Eine Faust ist mehr als fünf Finger
Schnell war klar, dass ein ikonisches Bild geschossen worden war. Donald Trump mit Blutspritzern im Gesicht, umringt von Sicherheitskräften, im Hintergrund eine US-Flagge – und ganz zentral: eine hochgereckte Faust. Ein „kraftvolles politisches Signal“, wurde analysiert. Er wird diese Geste wohl auch am Donnerstag bei seinem Auftritt am Republikaner-Parteitag präsentieren.
Donald Trump ist die Faust nicht fremd. Er hat sie schon bei seiner Inauguration als Präsident vor sieben Jahren in die Luft gestreckt. Er hat mit derselben Faust auch schon als unpolitischer Geschäftsmann über Anwohner seiner Immobilien gewettert.
Französische Revolution
Die Faust hat also viele Facetten. Das zeigt schon ihre Geschichte. Denn ihren Ursprung hat die kämpferische Geste eher in linksgerichteten Bewegungen – aber nicht erst jetzt ist sie auch auf der anderen Seite gelandet. Grundsätzlich wird die Geste als schnell verständliches Zeichen des Kampfs gegen Unterdrückung interpretiert. Das erste Mal dürfte die Faust als politischer Ausdruck 1848 von Honoré Daumier abgebildet worden sein, in einem Gemälde, das Aufständische der Französischen Revolution zeigt.
Roter Frontkämpferbund
Tatsächlich als zuordenbare Geste wurde sie erst Anfang des 20. Jahrhunderts von Arbeiterbewegungen eingesetzt. Die Hand illustriert dabei die Nähe zur Werktätigkeit, die geballte Faust zeigt die Gewaltbereitschaft, die bei Straßenaufmärschen jener Zeit gegeben war. Als Logo wurde sie vom Roten Frontkämpferbund schon in der Weimarer Republik patentiert. Die Abbildung basierte auf einem Bild von George Grosz, einem Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Die Faust wird in weiterer Folge zu einem Gegenspieler des „römischen Grußes“ der Faschisten.
"Auf Feinde des Proletariats niedersausen"
In den USA arbeiteten Gewerkschaften mit der geballten Faust, oftmals ist sie auf Flugblättern wie ein riesiger Schirm über Arbeitern „aufgespannt“. Schon 1913 erklärt der US-Gewerkschafter Bill Haywood bei einer Kundgebung die Symbolik: „Jeder Finger für sich hat nicht viel Kraft“, sagte er, hob seine Hand in die Höhe und schloss sie zur Faust: „Aber seht her: Das sind die Industrial Workers of the World“. 1932 schreibt „Die rote Fahne“: „Für die Kommunisten ist die erhobene Faust die kampfbereite revolutionäre Drohung an Kapitalismus und Faschismus, und die Faust wird erhoben, um sie auf die Feinde des Proletariats niedersausen zu lassen.“
Für den deutschen Kommunisten Ernst Thälmann stand die Faust dafür „Den Freund zu beschützen und den Feind zu bekämpfen.“ In Halle an der Saale entstand zu DDR-Zeiten ein monumentales Denkmal für die „revolutionären Arbeiterbewegungen“, bestehend aus mehreren riesigen emporgestreckten Fäusten, im Kunst am Bau im sozialistischen Wohnen ist die Faust ein beliebtes Symbol.
Spanischer Bürgerkrieg
Besonders im Spanischen Bürgerkrieg wurde der Faustgruß als Erkennungszeichen auf Seiten der Republik verwendet und wurde endgültig zum antifaschistischen Gruß. Joan Miró fertigt 1937 ein Plakat mit einem Mann und einem sehr großen Arm, der die Faust emporballt.
In den 1960er-Jahren reckte die Black-Power-Bewegung die Faust in die Höhe. Anteil daran hatte die sogenannte Abraham Lincoln Brigade, eine Abordnung von 40.000 US-Sozialisten, die nach Spanien gereist waren, um an der Seite der Frente Popular zu kämpfen. Darunter waren auch viele Afroamerikaner, die hier eine Gleichberechtigung erfuhren, die ihnen in ihrer Heimat verwehrt war. Bei ihrer Rückkehr nahmen sie den Faustgruß mit - und Black-Power-Aktivisten griffen ihn auf.
In die Geschichte ging schließlich ein Foto der Olympischen Spiele 1968 ein, als die Sprinter Tommie Smith und John Carlos bei ihrer Siegerehrung mit dieser Geste einen stummen Schrei gegen Rassismus absetzten.
Black Lives und White Power
Mehr als 50 Jahre später hat die „Black Lives Matter“-Bewegung wieder die Faust für sich entdeckt. Bei Protestaktionen gegen Polizeigewalt an Schwarzen wurden die geballten Finger real und auf Plakaten eingesetzt.
Wenn nun in Artikeln die Rede davon ist, dass Donald Trump die Geste „geklaut“ hat, wäre der Ex-Präsident spät dran. Denn schon länger haben auch rechtsextreme Gruppierungen die „White Power“-Faust im Gebrauch, in den USA etwa der Kuklux-Klan. Der Massenmörder Anders Breivik hat 2012 im Gerichtssaal mit ausgestreckter Faust provoziert. Die war freilich schon so abgesenkt, dass sie mehr an den Hitlergruß erinnerte. Wegen der Vereinnahmung durch die rechte Szene geht man in linken Kreisen dazu über, eher die linke Faust zu ballen, um Verwechslungen zu vermeiden. SPÖ-Chef Andreas Babler, zu dessen Gestenrepertoire der Faustgruß auch gehört, wurde anfangs belächelt, weil er sich nicht für eine Seite entscheiden konnte. Zuletzt blieb er bei der rechten Faust.
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