Ein Sommer auf dem Gräberfeld

Eingespieltes Team: Jeder Knochenfund muss exakt dokumentiert werden
Umgeben von Staub und Hitze: Am Hemmaberg bringen Forscher spätantike Knochen ans Tageslicht.

In steilen Serpentinen windet sich eine schmale Forststraße den Hemmaberg hinauf. Sie führt zu einem Plateau, das den Blick weit in die Ferne schweifen lässt, von den Bergen Südkärntens bis hin zur nahegelegenen Grenze zu Slowenien. Wenige Meter abseits der Straße stößt man auf eine kleine Ansammlung von Menschen. In tiefgebückter Haltung, den Blick konzentriert auf den Boden gerichtet, heben sie Schicht für Schicht die Erde aus.

Westlich der südkärntnerischen Ortschaft Globasnitz liegt der historisch bedeutsame Hemmaberg, der auf eine jahrtausendlange Siedlungsgeschichte zurückblicken lässt. Dementsprechend zahlreich sind archäologische Funde rund um das Gebiet. Nun erhoffen sich Forscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) neue Erkenntnisse über das Zusammenleben unterschiedlicher Volksgruppen, wie Ostgoten und Römer, im Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter. Die Skelettfunde der zwei bisher unerforschten Gräber am Hemmaberg sollen Aufschluss über Gesundheitszustand, Alter oder Ernährung der Bewohner geben. Das Forschungsprojekt dauert den gesamten Juli an.

Perfekt koordiniert

Auf den zwei Grabfeldern tragen die Archäologen den Boden ab. Was für Laien auf den ersten Blick chaotisch erscheinen mag, ist tatsächlich jedoch perfekt koordiniert. Bereits im Vorhinein wird festgelegt, wer wo graben soll. Grabungsleiterin Michaela Binder wandert von Station zu Station und hilft, wo es nötig ist. Sie hat ihre Truppe voll und ganz im Blick.

Der Ablauf der Grabung ist strikt geregelt, nichts wird dem Zufall überlassen: Anfangs wird der Boden mittels geophysikalischer Prospektion genau vermessen: Dieses Bodenradar macht Anomalien in der Struktur des Erdreichs sichtbar. So stößt man auf unterirdische Mauern oder Gruben und kann abschätzen, wo sich menschliche Überreste befinden. Entdecken die Archäologen in der Folge Knochen, müssen die Koordinaten von jedem Fund exakt dokumentiert werden. So wird sichergestellt, dass keine Informationen verloren gehen.

Hitze und Staub

Ein Sommer auf dem Gräberfeld
Besichtigung der Ausgrabungen am Hemmaberg am 07.07.2017.

Unermüdlich durchwühlen die Forscher die Erde und trotzen der heißen Mittagssonne. Hüte und Knieschützer sollen Sonne und gebückte Haltung erträglicher machen. Unter den Wissenschaftern befinden sich auch einige junge Gesichter. Studenten der Universität Wien unterstützen Michaela Binder bei ihrem Projekt. Trotz der drückenden Mittagshitze sind sie beharrlich am Werk. Ihr Antrieb, sich täglich in Staub und Hitze abzumühen? "Die Vorstellung, dass unter uns Menschen begraben sind, die vor tausend und mehr Jahren gelebt haben, fasziniert uns. Da nehmen wir Rückenschmerzen schon einmal in Kauf.‘‘ Eine Studentin erzählt, wie schon ein kurzer Blick auf einen Knochen ausreicht, um einiges über den früheren Zustand des Individuums zu erfahren. Lockeres Knochengewebe beispielsweise deute auf hohes Alter hin, Verfärbungen im Knochen ließen auf Metallschmuck schließen.

Gerade ist das Team dabei, die oberste Humus-Schicht abzutragen, erst danach wird man in tiefere Schichten vordringen. Vier Wochen lang wird täglich von acht bis siebzehn Uhr gegraben, in jeweils drei Pausen gibt es eine wohlverdiente Stärkung. Bis die ersten Knochenfunde das Tageslicht erblicken, dauert es aber noch. Und darauf will das Team natürlich gebührend anstoßen.

Dabeisein lohnt sich

Jeden Freitag Nachmittag im Juli sowie im August nach Vereinbarung finden am Hemmaberg Führungen statt. Interessierte können den Archäologen über die Schulter schauen oder gar live miterleben, wie neue Skelette entdeckt werden. Im Pilgermuseum in Globasnitz werden archäologische Vorträge angeboten.

Info: Eine Übersicht über das Angebot: www.oeaw.ac.at/veranstaltungen-kommunikation/presse/oeffentlichkeit-kommunikation/

KURIER: Warum wird gerade am Hemmaberg immer wieder gegraben?

Ein Sommer auf dem Gräberfeld
Besichtigung der Ausgrabungen am Hemmaberg am 07.07.2017.

Michaela Binder:Einerseits hat der Hemmaberg einen historischen Stellenwert, birgt er doch Überreste von insgesamt sieben Kirchen und zählt zu Europas ältesten Pilgerheiligtümern. Aus archäologischer Sicht ist er deshalb interessant, weil hier auf sehr engem Raum zwei unterschiedliche Volksgruppen lebten. In Globasnitz stieß man bei der ostgotischen Siedlung auf Schädeldeformationen, die charakteristisch für das frühe Mittelalter sind. Bei den aktuellen Grabungen am Hemmaberg haben wir es mit einer spätantiken, römischen Siedlung zu tun. Die Lebensbedingungen der Menschen in dieser Übergangszeit sind ein wichtiger Bestandteil unseres Forschungsprojekts

Was erwarten Sie sich von den Grabungen?

Unser Ziel ist es vorrangig, die Lebensbedingungen der damaligen Bevölkerung zu rekonstruieren. Das gelingt uns nur, wenn wir eine ausreichende Anzahl an Skeletten finden. Erst wenn die untersuchte Population groß genug ist, können die Ergebnisse statistisch ausgewertet werden.

Arbeiten Sie oft im Freien?

Leider befindet sich mein Arbeitsplatz nicht das ganze Jahr in der Natur. Derartige Grabungen nehmen in etwa zwei Monate pro Jahr in Anspruch. Die restliche Zeit verbringe ich im Labor und analysiere die Skelettproben. Außerdem muss ich unzählige Finanzierungsanträge stellen, die mir viel Zeit kosten. Immerhin kommt man als Archäologe viel herum in der Welt. Vor kurzem war ich in Ephesos, für mein nächstes Projekt reise ich nach Saudi-Arabien.

Warum beteiligen sich so viele Studenten an der Grabung? Neben meiner Forschungstätigkeit für die ÖAW habe ich auch noch einen externen Lehrauftrag an der Universität Wien. Studenten der Archäologie müssen zwei Grabungspraktika absolvieren, die Anthropologen sind freiwillig hier. Mir ist es sehr wichtig, den Studenten ein Bewusstsein für die historische Bedeutsamkeit dieser Gräber mitzugeben.

Tausendjährige Geschichte

Ein Sommer auf dem Gräberfeld
Grafik

Auf seinem Gipfel befand sich einst ein keltisches Heiligtum, heute ist der Berg ein beliebter Pilger- und Wallfahrtsort. Erste römische Siedelungen datieren bereits aus dem 5. Jahrhundert nach Christus. Der mehrteilige Kirchenkomplex sowie die lange Siedlungskontinuität machen den Berg zu einem wichtigen Standort archäologischer Forschung.

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