Affen würden wie Menschen sprechen

Hätten Makaken die kognitiven Fähigkeiten, könnten sie beim Baden plaudern.
Die Anatomie der Makaken bringt Stimmen hervor, das Gehirn hindert sie aber am Sprechen.

Bisher ging Wissenschaftler davon aus, dass Affen aufgrund ihrer Anatomie keine Sprachlaute bilden können. Das trifft nach einer aktuellen Studie von Wiener Forschern nicht zu - zumindest nicht auf Makaken. Ihnen fehle es allein an den nötigen kognitiven Fähigkeiten, berichteten sie im Fachblatt „Science Advances“.

Vier Jahrzehnte lang herrschte in Fachkreisen die Meinung vor, dass die Tiere prinzipiell nicht zum Sprechen fähig wären, weil ihnen die dazu nötigen anatomischen Voraussetzungen fehlen. Diese hartnäckige Annahme fußte auf Untersuchungen an Vokaltrakten toter Affen. „Die wenigen Experten, die sich näher damit beschäftigten, glaubten das allerdings nicht. Es scheint sich hier um eine dieser modernen Mythen in der Wissenschaft zu handeln, die man auch in allen Lehrbüchern findet“, sagte der Kognitionsbiologe Tecumseh Fitch von der Universität Wien. „Wir waren so genervt von Leuten, die das behaupteten, dass wir uns dazu entschieden haben, das endgültig aufzuklären.“

Flexibler Vokaltrakt

Gemeinsam mit Kollegen aus den USA und Belgien hat sich Fitch nun die stimmbildenden Organe (Kehlkopf, Zunge und Lippen) von Makaken ganz genau angesehen. Bei ihren Analysen auf Basis von Video-Röntgenuntersuchungen haben die Wissenschaftler die Veränderungen im Mund und Hals der Primaten beobachtet, während sie Laute von sich gaben, fraßen oder lediglich ihren Gesichtsausdruck veränderten. Dabei wurde klar, dass der Vokaltrakt der Tiere um einiges flexibler ist als bisher angenommen.

Willst Du mich heiraten?

„Wir konnten beobachten, dass sie fünf Selbstlaute perfekt verständlich produzieren konnten“, sagte Fitch. Nicht darunter war etwa der Laut „i“. „Trotzdem gibt es tausende Worte, die sie auf Englisch oder Deutsch bilden könnten“, sagte der Forscher. Wie sich das anhören würde, wollte das Team um Fitch und Asif Ghazanfar von der Princeton University (USA) mit Hilfe eines Computermodells des Stimmapparats der Makaken herausfinden: „Willst du mich heiraten?“, ließen sie virtuelle Makaken beispielsweise auf Englisch fragen. Das klingt in der künstlichen Affensprache zwar gruselig und kehlig, ist aber ähnlich verständlich, wie in der Simulation einer menschlichen Stimme. „Auch wenn es ein wenig seltsam klingt“, sagte Fitch.

Angesicht der neuen Erkenntnisse könne man nun also nicht mehr davon ausgehen, dass den Tieren die prinzipiellen anatomischen Voraussetzungen abgehen. Vielmehr fehlen ihnen die geistigen Voraussetzungen zum Erwerb einer wie auch immer gearteten Sprache sowie die kognitiven Fähigkeiten, um die dafür nötigen komplexen Lautkombinationen zu erlernen. Auf den Punkt gebracht, verfügen sie schlichtweg nicht über ein „sprachfähiges Gehirn“. Umgekehrt zeige sich, dass der Mensch mit seiner Fähigkeit zum Sprechen nicht so alleine dasteht, wie oft vermutet. Man könne sogar davon ausgehen, dass viele Tiere, wie Hunde oder Kühe weit mehr Laute produzieren könnten als sie tatsächlich tun.

Evolution

Da es eigentlich auch Affen quasi zu jedem Zeitpunkt in ihrer Entwicklungsgeschichte möglich gewesen wäre, eine Sprache zu entwickeln, schließen die Forscher, dass es für die Entwicklung der menschlichen Sprache vielmehr kognitiver und weniger anatomischer Veränderungen bedurfte. Die Untersuchung wirft auch ein neues Licht auf die aufsehenerregenden Fähigkeiten von „Kanzi“. Der Bonobo hat im Sprachforschungszentrum der Georgia State University im amerikanischen Atlanta hunderte Wörter gelernt und kann sich über ein Keyboard verständigen. „Seine Fähigkeit zum Verstehen von Sprache ist viel größer als seine Fähigkeit, Sprache zu produzieren. Viele Leute meinen, dass das wegen der Limitierungen seines Vokaltrakts so ist. Das können wir aufgrund unserer Daten widerlegen. Es geht nämlich um die Kontrolle der stimmbildenden Organe durch das Gehirn“, sagte Fitch.

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