Warum Tiere fluoreszieren, wird noch diskutiert
Nicht alle Wissenschaftler teilen diese Erklärung. In Studien wird seit Jahren darüber spekuliert, ob Tiere mit dem physikalischen Phänomen locken, täuschen oder abschrecken wollen, ob sie sich vor der Sonne schützen, indem sie überschüssige Strahlung in anderer Wellenlänge wieder abgegeben, oder ob der organisch-chemische Anstrich helle Mondnächte anzeigen soll und damit eine tendenziell erfolglose Jagd; Energiesparen hilft beim Überleben.
Zoologe Peter Sziemer vom Naturhistorische Museum Wien NHM kann sich auch eine Laune der Natur vorstellen. Er verweist auf bunte Schnecken, die eingegraben im Boden leben, und Kreuzspinnen, deren charakteristische Zeichnung am Rücken eine zufällige Ansammlung von Stoffwechselabfall aus der Nahrung ist. Einig sind sich alle Experten, dass Biofluoreszenz in der Natur viel häufiger vorkommt als zunächst gedacht.
Begonnen hat die Erforschung der verborgenen Welt in den 1960er-Jahren. Mit einer Qualle. Damals identifizierte der japanische Biochemiker Osamu Shimomura das grün fluoreszierende Protein, das Aequorea victoria zum Strahlen bringt. 2008 erhielt er für die inspirierende Arbeit, durch die einzelne Zellen im Organismus markiert werden konnten, den Chemienobelpreis.
Fluoreszenz in der Natur ist weiter verbreitet als angenommen
Bald belegten zahlreiche Studien, dass nicht nur Meeresbewohner – darunter Korallenfische, Kettenkatzenhai und Echte Karettschildkröte – leuchten, sondern dass auch nachtaktive Arten – wie manch tropische Frösche – Lichtshows veranstalten.
Als deutsche Forscher 2018 nachts im Museum durch Zufall blau-fluoreszierende Muster auf ihren Chamäleons entdeckten, befeuerte das die Suche nach dem Disco-Effekt. „Damals haben alle möglichen Leute begonnen, ihre Tiere mit UV-Licht anzuleuchten“, erinnert sich Schreiner. Man weiß ja nie.
Bei Namibgeckos wurde man genauso fündig wie bei Vogelfedern oder am Schnabel des Papageientauchers. Nicht zuletzt erwiesen sich Säuger als wahre Leuchten. „Neben dem Schnabeltier, das eher ins Blau-Grüne geht, fluoresziert der Springhase, der ein großes afrikanisches Nagetier, rot“, gibt Sziemer Beispiele. Flughörnchen wiederum segeln je nach Betrachtung braun oder pink.
Moleküle reagieren strahlend auf bestimmte Wellenlängen
Im Vorjahr unterzogen australische Forscher bei einer „Schwarzlicht-Party“ 146 konservierte bzw. eingefrorene Tier-Präparate einer Spektralanalyse. Sie stellten fest, dass in erster Linie weißes oder fahl-gelbes Fell sowie helle Haut Farbe bekennen. Eisbär, Großer Beutelmull und ein Albino-Wallaby stachen wie erwartet heraus, denn das Protein Keratin, das u.a. in Haaren und Nägeln vorkommt, fluoresziert, sofern es nicht durch Pigmente wie Melanin überdeckt wird. Wo stark pigmentiertes Fell farbige Akzente setzte, vermuteten die Forscher zusätzliche strahlende Moleküle. Viele Fragen zur Fluoreszenz sind offen.
Dauerbeleuchtung schwächt Farbspiele
„Aus Studien wissen wir, dass Skorpione unter Dauerbeleuchtung an Leuchtkraft verlieren. Für die Tiere in menschlicher Obhut spielt das vermutlich keine Rolle“, schwenkt Tierarzt Schreiner wieder ins Haus des Meeres. Was sich draußen im bunten Universum des Unsichtbaren abspielt, muss sich erst zeigen.
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