Was Embryos im Bauch der Mutter alles mitbekommen
Ultraschall-Untersuchungen erlauben faszinierende Blicke auf das ungeborene Kind. Sie lassen das Geschlecht erkennen, man sieht das pochende Herz und im 3-D-Ultraschall sind sogar die Gesichtszüge zu bewundern. Doch wie und wann entwickelt sich das Gehirn? Und welchen Effekt haben Musik, Berührungen oder Stress auf den Embryo? Die Wissenschaft tastet sich auf diesem Forschungsfeld vorsichtig voran.
So fand man nun an der MedUni Wien heraus, dass Embryos in der 30. bis 36. Schwangerschaftswoche nicht nur die Augen bewegen, sondern auch die dazugehörigen Netzwerke im Gehirn schon genutzt werden. Das heißt nicht, dass der Fötus vor der Geburt schon sehen kann – die Verarbeitung von optischen Reizen lernt er erst nach der Geburt. Doch die Netzwerke zwischen Gehirn und Augen werden startklar gemacht.
Studienleiterin Veronika Schöpf erklärt die Vorgänge im Mutterbauch: "Es ist bisher nicht klar, ob Licht da drinnen ankommt. Aber wir konnten mithilfe von funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) erstmals den Zusammenhang zwischen Augenbewegungen und zuständigen Gehirnarealen im Mutterbauch zeigen." Die Regionen, die später für das Sehen verantwortlich sind, sind demnach schon vor der Geburt des Babys aktiv.
Musik im Mutterbauch
Viele werdende Eltern glauben an den Einfluss von Musik während der Schwangerschaft. An Studien, die einen Zusammenhang zwischen der in der Schwangerschaft gehörten Musik und der Entwicklung des Babys gezeigt haben, zweifelt Schöpf allerdings. Finnische Forscher hatten etwa herausgefunden, dass Babys, die im Mutterbauch das Kinderlied "Twinkle Twinkle Little Star" gehört hatten, nach der Geburt beim Hören des Liedes eine höhere Gehirnaktivität zeigten. Die Neurowissenschaftlerin bezweifelt, dass ein Fötus die Musik überhaupt hören kann: "Im Mutterleib ist es so laut – unsere Organe machen enorm viel Lärm und das Baby liegt da genau darunter."
Schöpf vermutet vielmehr, dass die Assoziation weniger über das Hören, sondern eher über den Hormonhaushalt gesteuert wird. "Wenn die Mutter zum Beispiel Beethoven entspannend findet, werden Glückshormone ausgeschüttet und das bekommt das Kind sicher mit."
Ähnlich erklärt Schöpf Bauchmassagen: "Wenn der Partner den Bauch massiert, fühlt sich die Mutter wohl – und dementsprechend auch das Baby. Würde ein Fremder sie berühren, würde sie sich unwohl fühlen. Je nachdem, werden diese Gefühle über den Hormonhaushalt an das Baby transportiert." Wissenschaftlich sei es aber nicht möglich, das zu testen oder zu beweisen.
Einfluss von Stress
Was bisher sehr wohl nachgewiesen werden konnte, ist allerdings der Einfluss von Stress auf das Ungeborene. Deutsche Forscher fanden heraus, dass negative Aufregung bei Schwangeren den Stresshormonspiegel beim Fötus anhebt – im Extremfall wird dadurch die Hirnentwicklung und die Lungenreifung beschleunigt. Im späteren Leben kann das den Studienautoren zufolge Herzkrankheiten und Depressionen begünstigen.
Der Einfluss der Ernährung in der Schwangerschaft ist im Vergleich zu den Auswirkungen von Musik, Licht und Stress am besten erforscht. So haben etwa US-Studien gezeigt, dass die Kinder von Schwangeren, die mit Vanille versetztes Ketchup gegessen haben, später Babynahrung mit Vanillegeschmack bevorzugt haben.
Doch keine Sorge, gewisse Geschmacksvorlieben der werdenden Mutter werden zwar offenbar auf das Ungeborene übertragen, dennoch ist der Mensch den kulinarischen Neigungen seiner Mutter nicht willenlos ausgeliefert, sagt Schöpf: "Wenn eine Mutter nie Spinat mochte, ihn während der Schwangerschaft nicht gegessen und dem Kind auch nie gegeben hat, kann es ihm als Erwachsener trotzdem schmecken. Gewisse Dinge sind uns vertrauter, aber wir suchen uns trotzdem selbst aus, was uns schmeckt."
Auch wenn es wissenschaftlich nicht erwiesen ist – mit dem Babybauch auf Tuchfühlung zu gehen, ist für Eltern während der langen Wartezeit der Schwangerschaft die einzige Möglichkeit, mit ihrem Baby Kontakt aufzunehmen.
Der Niederländer Frans Veldman hat aus diesem Bedürfnis schon in den 1940-er Jahren eine eigene Lehre entwickelt: die Haptonomie (aus dem Griechischen, Lehre von der Berührung). Das vorrangige Ziel ist, die Innigkeit zwischen den Eltern zu fördern und das Familiengefühl schon vor der Geburt zu stärken, erklärt die ausgebildete Haptonomin Anna Hofer. „Kommunikation beginnt im Mutterleib.“ Mithilfe der Berührungsübungen soll vor allem Männern die Anfangsphase mit dem Neugeborenen erleichtert werden – viele fühlen sich in dieser Zeit nutzlos.
Übungen
Hofer erklärt: „Es gibt verschiedene haptonomische Übungen, die ein Kennenlernen des Babys während der Schwangerschaft ermöglichen. Konkret berührt der Vater den Bauch der Mutter auf verschiedene Weise.“ Wichtig sei eine gleichzeitige Kontaktaufnahme durch die Eltern. Sie gewinnen Vertrauen zu ihrem Nachwuchs – dadurch soll die Kommunikation mit dem Baby leichter fallen.
Der beste Zeitpunkt, diese „Kontaktaufnahme“ zu beginnen, ist demnach zwischen der 20. und 24. Schwangerschaftswoche. Hofer ist überzeugt, dass die Übungen den Eltern auch helfen, die Signale ihres Babys nach der Geburt besser zu verstehen und entsprechend darauf zu reagieren.
Viele der haptonomischen Übungen sind als Geburtsvorbereitung zu verstehen. Sind Mutter und Kind mit den Berührungen des Vaters vertraut, kann er bei der Geburt unterstützend mitwirken. „Wichtig ist, dass die Berührungen des Vaters deutlich sind und in der Haut spürbar, so dass sie von der Frau während der Geburt nicht als unangenehm empfunden werden.“
Internet: www.haptonomie-wien.at
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