Debatte: Braucht Nahrung eine Ergänzung?

Debatte: Braucht Nahrung eine Ergänzung?
Vitamine und Mineralstoffe. Wann es sinnvoll sein kann, einen Mangel mit Präparaten auszugleichen

Zuletzt waren es die Fischölkapseln (siehe unten), die eine alte Diskussion aufflammen ließen: Welchen Nutzen haben Nahrungsergänzungsmittel – für Gesunde und für Menschen mit Grunderkrankungen?

„Allgemein gilt: Gesunde Menschen, die sich gut ernähren und körperlich aktiv sind, haben ein geringes Risiko für eine Unterversorgung mit gewissen Nährstoffen“, sagt Ernährungsmediziner Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin. „Allerdings gibt es Untergruppen, wo immer wieder Defizite auftreten.“ Er zählt auf:

Etwa Menschen nach Chemotherapien und generell nach Erkrankungen.

Ältere Menschen, deren Geschmacksempfinden oft verringert ist und die sich einseitig ernähren und auch zu wenig essen, oft weniger im Freien sind und so zu wenig Vitamin D produzieren.

Mädchen und junge Frauen, die auch laut Ernährungsbericht „im Mittel die empfohlene Eisenzufuhr nicht erreichen“.

Menschen mit gewissen Ernährungsformen, etwa Veganer. „Hier tritt ein Eisen- oder ein Vitamin-B12-Mangel häufiger auf.“

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Ähnlich sieht es der Ernährungswissenschafter Jürgen König, Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften der Uni Wien: „Es gibt Gruppen, die unter Umständen Supplemente benötigen könnten.“ Grundsätzlich ist laut Ernährungsbericht der Großteil der Bevölkerung aber mit Vitaminen und Mineralstoffen ausreichend versorgt. Besser als Supplemente zu nehmen sei es immer, „die gesamte Ernährung umzustellen, um wieder ausreichend mit Nährstoffen versorgt zu sein“, sagt König. Viele Ergänzungsmittel würden kaum Wirkung zeigen und seien teuer. Hohe Dosierungen bestimmter Stoffe könnten unerwünschte Wirkungen verursachen.

„Den Standardsatz, dass es ausreiche, sich gesund zu ernähren, höre ich immer wieder“, entgegnet Albert Schmidbauer, Inhaber der Firma Biogena aus Salzburg, die 260 verschiedene Mikronährstoffpräparate herstellt. „Aber gerade der Ernährungsbericht bestätigt uns ja, dass wir das nicht tun – wir essen von allem zu viel, zu süß, zu fett.“

Analysen durchführen

Auch die Einnahme bestimmter Medikamente könne einen Einfluss auf die Konzentration bestimmter Mikronährstoffe haben. Therapiebegleitend könne es deshalb sinnvoll sein, bestimmte Nährstoffe zuzuführen. Und es gehe auch nicht immer nur um die Frage eines Mangels, sagt Schmidbauer: „Viele Menschen wollen ihren Stoffwechsel optimieren, um so ihr gesamtes Potenzial entfalten zu können.“ Er erwartet nicht, dass jeder Mensch undifferenziert Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt: Vielmehr solle man eine Nährstoffanalyse durchführen. Das Risiko einer Überdosierung sieht Schmidbauer nicht: „Wenn man unsere Produkte in der angegeben Dosierung einnimmt, ist das ungefährlich.“

Widhalm empfiehlt, „einen Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet zu konsultieren. Denn gerade bei den am Markt angebotenen Nährstoffanalysen sei die Qualität sehr unterschiedlich: „Hier wird auch vieles angeboten, was wissenschaftlich nicht abgesichert ist.“ Deshalb wäre es dringend notwendig, dass ein universitäres Institut für Ernährungsmedizin eingerichtet wird, das entsprechende Studien über einzelne Verfahren und auch Fortbildungen anbietet.

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Widhalm betont, dass zum Beispiel bei Krebspatienten eine Ernährungstherapie zwar den Verlauf von Tumorerkrankungen nicht beeinflussen kann: „Aber wir können damit den Zustand der Patienten deutlich verbessern.“

Und wann sollte man überhaupt eine Analyse andenken?

