Laut Statistik Austria können sich die Österreicher mit dem Thema Smart Home (noch) nicht so wirklich anfreunden. Derzeit geben nur zehn Prozent der Haushalte an, elektronische Geräte zu Hause über das Internet zu steuern.
Das dürfte sich rasch ändern, glaubt man Kai Gondlach. Der Zukunftsforscher sammelt Trends und versucht daraus ein Bild der künftigen Gesellschaft zu entwickeln. Mit dem KURIER sprach er bei der Konferenz „Energy2050“ über Maschinen, die Ersatzteile selbst bestellen und Menschen, die sich um die vermeintlich banalen Dinge des Alltags keine Gedanken mehr machen wollen.
KURIER: Herr Gondlach, Sie sagen: Viele Alexas werden uns die Entscheidungen abnehmen. Glauben Sie, die Menschen wollen das?
Kai Gondlach: Ja. Ich glaube ja nicht, dass Alexa uns die Entscheidung abnimmt, sondern sie versteht uns und setzt den Wunsch in eine Handlung um. Aber der Trend geht dorthin, dass Alexa uns immer besser versteht und weiß, welche Bedürfnisse wir haben, wann wir sie haben und welche Entscheidungen wir gar nicht gerne selbst treffen.
Was ist das zum Beispiel?
Ganz simple Dinge, wie: Die Küchenrolle ist aus. Da nimmt uns Alexa die Entscheidung im richtigen Moment ab und das Päckchen kommt schon zu Hause an, ohne, dass wir selbst etwas gemacht haben.
Grenzt das nicht an Entmündigung?
Ich sehe das als freiheitsstiftend. Ich muss mich nicht mehr mit Dingen beschäftigen, die mich wenig interessieren. Ich fände es etwa gut, würde mir ein unabhängiges Programm eine günstigere Haushaltsversicherung vorschlagen. Da würde enorm viel Zeit und Geld ersparen. Ab er da stecken natürlich Interessen großer Konzerne dahinter.
Das stört Sie gar nicht?
Das ist so wie es ist. Die Menschen sind im Grund faule Tiere. Deswegen nutzen die Menschen die Digitalisierung, weil sie Dinge erleichtert. Kürzlich bin ich mithilfe von Google Maps eine Strecke gefahren, die im Nachhinein betrachtet sicher nicht die kürzeste war. Aber es lagen besonders viele Burger Kings und McDonald‘s auf dieser Strecke. Ich vermute, Google Maps hat mir diese Strecke vorgeschlagen, weil der Algorithmus weiß, dass ich schon mal in diesen Lokalen war. Würde BP oder Aral oder Shell mehr Geld bezahlen, wäre die Route wahrscheinlich eine andere gewesen. Aber man will bei vielen alltäglichen Standard-Tätigkeiten nicht mehr selbst denken. Maschinen vereinfachen also Denkprozesse. Der Mensch kann die Kreativität woanders ausleben.
Der 32-jährige Deutsche Kai Gondlach aus Itzehoe (ca. 60 Kilometer nördlich von Hamburg) machte sich nach der Matura mit 18 als Webdesigner nebengewerblich selbstständig. Zudem studierte er Soziologie und Politik in Berlin. Danach arbeitete er im Online-Marketing und baute die Marketing-Abteilung eines Start-ups auf. Nach seiner Tätigkeit als Online-Marketingberater für kleine und mittlere Unternehmen wechselte er 2015 zum 2b AHEAD think Tank in Leipzig. Dort beschäftigte er sich mit Trends in unterschiedlichen Branchen und schrieb wissenschaftliche Studien darüber. Im Frühjahr 2019 wagte er schließlich den Schritt in die Selbstständigkeit.
Wie ist Ihre persönliche Erfahrung damit?
Mit Alexa?
Ja. Und mit digitalen Tools zu Hause ...
Also, Alexa habe ich nicht. Aber ich nutze Sprachkommandos am Handy. Da merke ich auch, dass der Algorithmus lernt.
Vieles, was Alexa kann, läuft über Vernetzung im Strom-Bereich. Wo sehen Sie da die Zukunft?
David gegen Goliath. Die etablierten großen Energiekonzerne werden angegriffen von kleinen Erzeugern. Und die SAP-Software wird von Start-ups angegriffen. Und dazu die Blockchains. Geht es nach dem alten System, werden die Großen die Kleinen kaufen. Aber ich sehe auch eine Veränderung in der Gründermentalität, die nicht nur verkaufen, sondern den Markt auch nachhaltig verändern will.
Wie verändert die vielen kleinen Stromfirmen die „elektrischen Bedürfnisse“ eines Haushalts?
Jeder, der ab 2020 Hausgeräte neu anschafft, wird sehen, dass all diese Geräte vernetzt sind. Sie kommunizieren miteinander und mit dem Hersteller. Hersteller werden Geräte fast zum Null-Tarif anbieten. Zum Beispiel eine tolle Waschmaschine um einen Euro. Aber dann kommt es: Ich darf zum Beispiel nur noch Waschmittel von Miele verwenden. Das Gerät misst, wie viel ich wasche, der Stromverbrauch wird gemeldet. Der Hersteller verdient Geld über die gesamte Lebensdauer des Produkts. Und der Techniker weiß schon drei Wochen bevor ein Teil der Waschmaschine kaputt wird, dass es ausgetauscht werden muss.
Dafür ist eine Menge an Datenaustausch nötig. Wird das so einfach zugelassen?
Ich glaube, der Großteil der Menschen beschäftigt sich nicht genug damit, was dieser Datenaustausch bedeutet. Sonst würden wir nicht alle so freigiebig damit umgehen.
Das typische Szenario ist der gläserne Bürger. Das ist meiner Meinung nach heute schon so. Aber da bin ich Optimist: Das ist zum größeren Teil zu unserem Guten, etwa zur Kriminalprävention. Mir ist lieber, eine Maschine hört mit und meldet nur, wenn etwas auffällig ist, als ein Mensch hört mit so wie es in alten DDR-Zeiten war.
Wie sicher sind Sie, dass die Zukunft so aussieht?
Sehr sicher. Wir Zukunftsforscher entwickeln keine Visionen, wir beschäftigen uns mit Trends und mit dem, was in zehn Jahren sein wird. Und das ist genau das. Die Menschen haben das nicht immer selbst in der Hand. Vieles wird von den großen Unternehmen diktiert.
Sind die Jungen darauf gut vorbereitet?
Menschen, die in den vergangenen 20 Jahren geboren wurden, haben viele Möglichkeiten, sich gut zu bilden. Sie sind mit Internet groß geworden und sie sind es gewohnt, vernetzt zu denken. Das macht sie offener für Veränderung. Die Aufgabe der Schule ist, ihnen Kreativität, Querdenken und mehr Werte zu vermitteln.
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