Studie liefert Hinweise: Leben Menschen mit ADHS kürzer?

Menschen mit ADHS haben oft Probleme, benötigte medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen.
Bei rund fünf Prozent aller Kinder und Jugendlichen liegt ADHS, die gängige und allgemein geläufige Kurzbezeichnung für eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, vor. Damit ist ADHS eine der am häufigsten diagnostizierten psychischen Störungen in dieser Altersgruppe. Kernsymptome sind in der Regel Hyperaktivität, Konzentrationsschwierigkeiten und/oder Probleme mit der Impulsivität.
In jüngster Vergangenheit werden ADHS-Diagnosen auch häufiger im Erwachsenenalter gestellt. Wobei eine Diagnose nur dann erfolgt, wenn entsprechende Symptome auch in Kindheit und Jugend vorlagen. Bekannt ist, dass ADHS ein erhöhtes Risiko für Begleiterkrankungen, Substanzkonsum, Verkehrsunfälle, geringeren Schul- und Bildungserfolg und eine niedrigere Lebensqualität mit sich bringen kann, wie etwa das Robert Koch-Institut (RKI) auflistet.
Forschende aus Großbritannien bringen ADHS nun mit einer verkürzten Lebenserwartung in Zusammenhang.
"Lebenserwartung im Durchschnitt deutlich geringer"
"Für diese Gruppe von Menschen ist die Lebenserwartung im Durchschnitt deutlich geringer, was beunruhigend ist", wird Joshua Stott, einer der Hauptautoren der Studie vom University College London, dazu im Guardian zitiert.
Schon frühere Erhebungen hatten einen Konnex vermuten lassen. Allerdings, das betont das Team um Stott, ohne tatsächlich registrierte Todesfälle dahingehend auszuwerten. Für die aktuelle Untersuchung wurden Primärversorgungsdaten von mehr als neun Millionen Erwachsenen im Vereinigten Königreich aus den Jahren 2000 bis 2019 verwendet, um zu untersuchen, ob ADHS tatsächlich mit einem kürzeren Leben einhergeht.
Frauen mit ADHS-Diagnose leben im Schnitt 8,6 Jahre kürzer
Einen besonderen Fokus legte man auf Aufzeichnungen von 30.039 Erwachsenen mit einer ADHS-Diagnose. Man verglich sie mit jenen von 300.390 Personen ohne ADHS-Diagnose, die jedoch in Bezug auf Alter, Geschlecht und medizinischer Grundversorgung ähnlich waren.
Es zeigte sich, dass Männer mit einer ADHS-Diagnose eine um durchschnittlich 6,8 Jahre geringere Lebenserwartung aufweisen als Männer ohne Diagnose. Während Frauen mit ADHS-Diagnose im Schnitt 8,6 Jahre kürzer lebten als Frauen ohne Diagnose.
Zwar sei es unwahrscheinlich, dass die Diagnose ADHS per se die Unterschiede in der Lebenserwartung verursache. Wohl aber, dass häufig beobachtete Begleiterkrankungen dazu beitragen. So komme es etwa häufig vor, dass Menschen mit ADHS psychische Probleme entwickeln und erschwerten Zugang zu benötigten Versorgungsleistungen haben.
Lebensstilfaktoren können eine Rolle spielen
Auch Lebensstilfaktoren können entscheidend sein. "Wir wissen, dass Menschen mit ADHS leider eine höhere Suizidrate haben", so Stott. "Sie neigen auch eher zu Risikoverhaltensweisen wie Rauchen, Trinken und wahrscheinlich auch zu Essanfällen."
In Summe gelte es, die erhobenen Unterschiede nicht überzubewerten, da Erwachsene mit ADHS-Diagnose mit höherer Wahrscheinlichkeit entweder an psychischen Grunderkrankungen oder an neurologischen Entwicklungsstörungen oder beidem leiden.
Zu wenig ADHS-Diagnosen?
Bedenken äußern die Forschenden dahingehend, dass ADHS in der Bevölkerung oftmals übersehen werde. Inwieweit ADHS-Diagnosen im Kindes- und Jugendalter korrekt oder teils auch inflationär gestellt werden, wird in Fachkreisen intensiv diskutiert.
So wurden in Deutschland laut RKI zuletzt mehr ADHS-Diagnosen an die Krankenkassen vermeldet, "während epidemiologische Studien (…) gleichbleibende, zuletzt sogar sinkende Prävalenzen berichteten". Diese Diskrepanzen hätten "zu einer (...) Diskussion darüber geführt, inwieweit die ADHS-Diagnosen tatsächlich leitliniengerecht gestellt werden und wie hoch die 'wahre Prävalenz' (Anzahl der Krankheitsfälle, Anm.) von ADHS in der Kinder- und Jugendbevölkerung ist".
Die Studie zeige jedenfalls, wie stark sich ADHS auf das Leben der Menschen auswirke, kommentiert Oliver Howes, Professor für molekulare Psychiatrie am King's College London und nicht an der Studie beteiligt, die Erkenntnisse im Guardian. Aus den vorliegenden Daten lasse sich aber unter anderem nicht ableiten, ob und wann ADHS im Zusammenhang mit anderen medizinischen Problemen diagnostiziert wurde oder welche Auswirkungen etwaige Therapien hatten.
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