen Meilenstein könnten neue Bluttests darstellen:
Im Juli erhielt der der Pharmakonzern Roche die europäische Zulassung für den Test "Elecsys Phospho-Tau", der die Konzentration eines speziellen Eiweißes (pTAU181) im Blut misst. Ist das Ergebnis unauffällig, ist Alzheimer sehr unwahrscheinlich. „Fällt der Test hingegen hoch positiv aus, ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Alzheimer-Erkrankung sehr hoch“, erklärt Atbin Djamshidian, Leiter der Gedächtnisambulanz an der Med Uni Innsbruck, im Gespräch mit dem KURIER vom Juli 2025.

Einen weiteren Test bietet seit Ende 2024 das medizinisch-chemischen Facharztlabor labors.at mit mehreren Standorten in Wien an. Der Aß42/ß40“-Bluttest, der durch das Unternehmen Sysmex bereitgestellt wird, weißt Beta-Amyloid-Ablagerungen im Blut nach, also Veränderungen, die nach aktuellem Wissensstand bis zu 20 Jahre vor den ersten Alzheimer-Symptomen auftreten können. Auch dieser Test eröffnet damit neue Möglichkeiten zur frühzeitigen Risikoeinschätzung.

Bisher erfolgt die Abklärung einer Alzheimer-Demenz in mehreren Schritten, erklärt Djamshidian. Zunächst prüfen Ärzte mit neurologischen Untersuchungen und Gedächtnistests, ob Auffälligkeiten bestehen – etwa bei Orientierung, Sprache oder Merkfähigkeit. Verdichtet sich der Verdacht, folgt meist eine MRT-Untersuchung. Damit lassen sich andere Ursachen wie Schlaganfall oder Hirntumor ausschließen, zugleich zeigt das Bild auch mögliche Spuren des Nervenzelluntergangs, etwa einen Abbau von Gehirnmasse.

„Um aber eindeutig Alzheimer nachweisen zu können, ist entweder eine Untersuchung des Nervenwassers, des Liquor, durch eine Rückenmarkspunktion, oder eine PET-Untersuchung (dreidimensionale Bildgebung, die auch Stoffwechselprozesse sichtbar macht, Anm.) notwendig“, so der Experte. Das gilt auch nach den positiven Ergebnissen der neuen Bluttests. 

Studiendaten, dass bei einem hoch positiven Bluttest "Elecsys Phospho-Tau" auch das das Ergebnis der PET- und Hirnwasser-Untersuchung hoch positiv ist. Denkbar wäre somit, dass man langfristig auf diese beiden belastenden Untersuchungen aufgrund des eindeutigen Blut-Testergebnisses gänzlich verzichten könnte.

Hoffnungsträger Antikörper-Therapien

Besonders viel Aufmerksamkeit in der Behandlung von Alzheimer gilt derzeit den monoklonalen Antikörpern Lecanemab und Donanemab. Sie richten sich gezielt gegen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn – eine der Hauptursachen der Krankheit. Studien zeigen, dass sich der Krankheitsverlauf im Frühstadium um rund 27 Prozent verlangsamen lässt. Die EMA hatte Donanemab zunächst abgelehnt, Anfang August dann aber doch die Zulassung empfohlen.

 

Hohe Anforderungen ans System

Doch die Therapien stellen hohe Anforderungen an Diagnostik, Infrastruktur und Personal. In Österreich leiden etwa 150.000 bis 160.000 Menschen an Demenz, zwei Drittel davon an Alzheimer. Rund 50.000 Betroffene befinden sich in einer milden Erkrankungsphase, weitere 200.000 zeigen Vorstufen wie leichte kognitive Beeinträchtigungen. Nur fünf bis 20 Prozent dieser Patientinnen und Patienten kommen nach heutigem Stand überhaupt für eine Antikörper-Behandlung infrage – nach Ausschluss von Gegenanzeigen und aufwendiger Voruntersuchungen. Und die Hürden sind komplex:   

Notwendig für die Antikörper-Behandlung mit Lecanemab oder Donanemab sind: 

  • eine frühe und sichere Diagnose
  • regelmäßige Infusionen sowie
  • engmaschige Magnetresonanz-Kontrollen, da bei etwa einem Fünftel der Behandelten Nebenwirkungen wie Schwellungen oder Ödeme im Gehirn auftreten können

Und die Realität sieht ernüchternd aus: Eine aktuelle Umfrage unter österreichischen neurologischen und psychiatrischen Abteilungen zeigt deutliche Defizite: fehlendes administratives, ärztliches und pflegerisches Personal, unzureichende räumliche Ausstattung und Engpässe bei MRT- und PET-Untersuchungen. 

Ähnliche Berechnungen in Deutschland ergeben: Von rund 460.000 neu diagnostizierten Demenz- oder MCI-Patientinnen und -Patienten im Jahr 2023 könnten höchstens 73.000 für eine Therapie infrage kommen – vorausgesetzt, die Ressourcen reichen aus. 

Damit stehen Österreich wie Deutschland vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits machen neue Bluttests und Antikörpertherapien Hoffnung auf eine bessere Versorgung. Andererseits verdeutlichen sie die Schwächen der Systeme – von der Frühdiagnose über die Ausstattung bis hin zum Personal.

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