Zu Besuch bei Österreichs Indiana Jane
Dutzende Menschen, die Köpfe unter Tüchern und Hüten versteckt, arbeiten in der sengenden Sonne. Man ist nicht sicher, ob Männlein oder Weiblein. Teils auf dem Berg über dem Tempel, teils darunter, am Fuß des Hügels. „Unsere Studenten müssen alles Ziegel für Ziegel ausgraben, denn das ist es, wofür Studenten da sind.“ Pamela Rose lacht. Und die Studenten lachen mit. Es wird gegraben, geschaufelt und gesiebt.
„Natürlich ist das besser als im Büro rumzusitzen, es ist schon etwas Besonderes“, sagt Irene Forstner-Müller, ebenfalls vermummt bis zur Unkenntlichkeit. Sie ist die Leiterin der Zweigstelle Kairo des Österreichischen Archäologischen Institutes (ÖAI/ÖAW), Pamela Rose ist ihre Stellvertreterin und beide graben seit 2017 in Kom Ombo am Nil.
Direkt beim Tempel
Wer je eine Nilkreuzfahrt von Luxor nach Assuan gemacht hat, kennt das: Der mächtige, ruhig dahingleitende Fluss, eine Biegung und plötzlich, etwas erhöht – der Tempel.
Unmittelbar daneben liegt die österreichische Grabung, was zu kuriosen Szenen führen kann. Reisende müssen auf dem Weg zur Tempelbesichtigung direkt an der Grabung vorbei. Und einer beschwert sich lautstark, weil er sie nicht besichtigen darf, die Autorin dieser Zeilen aber schon.
Spannend ist das Getümmel allemal: War bis 2010 die Grabung Tell el-Daba (das alte „Avaris“, das Kairo der Antike) im Nildelta an die 50 Jahre lang das Vorzeige-Projekt der österreichischen Archäologen, wurde Forstner-Müller jetzt zwischen Assuan und Luxor fündig.
Kom Ombo war bisher nur durch seinen griechisch-römischen Tempel bekannt. Die Stadt selbst wurde nie erforscht. „Lange wurde sie nicht als pharaonische Stadt wahrgenommen. Dabei hat der englische Ägyptologe Barry Kemp bereits in den späten 1970er-Jahren gesagt, dass Kom Ombo viel älter ist, als wir glauben“, erzählt die Ägyptologin, die bereits vor Jahren mit ihrer Stellvertreterin auf der Suche nach einer neuen Grabung eine Erkundungstour hierher machte. Als sie entdeckten, dass Keramik aus dem Alten Reich einfach so herumlag, war alles klar. Bereits in ihrer ersten Saison im Vorjahr fand die ägyptisch-österreichische Mission Überreste, die bis ins 3. Jahrtausend vor Christus zurückreichen.
Lokalaugenschein
„Das sind sicher Gräber“, sagt Forstner-Müller, obwohl sie kaum mehr als ein paar Ziegel sieht. Und deutet Richtung Grube zu ihren Füßen, die in den vergangenen Stunden entstanden ist, nachdem Arbeiter Unmengen von Erde abgetragen haben. „Schau, das sind bereits die ersten Mauern. Vielleicht von Speichern“, mutmaßt sie. „Wir sind in der ersten Zwischenzeit, das wissen wir durch die Keramik. Es ist ein toller Platz zum Graben, hier im Schatten des Tempels.“
Bisher war der Ort Forschungsniemandsland. Gut, der Tempel wurde untersucht, doch die Stadt rundherum nicht. Das interessiert Forstner-Müller, die Stadtarchäologin. „Sechs Hektar sind erhalten und als Antikenland geschützt“, sagt sie. „Doch bei unseren Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass die Stadt viel größer war. Unsere Funde zeigen, dass ihre Geschichte jedenfalls im Alten Reich beginnt, und dass Kom Ombo eine wichtige Stadt war.“
Forstner-Müller stockt kurz und erklärt dann: „Es gab das Alte Reich, das Mittlere und das Neue, dazwischen waren die beiden Zwischenzeiten. In der Ersten passiert hier in Kom Ombo irgendwas. Alles ist von Brand überzogen. Und es gibt kein Mittleres Reich. Keine Keramik, keine Strukturen. Entweder wurde alles abgetragen oder irgendjemand war den ehemaligen Regenten nicht wohlgesonnen.“ Noch stehen hinter den Grabungsergebnissen viele Fragezeichen.
Unbekannt ist auch die Bedeutung der neu entdeckten Königssiegel. „Wir haben Massen von Rollsiegel mit Beamtentiteln und Königsnamen gefunden“, erzählt die Archäologin. Die Siegel tragen die Namen Userkaf und Neferirkare, Pharaonen aus der 5. Dynastie. „Dass heißt, dass Kom Ombo damals ein wichtiges administratives Zentrum gewesen sein muss."
Die Goldene
Forstner-Müller weiter: „Kom Ombo hieß in der Antike Nubet, was soviel wie die Goldene bedeutet.“ Sie mutmaßt, dass hier Expeditionen durchzogen, die zu den Goldminen in Nubien wollten. „Eigentlich weiß man gar nichts darüber“, sagt sie und plant, das mit einem neuen Projekt zu ändern.
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