Fettleibigkeit in Österreich "schockierend"

ARCHIVKOMBO?- Übergewichtige Männer und Frauen aus Deutschland, den USA (Mitte, unten) und England (rechts, unten) aufgenommen in den Jahren von 2005 bis 2010. Fettleibigkeit nimmt in immer mehr Ländern das Ausmaß einer Volkskrankheit an. In den Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist nach am Donnerstag (23.09.2010) veröffentlichten Zahlen im Schnitt bereits jeder zweite Bürger übergewichtig. Deutschland ist in dieser Beziehung repräsentativ: Dort trugen zuletzt 60 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen zu viele Kilos mit sich herum, rund jeder sechste Deutsche war fettleibig. Vor 1980 habe der Anteil der krankhaft dicken Menschen in den meisten Ländern noch deutlich unter zehn Prozent gelegen, schreiben OECD-Experten zu den alarmierenden Zahlen. Foto: EPA/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Experten: Mehr Forschung zu den Ursachen von Übergewicht notwendig.

Übergewicht breite sich weltweit als Pandemie aus, selbst Länder, die vor einigen Jahrzehnten noch mit Hungersnöten zu kämpfen hatten, seien betroffen, erklärten Experten bei einem Pressegespräch in Wien. Auch in Österreich seien die Zahlen „schockierend“, sagte Gerald Gartlehner vom Department für Evidenzbasierte Medizin und klinische Epidemiologie der Donau-Universität Krems. Etwa jeder Fünfte verzeichne hierzulande einen Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30 und gelte daher als fettleibig (adipös). Dies würde nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen verringern und ihnen einen früheren Tod bescheren, auch die Gesellschaft wäre davon belastet.

Österreich ist damit eine der EU-Nationen mit den meisten Fettleibigen. Alarmierend ist, dass auch immer mehr Kinder betroffen sind. Starkes Übergewicht ist ein Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen, diese führen wiederum zu hohen Gesundheitskosten. Für Betroffene sinkt nicht nur die Lebensqualität drastisch, sie müssen auch mit einem früheren Tod rechnen. Adipositas-Prävention ist daher Thema des vierten Europäischen Forums für evidenzbasierte Prävention (EUFEP) im Juni in Krems. Die beiden Initiatoren Mag. Wolfgang Sobotka (Landeshauptmann-Stellvertreter von Niederösterreich) und Univ.-Prof. Dr. Gerald Gartlehner sowie Elisabeth Jäger (Adipositas Selbsthilfegruppe Österreich) unterstrichen Freitag die Relevanz des Themas.

Zu wenig Kenntnisse

Sobotka: „Wir haben zu wenig evidenzbasierte Kenntnisse über Vorsorgeprogramme, die es umzusetzen gilt, um den Menschen mit den richtigen Maßnahmen zu helfen." Mit dem EUFEP-Kongress übernehme Niederösterreich auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle. Es braucht zusätzliche Aktivitäten, vor allem auch auf Bundesebene.“ Elisabeth Jäger: "Die Wissenschaft steckt auf diesem Gebiet noch in den Babypatscherln."
Laut amerikanischen Studien liegt der Zustand der persönlichen Gesundheit zu 40 Prozent in der Eigenverantwortung des einzelnen. Sobotka: "Das heißt, es braucht auch Rahmenbedingungen gesetzlicher und steuerlicher Natur, damit wir systematisch und strukturiert für die Gesundheit der Bevölkerung sorgen können." Der Bund sei gefordert, mehr Präventionsmaßnahmen anzubieten.

Problem Maissirup

Eine mögliche Ursache für die starke Zunahme der Zahl der Übergewichtigen: Der massive Einsatz von Maissirup (Fructose) in vielen Produkten. In den USA habe die Verwendung zwischen 1970 und 1990 um 1000 Prozent zugenommen, so Gartlehner. Das Problem: Im Gegensatz etwa zu Glukose führt Maissirup nicht zu einem Anstieg von Hormonen, die ein Sättigungsgefühl verursachen. "Für die Produzenten ist das eine Win-win-Situation. Einerseits ist Maissirup billiger, andererseits essen die Leute mehr von ihren Produkten."

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