Neuer Ansatz gegen Kurzsichtigkeit

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Immer mehr Kinder leiden unter Sehschwäche – wie es dazu kommt und was dagegen helfen könnte.

Rund jeder dritte Jugendliche ist kurzsichtig und kann Dinge in der Ferne nur noch mit Brille oder Kontaktlinsen scharf sehen – Tendenz stark steigend. In einigen asiatischen Ländern leiden sogar bis zu 96 Prozent der 20-Jährigen unter Sehschwäche. Augenärzte forschen daher intensiv daran, die Augenerkrankung einzudämmen – je früher, desto besser.

Internationale Studien wecken jetzt Hoffnung auf ein einfaches Mittel, das die Verschlechterung des Auges besser minimieren soll als bisherige Methoden – wie etwa die Empfehlung, Kinder möglichst viel Tageslicht auszusetzen oder ihnen Kontaktlinsen zu verschreiben. Die Lösung heißt Atropin, wie Mediziner am kommendem Wochenende beim Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft vorstellen werden. Demnach bringen niedrig dosierte Atropin-Tropfen, die den Kindern kurz vor dem Schlafengehen in die Augen getropft werden, große Erfolge. Atropin ist ein Nervengift, das aus der Tollkirsche gewonnen wird – viele kennen es von Untersuchungen beim Augenarzt. Dort wird es angewandt, um die Pupillen zu erweitern.

Ursachen

Warum die Augen der Kinder immer schlechter werden, ist den Experten klar: Neben der Erblichkeit haben offenbar Frühgeborene ein erhöhtes Risiko für Kurzsichtigkeit. Durch die höhere Überlebensrate gibt es auch mehr Kinder mit Sehschwäche. Zudem wirkt sich das viele nahe Lesen, vor allem am Smartphone, Tablet oder Computer auf die Augen aus.

Die Ophthalmologin Priv.-Doz. Andrea Papp erklärt: "Je näher man an den Bildschirm geht, desto mehr muss man das Auge anstrengen – dadurch wird das Wachstum des Augapfels stimuliert und das führt zu Kurzsichtigkeit." Augenärzte empfehlen daher, beim Lesen einen möglichst großen Abstand einzuhalten.

"Atropin lähmt die Anpassung des Auges an dieses Nahschauen." Bei der in Deutschland vorgestellten Studie konnte die Zunahme der Kurzsichtigkeit (Myopie) um bis zu 0,68 Dioptrien pro Jahr verhindert werden. Im Vergleich dazu halfen Kontaktlinsen mit 0,21 Dioptrien jährlich, zwei Stunden Tageslicht täglich schützen vor einem Verlust von 0,14 Dioptrien. Bedenkt man, dass das Auge von Kindern bis zum 20. Lebensjahr wächst, könnte somit einiges an Verschlechterung der Sehfähigkeit gestoppt oder zumindest eingebremst werden.

Die bisherigen Studien sind laut Papp "sehr interessant", offiziell wird die Methode in Österreich aber noch nicht empfohlen. Derzeit wird das Mittel nur bei speziellen Augenerkrankungen verschrieben. Auch in Deutschland ist man mit Empfehlungen noch vorsichtig. Da bisherige Studien vorwiegend in Asien durchgeführt wurden, plädiert Prof. Wolf Lagrèze vom Uniklinikum Freiburg dringend für Studien mit deutschen Kindern. "Bis hier Ergebnisse vorliegen, sind Schulen und Eltern gefordert, bei Kindern auf eine ausreichende Versorgung mit Tageslicht zu achten." Allein diese Maßnahme hat in Taiwan erste Erfolge gebracht.

Wenn Kinder in die Schule kommen, ist ihre Sehfähigkeit noch gar nicht voll entwickelt. So lange sie wachsen, kann die Entwicklung des Auges beeinflusst werden.
So können Neugeborene vor allem nur Hell-Dunkel-Kontraste unterscheiden, sie sehen noch sehr unscharf. Erst mit etwa sieben Monaten erkennt ein Baby Gegenstände außerhalb seiner Reichweite und beginnt, diese nicht nur mit Mund und Händen, sondern auch mit den Augen zu erforschen. In dieser Zeit sollte ein Kind zum Augenarzt, wenn erbliche Augenkrankheiten wie Fehlsichtigkeit oder Schielen vorliegen.

Im Alter von einem Jahr, verfügt das Kleinkind über etwa 50 Prozent der Sehschärfe eines Erwachsenen – vor allem bei den Zwei- bis Dreijährigen entwickelt sich diese dann stark weiter. In diesem Alter wird jedem Kind eine Untersuchung beim Augenarzt empfohlen, um mögliche kleine Störungen wie etwa das sogenannte „Mini-Schielen“, das auch zu Fehlsichtigkeit führen kann, frühzeitig zu entdecken. Außerdem werden einseitige Augenerkrankungen erkannt, die sonst erst viel später auffallen würden.


Das räumliche Sehen sollte bis zum Alter von neun Jahren dem von Erwachsenen entsprechen. Da ist allerdings das Gesichtsfeld seitlich noch um etwa 30 Prozent eingeschränkt – es entwickelt sich bis zum Alter von zwölf Jahren vollständig.

Mit sichtbaren Auffälligkeiten wie Augenzittern, Schielen oder Trübungen sollte ein Kind sofort zum Arzt.

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