Von wegen "digitale Demenz": Hält uns das Smartphone im Alter geistig fit?

Eine ältere Frau am Smartphone.
Eine neue Untersuchung stellt die Befürchtung, dass Smartphones Demenz im Alter fördern könnten, infrage.

Macht uns das Smartphone alt, oder hält es uns jung? Mit der wachsenden Bedeutung digitaler Endgeräte drängt sich diese Frage zunehmend auf. Bisherige Studien legen nahe, dass die lebenslange Nutzung digitaler Technologien den geistigen Verfall begünstigt. 

Eine neue Studie schlägt in eine gänzlich andere Kerbe: Demnach könnte der Gebrauch geistig sogar fit halten.

Ältere Menschen, die Smartphones nutzen, zeigen geringeren kognitiven Abbau

Eine Metaanalyse bereits erschienener Studien, in denen die Nutzung digitaler Technologien und die geistigen Fähigkeiten von mehr als 400.000 älteren Erwachsenen untersucht wurden, ergab nun: Über 50-Jährige, die routinemäßig digitale Geräte nutzen, zeigen einen geringeren kognitiven Abbau als diejenigen, die Smartphones und Tablets weniger verwenden.

Rückschlüsse auf kausale Zusammenhänge – ob die Technologie den geistigen Verfall aufhält oder ob Menschen mit besseren kognitiven Fähigkeiten sie schlicht verstärkt nutzen – lässt die Studie nicht zu. Das erklären die Autoren selbst. Allerdings lässt sie Zweifel an der eingangs umrissenen These der "digitalen Demenz" aufkommen, wie das Forschungsteam im Fachblatt Nature Human Behaviour betont. 

"Bei der ersten Generation, die mit digitalen Werkzeugen in Berührung gekommen ist, geht die Nutzung mit einer besseren kognitiven Leistungsfähigkeit einher", wird Jared Benge, klinischer Neuropsychologe am Comprehensive Memory Center der University of Texas at Austin, dazu im Guardian zitiert. Das sei eine "hoffnungsvollere Botschaft", als angesichts der Sorgen rund um digitale Demenz zu erwarten wäre.

Konkret arbeiteten Benge und sein Kollege Michael Scullin, kognitiver Neurowissenschafter an der texanischen Baylor University, 57 Einzelstudien durch, in denen die Nutzung digitaler Technologien bei 411.430 Erwachsenen aus verschiedensten Teilen der Welt untersucht wurde. Das Durchschnittsalter lag bei 69 Jahren, alle Teilnehmenden hatten kognitiven Tests oder ein Diagnoseverfahren durchlaufen.

Die Forschenden fanden keine Beweise für die These der digitalen Demenz. Vielmehr zeigte sich, dass die Nutzung eines Computers, eines Smartphones, des Internets generell oder einer Kombination davon mit einem geringeren Risiko für kognitive Beeinträchtigungen verbunden war.

Smartphone als Stütze im Alltag

Welche Mechanismen hinter dem Zusammenhang stehen, soll nun in weiteren Studien untersucht werden. Die Forscher gehen aber von einer wechselseitigen Beziehung aus – Menschen mit besseren Denkfähigkeiten nutzen also womöglich eher digitale Geräte, gleichzeitig können sich auch kognitive Vorteile aus der Nutzung der Technologie ergeben.

So könnten digitale Hilfsmittel Menschen laut den Forschern etwa dabei helfen, sich an komplexen Aktivitäten zu beteiligen und ihre sozialen Beziehungen zu stärken – beides förderlich für das alternde Gehirn. Moderne Technologie erlaubt es Seniorinnen und Senioren, kognitive Abbauprozesse zu kompensieren und den Alltag leichter zu bewältigen, etwa indem Hilfsmittel wie Erinnerungsfunktionen für die Einnahme von Medikamenten oder GPS-Wegbeschreibungen verwendet werden.

Wesentlich sei jedenfalls, wie digitale Geräte genutzt werden, schildern die Fachleute. "Digitale Geräte so zu nutzen, wie wir den Fernseher nutzen – passiv und sitzend, sowohl körperlich als auch geistig – ist wahrscheinlich nicht vorteilhaft", erklärt Scullin. "Aber unsere Computer und Smartphones können auch geistig anregend sein, soziale Kontakte ermöglichen und kognitive Fähigkeiten kompensieren, die mit zunehmendem Alter abnehmen."

Offene Fragen und Skepsis bezüglich alarmistischer Vorstellungen

Sam Gilbert, Professor für kognitive Neurowissenschaften am University College London, bewertet die Studie gegenüber dem Guardian positiv: Die Studie zeige "einen klaren Zusammenhang" zwischen der Nutzung digitaler Technologien und dem Erhalt kognitiver Fähigkeiten im Alter. Zwar seien noch viele Fragen offen, "nichtsdestotrotz stellt diese Arbeit alarmistische Vorstellungen über die sogenannte 'digitale Demenz' infrage".

Vincent O'Sullivan, Wirtschaftswissenschaftler an der irischen Universität von Limerick, begrüßte die Studie ebenfalls. "Die gängige Meinung (…) ist, dass die Technologie uns dumm oder vergesslich macht. Diese Forschenden haben (...) gezeigt, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen guter kognitiver Gesundheit und der Nutzung digitaler Technologien gibt. Sobald wir den Mechanismus verstanden haben, können wir hoffentlich Maßnahmen für diejenigen entwickeln, bei denen das Risiko eines kognitiven Abbaus besteht."

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