Widhalm: „Wenn sich zum Beispiel jemand müde und abgeschlagen fühlt, an Muskelschwäche leidet oder nach einer Operation stark abgenommen hat, ist eine Mikronährstoffanalyse sinnvoll um herauszufinden, ob eine Unterversorgung vorliegt.“

Vier Beispiele

Fischöl: Kein Ende der Diskussion

Es waren Typ-2-Diabetiker und Menschen mit bereits bestehenden Herzerkrankungen, die zwar ihr Cholesterin mit Statinen gut kontrollieren konnten, aber noch hohe Triglyzerid-Werte (spezielle Blutfette) hatten: Sie konnten in einer großen US-Studie ihr Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle mit speziellen Fischölkapseln um 25 Prozent senken, berichtet die New York Times. Diese Kapseln enthielten  eine hohe Dosis einer speziellen Omega-3-Fettsäure (Eicosapentaensäure – EPA).   Im Gegensatz dazu zeigte eine auf dem Europäischen Kardiologenkongress im August präsentierte Studie  keinen Einfluss von Fischöl-Kapseln auf Infarkt- und Schlaganfallrisiko. Kardiologin Andrea Podczeck-Schweighofer: „Die Diskussion geht weiter.“

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Vitamin D: Im Winter oft knapp

Jeder Mensch benötigt Vitamin D, da es eine wichtige Rolle beim Aufbau von Knochen spielt und verschiedenste Prozesse im ganzen Körper beeinflusst. Gebildet wird es durch die Haut mit Hilfe des Sonnenlichts und kann nur zu einem geringen Anteil über  die Nahrung aufgenommen werden. Gerade im Winter leiden viele an einem Vitamin-D-Mangel: Ältere Menschen sind besonders häufig davon betroffen. Um einem Mangel vorzubeugen oder ihn zu behandeln, spricht sich Stefan Pilz von der MedUni Graz für die Einnahme von Vitamin-D-Tropfen oder -Tabletten aus. Mittels Bluttest kann ein Mangel festgestellt werden.  „In mehreren Studien wurde gezeigt, dass Vitamin D vor Infektionen schützt und auch Asthmasymptome verringern  kann.“

Vitamin C: Wenig bei Rauchern

Vitamin C fungiert als Antioxidans und trägt zur Wundheilung bei. Die  empfohlene Tagesmenge ist sehr gering, einen wirklichen Mangel gibt es daher laut Jürgen König selten. Er hält eine Ergänzung nur für jene sinnvoll, die so gut wie  gar kein Obst und Gemüse zu sich nehmen. Raucher hätten darüber hinaus einen höheren Bedarf. „Raucher sollten daher mehr Obst und Gemüse essen.  Die schädlichen Folgen des Rauchens gleicht das allerdings nicht aus.“  Vitamin-C-Mangel gebe es auch unter älteren und vor allem verwitweten Männern, die nicht selbst kochen. Auch sie nehmen oft nicht die benötigten Nährstoffe zu sich. Schwangere sieht König nicht von einem Mangel gefährdet. Diese  würden sich meist bewusst und gesund ernähren.

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Probiotika: Effekt bei Durchfall

Probiotika, die es sowohl in Kapsel- als auch Pulverform gibt, sollen beim Aufbau einer gesunden Darmflora helfen. Der tatsächliche Effekt der  lebenden Mikroorganismen wird jedoch seit Jahren diskutiert. Bernd Kerschner  von der Internetplattform medizin-transparent.at sieht nach  Analyse  der bisherigen Studien insgesamt eine positive Wirkung der Milchsäurebakterien: „Probiotika wirken bei durch Antibiotika bedingtem, aber auch bei infektiösem Durchfall, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit positiv. Bei Letzterem können sie die Dauer des Durchfalls um etwa einen Tag verkürzen.“  Probiotika helfen aber nicht jedem. Zudem ist derzeit noch unklar, ob gewisse probiotische Keime besser wirken als andere.

 

 

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