Eine App gegen das Vergessen

Bilder aus der Vergangenheit werden mit historischen Ereignissen verknüpft.
Alte Familienbilder lassen Erinnerungen aufleben und halten das Gedächtnis wach.

Elke Koller weiß zwar nicht, was ein Tablet ist, aber das Computerprogramm mit ihren Fotos findet sie aufregend. Auf dem Bildschirm ist das Bild einer Hochzeitsgesellschaft eingeblendet. "Da hat meine Tochter Claudia geheiratet!" Das nächste Foto zeigt ihren Enkel Markus als kleines Baby. Nun die Herausforderung: Sie muss zuordnen, ob er vor oder nach der Hochzeit geboren wurde. "Das war eindeutig danach." Dazu zieht sie das Foto auf den Pfeil "nachher".

Eine App gegen das Vergessen
Im Haus Schönbrunn arbeiten Menschen, die an Demenz erkrankt sind mit dem Programm Lebensnetz, dass auf einem Tablet-Computer betrieben und von der Caritas mitentwickelt wurde.
Frau Koller ist 67 Jahre alt. Sie ist an Demenz erkrankt und lebt im Haus Schönbrunn, einem Senioren- und Pflegehaus der Caritas. Im Rahmen eines Pilotprojekts hat sie eine neue App getestet. Sie soll helfen, Fotos, Menschen und Ereignisse aus der Vergangenheit zu ordnen und in einen Kontext zu bringen. Der treffende Name der App: "Lebensnetz".

Mithilfe eines Sozialarbeiters trägt Frau Koller Fotos, Ereignisse und Notizen in einer Zeitleiste ein. Als ergänzende Unterstützung werden diese Einträge mit historischen Ereignissen verknüpft: Frau Kollers Sohn Thomas wurde etwa in demselben Jahr geboren, in dem Bruno Kreisky Bundeskanzler wurde: 1970.

Frisuren von damals

Maria Schmid ist 88 Jahre alt und kam direkt von einem Spitalsaufenthalt ins Haus Schönbrunn. Persönliche Gegenstände wie Fotos hat sie nicht mehr. Sie macht die Erinnerungsübungen mit Fotos von Politikern, Berühmtheiten und historischen Ereignissen – Kaiserin Sissi bis zum Bau der Wiener U-Bahn. Die beiden Damen erinnern sich mit dem Tablet gemeinsam an die Mode von damals, die Frisuren. Die eine zeigt der anderen, wie sie damals ausgesehen hat.

Eine App gegen das Vergessen
Lebensnetz
Der Umgang mit dem Computer ist noch unsicher, aber sie kichern jedes Mal, wenn er macht, was sie wollen. Frau Koller ist begeistert: "Das ist wie ein sichtbarer Lebenslauf und viel handlicher als ein Fotoalbum." Besonders stolz ist sie, dass sie dasselbe kann wie ihre Enkel. Und mit etwas Hilfe verschicken die beiden Damen sogar eMails an ihre Lieben. "Das geht viel schneller als mit der Post."

Die Initiative zu der App gegen das Vergessen kam von Heinrich Hoffer – er hat jahrelang ehrenamtlich im Haus Schönbrunn geholfen. "Mir ist aufgefallen, dass die Gesprächsfreudigkeit unter den Menschen immer mehr zurückgeht." Beim Ordnen seiner vielen Fotos in diversen Schuhschachteln kamen bei ihm nicht nur viele Erinnerungen hoch – er kam auch auf die Idee, ein Werkzeug zu schaffen, das Menschen im Pflegeheim hilft, ihr Leben mitzubringen und anderen mitzuteilen.

Das "Lebensnetz" wurde mithilfe der Caritas, Ergotherapeuten, Demenzforschern und den Spieleentwicklern Ovos media entwickelt. Derzeit ist man noch auf der Suche nach Sponsoren, damit es 2015 auf den Markt gebracht werden kann.

Infos unter www.lebensnetz.at

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