59 Typen: Es gibt keine Diät für alle

59 Typen: Es gibt keine Diät für alle
Weniger Zucker, weniger Fett, mehr Bewegung? Es gibt keine allgemeine Abnehm-Formel für alle Übergewichtigen. Experten raten zu mehr Individualisierung.

Schluss mit Hungern und Diätenwahn. Es gibt kein Abnehmprogramm, das bei allen wirkt. Egal, ob fettarm, kalorienarm oder frei von Zucker: Ein und dieselbe Diät kann dem einen dabei helfen, schlanker zu werden, während ein anderer damit sogar zunimmt. Wie gut jemand auf eine Ernährungsform anspricht, ist absolut individuell, betonen nun immer mehr US-Experten.

Die verschiedenen Formen von Übergewicht müssen demnach so unterschiedlich behandelt werden wie diverse Krebsarten. Egal, ob man zuckerhaltige Getränke verbannt und Fast Food verteufelt oder ein gesundes Frühstück und mehr Schlaf verordnet – Lungenkrebs kann auch nicht verhindert werden, indem man die Sonne vermeidet, erklärt Lee Kaplan, Direktor des Instituts für Übergewicht, Metabolismus und Ernährung am Massachusetts General Hospital in der New York Times. Er ist überzeugt: So wie Mediziner nicht alle Übergewichtigen über einen Kamm scheren können, dürfen sie auch nicht allen die gleichen Empfehlungen zum Abnehmen geben.

Diäten-Vergleich

Einen einfachen Beweis dafür erbrachte der Ernährungsmediziner Frank Sacks von der Harvard University: Für seine Studie nahmen 811 übergewichtige und fettleibige Testpersonen an einer von vier Diäten teil. Zwei davon waren fettarm, zwei fettreich – jeweils eine davon empfahl proteinreiche Ernährung, die andere durchschnittliche Proteinaufnahme.

Das Ergebnis bestätigt die Erfahrungen von langjährigen Diäterprobten: Keines der Abnehmprogramme ist als besonders erfolgreich hervorgestochen. Doch Sacks fiel eine andere Besonderheit auf – bei jeder Diät gab es ein paar Teilnehmer, die ausgesprochen gut darauf ansprachen. Und andere, bei denen die Diät überhaupt nicht angeschlagen hatte. Zwei Menschen mit den gleichen Voraussetzungen, also gleich viel Übergewicht, mit dem gleichen sozialen Hintergrund, dem gleichen Geschlecht können dieselbe Diät machen – einer nimmt ab und der andere nicht.

Genetischer Hintergrund

Der Übergewichts-Experte Kaplan hat im Rahmen seiner Forschungsarbeit inzwischen 59 Typen von Fettleibigkeit identifiziert. Einige davon sind genetisch bedingt – aber nicht alle. Was viele vergessen: Auch Medikamente können unter Umständen eine Gewichtszunahme begünstigen. Bei einer ärztlichen Behandlung von Fettleibigen müssen zunächst auch Stoffwechselstörungen und hormonelle Veränderungen abgeklärt werden.

Der Internist Univ.-Prof. Thomas Stulnig ist Oberarzt am Wiener AKH und auf Übergewicht, sowie auf Stoffwechsel- und Hormonerkrankungen spezialisiert. "Es sind rund 50 Genvarianten bekannt, die relativ häufig vorkommen und mit Adipositas assoziiert sind. Doch verschiedene adipöse Personen tragen verschiedene Variationen – deshalb ist die Ausgangslage alleine schon vonseiten des Erbmaterials unterschiedlich." Damit ist kein Übergewichtiger eins zu eins mit einem anderen zu vergleichen.

Das wirkt sich auch körperlich aus: Bei manchen liegt das Fett unter der Haut (vorzugsweise rund um Hüfte und Oberschenkel) – andere tragen ihr Fett im Bauch. Letzteres wirkt sich vor allem auf den Stoffwechsel aus und begünstigt Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

Bewegung oder Ernährung?

Die große Herausforderung für Ärzte und Ernährungsberater ist, eine maßgeschneiderte Umstellung zu finden – und das wohl eher nach dem Prinzip Versuch und Irrtum. Denn: "Derzeit gibt es keine wissenschaftlich basierte Möglichkeit zu sehen, welche Form von Übergewicht auf welche Ernährungs- oder Bewegungsform gut anspricht", erklärt Stulnig. "Wir können keine Voraussagen machen, ob der Patient mit Diät A oder mit Diät B mehr Erfolg hat."

Und auch in punkto Bewegung hat sich gezeigt, dass manche Patienten darauf ansprechen und andere nicht. Dabei wurden auch kaum die Effekte von verschiedenen Bewegungsformen erforscht. Wichtigste Grundvoraussetzung ist, dass die Empfehlungen für die Betroffenen umsetzbar sind.

Jojo-Effekt vermeiden

Auch, wenn die Ursachen oft unterschiedlich sind, letztendlich gehe es vor allem bei Fettleibigen darum, den Kalorienexzess zu reduzieren, der die Schwimmreifen immer größer werden lässt. Wichtig sei es hierbei, den typischen Jojo-Effekt zu vermeiden – wer nach einer Diät in alte Ernährungsmuster zurückfällt, nimmt immer wieder zu: "Deshalb ist es stets sinnvoll, eine dauerhafte Ernährungs- und/oder Lebensstilumstellung zu machen, mit der man am Anfang Gewicht verliert und sich dann auf einem niedrigeren Niveau einpendelt", sagt Stulnig. "Spätestens nach vier Wochen sollte jede Umstellung erste Erfolge zeigen, sonst passt es nicht."

Statistiken

Jeder zweite Mann, jede dritte Frau, jeder vierte Bub und jedes fünfte Mädchen in Österreich sind übergewichtig. Schon jetzt stehen rund sieben Prozent der Gesundheitsausgaben in Österreich in Zusammenhang mit Fettleibigkeit, warnt das Österreichische Akademische Institut für Ernährungsmedizin und fordert mehr Initiativen für Prävention.

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