400.000 Österreicher leiden an einer seltenen Erkrankung

400.000 Österreicher leiden an einer seltenen Erkrankung
80 Prozent aller seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt, jede zweite beginnt bereits im Kindesalter.

Morgen, Dienstag, ist der internationale Tag der „Seltenen Erkrankungen“. Als Gruppe sind sie gar nicht so selten: Sie betreffen rund 5 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen. Eine Erkrankung gilt als selten, wenn weniger als einer unter 2.000 Menschen davon betroffen ist.

„Allein in Österreich leiden insgesamt rund 400.000 Menschen an einer seltenen Erkrankung“, weiß Michael Speicher, Vorstand des Diagnostik- & Forschungsinstitutes für Humangenetik an der Med Uni Graz.

Oft genetisch bedingt

„Etwa 80 Prozent aller seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt und beginnen zu 50 Prozent bereits im Kindesalter“, betont Barbara Plecko, Leiterin der Klinischen Abteilung für allgemeine Pädiatrie, die Bedeutung dieses Themenfeldes für die Kinder-und Jugendheilkunde.

Genetisch bedingte Krankheitsbilder sind vielfältig und ziehen sich durch alle Teilbereiche der Pädiatrie, von frühkindlichen Epilepsien über seltene Nieren-oder Lebererkrankungen bis hin zur cystischen Fibrose oder angeborenen Tumorsyndromen.

Der lange Weg zur Diagnose

Der Weg zur Diagnose kann im Einzelfall zur Odyssee werden, denn nur ein kleiner Teil der Erkrankungen ist durch das allgemeine österreichische Neugeborenen-Screening abgedeckt. In der Vergangenheit warteten etwa ein Drittel aller Patienten und Patientinnen mit einer seltenen Erkrankung mehr als fünf Jahre auf die richtige Diagnose.

Eine zutreffende Diagnose ist für Menschen mit seltenen Erkrankungen und deren Familien von großer Bedeutung. Sie ermöglicht eine spezifische Krankheitsaufklärung, spezifische, oft auch personalisierte Therapieverfahren sowie die Kontaktaufnahme mit Selbsthilfegruppen. Häufig geht es auch um Fragen der Familienplanung und das Risiko für weitere Familienmitglieder bzw. Nachkommen.

Neue Abklärungsmethoden

Bei manchen genetisch bedingten Erkrankungen ist anhand des klinischen Bildes eine konkrete Verdachtsdiagnose und gezielte genetische Untersuchung möglich. Andere Krankheitsbilder zeigen Überlappungen oder können durch Fehler in verschiedenen Genen verursacht werden.

„Während in diesem Fall bis vor etwa zehn Jahren mühsam einzelne Gene in Folge untersucht werden mussten, erlauben neue Technologien die simultane Analyse großer Abschnitte des menschlichen Erbguts“, berichtet Michael Speicher. Dadurch hat sich die Zeit zur Erlangung einer genetischen Klärung auf wenige Wochen bis Monate verkürzt.

Für genetische Analysen ist vorangehend eine ausführliche Aufklärung sowie Zustimmung der Betroffenen nach dem österreichischen Gentechnikgesetz erforderlich. Das D & F Institut für Humangenetik der Med Uni Graz nimmt dabei eine federführende Rolle ein und koordiniert das „Austrian Network for Medical Genome Analysis“ (MedGenA), ein österreichweiter Zusammenschluss, um für diagnostische Einrichtungen den Zugang zu den modernsten Geräten für Untersuchungen des Erbgutes sicherzustellen.

„Durch dieses von der österreichischen Förderagentur für Forschung (FFG) geförderte Infrastrukturprojekt verfügt die Med Uni Graz über die neueste Generation von Sequenziergeräten und entsprechender Ausstattung für die Datenauswertung, sodass am Standort optimale Voraussetzungen für die Aufklärung genetischer Ursachen seltener Erkrankungen gegeben sind“, so Michael Speicher.

Rund 8.000 seltene Erkrankungen

Bisher wurden 8.000 seltene Erkrankungen eruiert. Der Tag der Seltenen Erkrankungen soll auch zur Solidarität der allgemeinen Bevölkerung beitragen, indem Wissen zum Thema vermittelt wird. „Es ist belegt, dass wir von seltenen Erkrankungen auch sehr viel für häufig vorkommende Erkrankungen lernen können - ebenso wie übrigens von jenen Menschen, die an einer seltenen Erkrankung leiden“, so das Resümee der Experten der Med Uni Graz.

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