Zu gefährlich: WKO will Reform der Reform bei Eis

Ein potenzieller Herd von Listerien und Salmonellen: Speiseeis
Kammer findet Speiseeis-Bereitung und Autoverglasung für völlige Freigabe ungeeignet.

Bis 6. Dezember wird die geplante Reform der Gewerbeordnung noch begutachtet. Die Wirtschaftskammer meldet dabei Vorbehalte gegen die Freigabe der Speiseeis-Erzeugung und Autoverglasung an. Das sind 2 von 19 Teilgewerben, die laut Entwurf freie Gewerbe werden sollen. Diese könnte künftig jede Person ohne Zugangsbeschränkungen ausüben.

Das berge Risiken, warnte Reinhard Kainz, Geschäftsführer der Sparte Gewerbe und Handwerk, am Mittwoch. Werde Eis nicht sachkundig zubereitet, sei die Gesundheit der Konsumenten durch Listerien oder Salmonellen gefährdet. Und in Autoscheiben würden Sensoren eingebaut, die für autonomes Fahren gebraucht werden. Diesen Einbau Laien zu überlassen, gefährde die Verkehrssicherheit. Der WKO-Vorschlag: Das Speiseeis soll zum reglementierten Gewerbe der Konditoren wandern, die Autoverglasung zu Karosseriebau und Kfz-Technik.

Die groß angekündigte Novelle wurde als Mini-Reform kritisiert. Zu Unrecht, meinte Spartenobfrau Renate Scheichelbauer-Schuster. Die einfachere Genehmigung von Betriebsanlagen sei ein "großer Wurf". Auch die Folgen der ausgeweiteten Nebenrechte würden unterschätzt.

Erlaubtes "Pfuschen"

Worum geht es? Künftig dürfte ein Unternehmer bis zu 30 Prozent in fremden Revieren wildern (davon bis zu 15 Prozent in reglementierten Gewerben). Der Tischler könnte die Fenster also gleich einbauen und verputzen, ohne zusätzlichen Gewerbeschein. Analog dürften freie Gewerbetreibende bis zu 30 Prozent fremde Jobs ausführen, sogar reglementierte Tätigkeiten. So könnte eine Kfz-Servicestation (freies Gewerbe), die an sich nur Scheibenwischer oder Zündkerzen wechseln darf, in die reglementierte Kfz-Technik "reinpfuschen" und Bremsen einstellen. Schwer zu verstehen, warum das plötzlich nicht gefährlich sein soll, wenn es weniger als 15 Prozent des Geschäftes ausmacht.

Diese Nebenrechte könnten vom Staat kaum kontrolliert werden, kritisiert Kainz. Der Entwurf lässt Unternehmern nämlich die freie Wahl, ob sich diese Prozentsätze auf den Zeitaufwand oder Umsatz beziehen. Die Sparte verlangt, dass der Höchst-Anteil bei jedem Einzelauftrag eingehalten wird und nicht nur im Geschäftsjahr.

Deutsche Schützenhilfe

Scheichelbauer-Schuster warnte abermals vor einem drohenden Qualitätsverlust, wenn reglementierte Gewerbe abgeschafft würden. Dann gebe es weniger Meisterbetriebe und somit auch weniger Lehrlinge.

Argumentative Verstärkung holte sich die Sparte dafür aus Deutschland: Die CDU-Bundestagsabgeordnete Lena Strothmann warnte in einer Live-Schaltung, dass die Liberalisierung der Gewerbeordnung in Deutschland 2004 viel mehr Nachteile als Vorteile gebracht habe. Mittlerweile seien sich alle Parteien einig, dass die Reform zurückgenommen werden sollte.

Das Ziel, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, sei nicht erreicht worden. Es gebe zwar mehr Ein-Personen-Unternehmen (EPU), von denen seien aber rund 70 Prozent nach fünf Jahren vom Markt verschwunden. Meisterbetriebe hingegen seien nach fünf Jahren noch zu zwei Drittel am Markt. Die "Einzelkämpfer" hätten zudem ruinöse Preisschlachten entfacht und die Qualität der Arbeit sei oft niedrig.

Strothmann sagte, vor der Reform 2003 habe es noch 1.650 neue Fliesenlegergesellen gegeben, 2010 seien es nur mehr 650 gewesen. Bei den neuen Meistern bei den Fliesenlegern sei die Zahl von 575 im Jahr 2003 auf 84 im Jahr 2010 gefallen.

Gründerboom war Strohfeuer

Dietmar Schäfers, Vizechef der deutschen Industriegewerkschaft, fand auch kein gutes Haar an der deutschen Reform: „Vor allem am Bau und im baunahen Bereich kam es zu einem Untergang der Strukturen hin zu ungeschützten Einmannbetrieben.“

Auf den ersten Blick habe es zwar einen Boom gegeben: Ein Jahr vor der Liberalisierung erfolgten laut Schäfers 75.000 Neugründungen im Handwerk. „Im Jahr danach waren es 235.000.“ Davon würden aber 70 Prozent nicht mehr existieren, da es qualitativ einfach nicht gereicht hätte und ein „gnadenloser Wettbewerb“ entstanden sei. Als Gewerkschaft freue man sich daher, dass die Politik überlege, Teile der Reform wieder zurückzunehmen.

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