Auch Tiere fühlen Ungerechtigkeit

Hunde lassen sich nicht gerne über den Tisch ziehen.
Hunde, Wölfe, Vögel und Affen wollen nicht unfair behandelt werden – doch wie "menschlich" sind Tiere?

Sie können ausgefuchst und witzig sein, desinteressiert und faul, zugänglich, schüchtern, gelassen und genervt, sich freuen oder traurig sein: Wer Hunde mag, wird abstreiten, dass sie Tiere sind. Allzu menschlich wirkt ihr Wesen. Auch wenn es im kognitiven Bereich große Unterschiede gibt, befeuern Studien das Bild vom Vierbeiner mit den durch und durch humanen Eigenschaften.

Jüngstes Beispiel dafür ist die Publikation der Vetmed Uni Wien im Fachmagazin Current Biology. Jennifer Essler und Friederike Range erklären darin, dass Hunden wie Wölfen ungerechte Behandlung widerstrebt. Wäre es um Versuchspersonen gegangen, wäre wohl von Gerechtigkeitssinn und nachtragendem Charakter die Rede gewesen.

Sensibilität bei Kaniden

"Fairness ist ein sehr diskutiertes Thema", sagt Verhaltensforscherin Priv. Doz. Range: "Wir konnten nun zeigen, dass die Empfindlichkeit gegen ungerechte Behandlung Wölfen und Hunden im Blut liegt." Dafür brachten die Wissenschaftlerinnen neun Wölfe und elf Hunde einzeln in zwei angrenzende Gehege. Die Tiere mussten abwechselnd mit der Pfote einen Knopf drücken, um ein Leckerli zu bekommen. Beim Nicht-Belohnungsversuch erhielt nur der Partner ein Leckerli, das Versuchstier ging leer aus. Beim Qualitätstest gab es zwar für beide Tiere eine Belohnung, doch eines bekam Wurst, das andere lediglich Trockenfutter. Die Konsequenz: Die Benachteiligten verweigerten die weitere Zusammenarbeit. Und: Die unfair behandelten Wölfe waren sensibler als die ihre Nachfahren. Sie hielten noch auf neutralem Boden Abstand zur Trainerin. Die Hunde dagegen waren zugänglicher. Nur in dieser Hinsicht beeinflusst offenbar die Domestikation das Tun der Tiere. "Hunde und Wölfe sind sehr sozial. Sie beobachten, passen ihr Verhalten an. Aber ob sie sich Gedanken darüber machen, ist eher zu bezweifeln", betont Range den Tier-Mensch-Unterschied.

Fairness bei Vögeln

In dieselbe Richtung argumentiert Univ.-Prof. Thomas Bugnyar von Department für Kognitive Biologie der Uni Wien. Er konnte für Vögel nachweisen, dass sie ein "Fairnessgefühl entwickelt haben – nicht so weit wie Menschen. Aber es scheint in die Richtung zu gehen". In einer ähnlichen Versuchsanordnung wie Range mit den Kaniden belohnte Bugnyar sechs Krähen und vier Raben nur teilweise bzw. mit Salat statt Ei. Die ungerecht behandelten Tiere reagierten beleidigt. Entweder nahmen sie in der Folge das Ei nicht an, oder sie schmissen die Leckerbissen weg. "Gerechtigkeitsgefühl setzt ein bestimmtes Maß an sozialer Kompetenz voraus", sagt Bugnyar, der seine Ergebnisse bereits 2013 veröffentlichte. Mittlerweile sind sie bestätigt. Und liegen auch für Keas vor.

Reaktionen bei Primaten

Ursprünglich vermuteten Wissenschaftler eine Art Sinn für Gerechtigkeit nur bei Primaten. 2003 erschien in Nature eine Studie über Kapuzineraffen, die sich nicht mit Gurken abspeisen lassen wollten. Sarah Brosnan und Frans de Waal von der Emory University in Atlanta trainierten die Tiere darauf, Spielsteine gegen ein Stück Gurke einzutauschen. Später erhielt dann einer von zwei Affen für den gleichen Preis eine köstliche Weintraube. Beobachtete der andere Affe die Ungerechtigkeit, weigerte er sich, seinen Spielstein einzutauschen – oder er verschmähte seine Belohnung. Richtig Ärger gab es, als ein Affe eine Weintraube bekam, ohne dafür bezahlen zu müssen. Die anderen waren dermaßen entrüstet, dass sie ihre Spielsteine aus der Versuchskammer warfen – mitunter samt Gurke. Die Forscher schlossen damals: "Menschen reagieren in ähnlichen Situationen im Prinzip gleich." Friederike Range sieht es differenziert: "Viele Tiere sind uns in vielen Dingen ähnlich, in einigen mehr, in einigen weniger. In den geistigen Leistungen gibt es sicherlich Unterschiede."

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