Zwischen Frust und Hype: Was zum Gründerland fehlt

Zwischen Frust und Hype: Was zum Gründerland fehlt
Staatssekretär Mahrer ruft eine neue Gründerzeit aus. Ein Strategiepapier wird dafür nicht reichen.

Auf mehr als 100 Seiten wird aufgelistet, was Österreich zum "gründerfreundlichsten Land Europas" machen soll. Gleich 40 Maßnahmen in fünf Handlungsfelder hat Wirtschafts-Staatssekretär Harald Mahrer zur Priorität erklärt.

Zwischen Frust und Hype: Was zum Gründerland fehlt
Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) ist für das Projekt mitverantwortlich
"Wir müssen das ganze Land anstecken", läutet er seine Gründeroffensive ein. Bis 2020 soll sie immerhin 100.000 zusätzliche Jobs schaffen. Ein ehrgeiziges Ziel, zumal die Gründungsintensität seit Jahren zu wünschen übrig lässt.

Ein buntes Strategiepapier wird für den Umschwung nicht reichen. Der KURIER nahm die geplanten Handlungsfelder unter die Lupe:

Gründergeist
Selbstständigkeit gilt in Österreich nicht als erstrebenswert. An Risikobereitschaft fehlt es ebenso wie an einer Kultur des Scheiterns. "Der Unternehmergeist muss schon ab dem Kindesalter gefördert werden", sagt ThreeCoins-Chefin Katharina Norden, die am Strategiepapier mitarbeitete und mit ihrem Start-up selbst die Finanzkompetenz bei Jugendlichen verbessern möchte. So lange sich aber niemand dafür zuständig fühlt – das Unterrichtsministerium ist bei der Gründeroffensive nicht mit an Bord – bleibt dies ein frommer Wunsch.

Innovation
Seit Jahren wird kritisiert, dass es viel zu wenige Ausgründungen (Spin-offs) aus Wissenschaft und Forschung gibt. Wird Wissen nicht in die Wirtschaft transferiert und so neue, hochwertige Jobs in der Privatwirtschaft geschaffen, geht Innovationspotenzial verloren. Mehr als eine bessere Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fällt den Strategen nicht ein. Gefragt wäre ein stärkerer Fokus der Forschungsförderung in Richtung Ausgründung und Schaffung neuer Jobs.

Finanzierung
Steuergeld für Start-ups gibt es in Österreich mehr als genug. Laut Papier werden rund 100 Mio. Euro pro Jahr für Gründer zur Verfügung gestellt. Allein die aws fördert jede zehnte Neugründung in irgendeiner Weise. Zusätzlich greifen die Länder dem Firmennachwuchs gerne unter die Arme. Die ganze Förderlandschaft ist unübersichtlich und zersplittert. Geldsorgen treten bei vielen Start-ups in der Wachstumsphase auf, für Bankkredite fehlen oft Sicherheiten. Hier hofft Mahrer auf das neue Crowdfunding-Gesetz, das private Geldquellen erschließen soll. Kritiker warnen davor, unerfahrenen Kleinanlegern das Unternehmerrisiko zu übertragen. Ein wichtiger Hebel wäre, mehr (steuerliche) Anreize für Vermögende zu schaffen, in Jungunternehmen zu investieren.

Lohnkosten
Hohe Lohnkosten sind der Hauptgrund, warum viele Gründer sich lieber selbst ausbeuten statt Personal anzustellen. Die Junge Wirtschaft fordert seit Jahren die automatische Streichung der Lohnnebenkosten für den ersten Mitarbeiter im ersten Jahr. "Ich bin erstaunt, dass wir das noch nicht gemacht haben", meint Regierungsmitglied Mahrer. Nicht nur er.

Vernetzung
Die Gründerszene soll sich mehr über Ländergrenzen hinweg vernetzen, innovative Start-ups sollen nach Österreich gelockt werden. Um die besten Gründer der Welt gebe es einen Wettkampf der Städte, da müsse Wien mitspielen. Mit dem "Pioneers Festival" gibt es bereits eine internationale Community. Wie nachhaltig der Hype um High Potentials und ihre Protegés ist, bleibt abzuwarten. Die Gefahr der Überhitzung ist gegeben.

Im Vorjahr ist die Zahl der Ein-Personen-Unternehmen (EPU) in Österreich erneut gestiegen – um 4,3 Prozent auf 278.411 Personen. Mit einem Anteil von rund 58 Prozent stellen sie inzwischen die klare Mehrheit in der Wirtschaftskammer (WKO). Fast jedes zweite EPU (47 Prozent) entfällt auf die Sparte Gewerbe und Handwerk, gefolgt vom Handel (22,8 Prozent) und Information & Consulting (18,3 Prozent). Der Frauenanteil bei den Kleinstunternehmen lag – nicht zuletzt durch die vielen Personenbetreuerinnen – bei nahezu 50 Prozent.

Nur sieben Prozent sind GmbH, der Rest Einzelunternehmen. Die WKO fordert einen weiteren Bürokratieabbau für die Micro-Firmen, etwa bei der Steuererklärung. Sie sollte "auf einer Seite" Platz haben. Dies würde den Zeit- und Kostenaufwand stark reduzieren.

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