Aberglaube: So lebendig wie eh und je

Die Hacker*innen-Gruppe, die die Software für den Hack bereit stellte, wird als BlackCat bezeichnet
Warum es in Ordnung ist, an die Magie von Glückssocken zu glauben, und wann Aberglaube doch zu weit geht.

„Als Sportler bildet man sich ja oft ein, dass man ein gutes Spiel gewonnen hat, weil man an dem Tag mit dem rechten Fuß aufgestanden ist“, sagt Clemens Doppler. „Und dann macht man das beim nächsten Mal wieder.“ „Solange wir also gewinnen“, ergänzt Alexander Horst, „gehen wir zu allen Mahlzeiten ins gleiche Lokal wie am Vortag und bestellen auch die gleichen Speisen – auch wenn das heißt, vier Tage hintereinander Spaghetti aglio e olio mit Hendl zu essen. Aber zum Glück schmeckt mir das, also ist es kein wirkliches Problem.“ Vor der Europameisterschaft in Holland 2018 zeigten die beiden Beachvolleyball-Partner im KURIER-Gespräch, dass in ihrem Trainingsplan immer noch Platz für etwas Aberglauben ist.

Dass Athleten Dinge tun, die mitunter seltsam wirken, überrascht Andreas Hergovich nicht: „Müssen Ereignisse bewältigt werden, die ganz oder großteils außerhalb der eigenen Kontrolle liegen, geben Handlungen wie diese die Illusion der Kontrolle zurück.“ Hergovich, der an der Fakultät für Psychologie an der Universität Wien forscht und lehrt, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Phänomen des Aberglaubens. „Ein Sportler weiß nicht, ob er den Wettkampf überstehen oder sogar eine Bestplatzierung erreichen wird. Rituale geben hier Halt“, sagt der Psychologe und verweist zugleich auf den großen Widerspruch: „Von außen betrachtet ist die Irrationalität der Handlung offensichtlich, aus der Innensicht hat sie eine Funktion und eine Bedeutung.“

Auch Tiere können abergläubische Rituale entwickeln – wie Verhaltensforscher Burrhus Skinner schon 1948 entdeckte.

Aberglaube: So lebendig wie eh und je

Hilft es nicht, schadet es nicht: Personalisierte Vorhängeschlösser an Brücken - damit die Liebe hoffentlich ewig hält.

Für ein Experiment sperrte er Tauben in eine Kiste und ließ alle 15 Sekunden einen Leckerbissen fallen. Nach und nach fingen die Vögel an, sich auffällig merkwürdig zu verhalten: Sie drehten sich im Kreis oder schleuderten ständig ihren Kopf zur Seite. Skinners Erklärung: Die Tiere wiederholten genau die Bewegung, die sie machten, als das Futter in die Kiste fiel. Sie hatten den Zufall ihrer Bewegung mit einer Wirkung gleichgesetzt und wiederholten nun das Ritual ständig, um wieder Nahrung zu bekommen. Für sie funktionierte das Prinzip also – ungeachtet dessen, dass die Futtergabe ohnehin automatisch erfolgte.

Platz für Alltags-Voodoo

Dass Horoskope und Astrologie in unserer vernunftbetonten, wissenschaftsorientierten Welt immer noch ihren Platz haben, ist ebenfalls dem Wunsch nach Kontrolle gezollt. Das Leben nach dem Lauf der Gestirne zu planen und so in klaren Bahnen laufen zu lassen, ist verlockend. Da Horoskope meist so vage formuliert sind, dass sie auf fast jeden zutreffen („Heute sind Sie sich selbst der Nächste“, „Für Steinböcke sind Fortschritte durchaus möglich“), fällt es einfach, ihnen Vertrauen zu schenken. Zudem werden die diffusen Aussagen den Alltag wohl nicht gravierend verändern. Für Hergovich ist es daher nicht weiter bedenklich, wenn man seinen Aberglauben auslebt – mit dem Gesundheitsbereich als große Ausnahme: „Wenn man auf etablierte medizinische Behandlungen verzichtet und sich Wunderheilern und -mitteln zuwendet, sind die gesundheitlichen Risiken groß. Im Extremfall gefährdet man das eigene Leben“, warnt der Wissenschaftler.

Den Hauptnutzen von Aberglauben sehe ich darin, dass man das Gefühl – oder die Illusion – der Kontrolle über sein Leben hat und dabei auch die Grenzen der eigenen materiellen Welt übersteigt.“

von ao. Univ.-Prof. Mag. DDr. Andreas Hergovich Bakk.

Fakultät für Psychologie/Institut für Angewandte Psychologie, UniWien

Wie hoch der Glaube an Wunderheilungen, etwa durch Handauflegen oder Energieübertragung, immer noch ist, zeigt eine aktuelle Umfrage des Linzer Marktforschungsinstitut Spectra. 1.001 Personen wurden gefragt, welche Arten übersinnlicher Phänomene ihnen glaubhaft erschienen. Neben der Telepathie (28 Prozent) erzielten Wunderheilungen mit 27 Prozent die höchsten Werte.

 „Man kann ja einmal versuchen, sich zurückzulehnen und seinen eigenen Aberglauben mit Abstand zu hinterfragen“, so Hergovich: „Wenn sich die Menschen an allen Tagen des Jahres die Haare schneiden und zufrieden sind, muss man den eigenen Friseur-Termin tatsächlich immer mit dem Mondkalender abstimmen? Bestätigen Statistiken, dass es am Freitag, den 13., tatsächlich mehr Unfälle gibt?“

So mancher mag seine Zuflucht dann im verbalen Achselzucken schlechthin finden: „Nützt es nichts, schadet es auch nicht.“ Die Devise schafft zugleich selbstironischen Abstand zum eigenen Aberglauben und trotzdem kann man auf Nummer sicher gehen.

Zu beachten ist, dass auch weniger offensichtliche Formen des Aberglaubens existieren. Für Andreas Hergovich ist ausgerechnet der Glaube an die Allmacht der Wissenschaft ein Beispiel. Es sei einfach, sich über jemanden lustig zu machen, der sich nach dem Mond die Haare schneiden lässt, dagegen sei die Überhöhung der Wissenschaft ein versteckter Aberglaube: „Ihr wird oft mehr zugetraut, als sie zu leisten vermag. Fragen der Sinnsuche, zu Religion oder Philosophie können aus meiner Sicht nicht wissenschaftlich – und schon gar nicht naturwissenschaftlich – gelöst werden.“

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