Ein starker Auftritt im Rollstuhl
Das Plakat, auf dem er mit seinem Freund Harald Krassnitzer zu sehen ist, hängt ganz in der Nähe seiner Wohnung, sagt Elias Wexberg. Und er sagt das stolz. „Auch in der Schule haben sie mich darauf angesprochen.“
Elias geht in die dritte Klasse einer Volksschule in Wien-Hütteldorf und wohnt beim Stadion vom SK Rapid. Keine Frage also, für welchen Wiener Fußballklub sein Herz schlägt.
Zum Geburtstag
Mit dem Plakat will der Verein Österreichische Muskelforschung auf eine bisher wenig bekannte und doch gar nicht seltene Gruppe von Krankheiten aufmerksam machen.
Elias hatte das Pech, dass er genau der eine Bub von statistisch 3500 neugeborenen Buben war, der mit diesem speziellen Defekt am X-Chromosom zur Welt kam. Daraus resultiert heute seine Muskelschwäche. Vor mittlerweile fünf Jahren wurde bei ihm Muskeldystrophie Duchenne diagnostiziert.
Vater Paul Wexberg, selbst Arzt, übersetzt in eine Sprache, der auch Laien folgen können: „Das Chromosom wurde schon in den ersten Tagen der Schwangerschaft verändert. Dadurch kann ein bestimmter Eiweißstoff nicht gebildet werden, was wiederum dazu führt, dass sich rund um die Muskelzellen keine lebenswichtigen Schutzhüllen aufbauen.“
Traurig, und doch Realität: „Wann immer sich der Elias bewegt, werden weitere Zellen zerstört.“
Zu seinem achten Geburtstag im Sommer des Vorjahrs hat der Bub seinen ersten Rollstuhl geschenkt bekommen. Klar hat er sich über den fahrbaren Stuhl mit den cool leuchtenden Rädern gefreut. Die anderen Kinder in seiner Klasse wollten auch sofort damit fahren. Doch Elias ist ein heller Kopf. Insgeheim weiß er: Der Rollstuhl ist mehr als ein Geschenk. Mit ihm ist auch traurige Gewissheit in das Leben seiner Familie eingekehrt. Noch kann er gehen, in der Wohnung, auch die paar Schritte zum Auto. Doch bald wird das nicht mehr möglich sein. Seine Krankheit wird noch mehr Muskeln zerstören, nicht nur die der Waden.
Die Ärzte sprechen derzeit von einer Lebenserwartung von 30 bis 40 Jahren. Das ist deutlich höher als noch vor einigen Jahren. Immerhin. „Elias hat ganz normal gehen gelernt“, erinnert sich sein Vater. „Doch dann ist er immer öfter gestolpert. Anfangs dachten wir , er sei nur ein bisschen tollpatschig.“
Die Diagnose war ein harter Schlag für die Familie. „Am Anfang ist man schockiert“, erzählt Elias’ Mutter, Patricia Colombini Wexberg. „Dann haben wir versucht, so viel als möglich mit unserem Sohn zu unternehmen, solange es halt noch geht.“
Heute ist manches alltäglich geworden. Im Moment sorgt sie die Frage, in welche Schule ihr Sohn im Herbst nächsten Jahres wechseln kann. „Das Angebot für Kinder, die geistig fit sind, aber körperlich beeinträchtigt, ist in Wien leider nicht groß.“
Hoffnungsschimmer
Seit bald einem Jahr muss der Elias jeden Mittwoch nach München. In eine Klinik, an der eine neue Gentherapie getestet wird. Ziel des internationalen Forscherteams ist es, so auf das Erbgut einzuwirken, dass zumindest teilweise Schutz für die Muskelzellen aufgebaut wird. Hoffnung keimt auf. Allerdings fügt sein Vater hinzu, dass der Erfolg des Präparats keineswegs abgesichert sei. Selbst wenn die Spritze wirkt, erlaubt sie keine Heilung, sondern nur eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs.
Elias nimmt die Zugfahrten nach München bemerkenswert locker. Trotz schwächer werdender Muskulatur ist er ein starker Typ. Auf den Plakaten kann man ihn noch bis Monatsende sehen.
Rund 20.000 Österreicher leiden an einer Muskelerkrankung, gut die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. Die Schwächung der Muskulatur ist meist genetisch bedingt, kann daher jede/n treffen.
Da es nicht die eine, sondern 200 Varianten der Erkrankung gibt, ist die Diagnose für Ärzte schwierig, die Pharmaindustrie weniger interessiert – und die Öffentlichkeit kaum informiert.
Mit einem TV- und Kino-Spot und einer Plakatkampagne bemüht sich der Verein Österreichische Muskelforschung um Aufklärung. Slogan: Aufstehen und spenden!
Viele kleine Schritte, der große Schritt fehlt allerdings noch.“ So beschreibt Primar Günther Bernert, Vorstand des Preyer’schen Kinderspitals in Wien und Präsident des Vereins Österreichische Muskelforschung, die Therapie-Fortschritte in den vergangenen 30 Jahren.
Es ist gelungen, die Lebenserwartung der Patienten im Vergleich zu den Achtzigerjahren zu verdoppeln“, erläutert Bernert. Heute liege sie bereits bei 30 bis 40 Jahren. Auch die Lebensqualität habe sich deutlich verbessert: „Die Zahl der Patienten mit einem Schulabschluss hat sich sogar verdreifacht.“
Der Mediziner führt diese messbaren Erfolge auf verbesserte Therapien zurück. Er nennt unter anderem die Cortisontherapie, das Lungenfunktions- und Wirbelsäulentraining, neue Medikamente für den Herzmuskel sowie die künstliche Beatmung beim Schlafen.
In Österreich leiden rund 20.000 Menschen an einer Muskelerkrankung. Da jedoch 200 Varianten bekannt sind, zählt die Krankheit laut Weltgesundheitsorganisation zu den sogenannten „seltenen Erkrankungen“.
Für die gibt es kaum öffentliche Forschungsförderungen. Auch für die Pharmaindustrie sind Investitionen in Forschung kaum von Interesse. Dennoch laufen derzeit mehrere internationale Studien. „Wir hoffen heute vor allem auf jene Therapien, die direkt am Gen ansetzen oder die versuchen, den Prozess der fehlerhaften Gen-Information zu stoppen“, erklärt Primar Bernert. Sein gemeinnütziger Ve
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